„Entschieden für Europa“

Plädoyer der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

„Aus Anlass der Erweiterung der Europäischen Union zum 1. Mai 2004, der Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004 und der anhaltenden Diskussion über einen künftigen Europäischen Verfassungsvertrag appelliert die in Heilsbronn tagende Landessynode an alle evangelischen Christen/innen sich verstärkt für den europäischen Einigungsprozess zu engagieren.

1. Die Landessynode erinnert an die Selbstverpflichtung der großen christlichen Kirchen, wie sie in der Charta Oecumenica vom April 2001 zum Ausdruck kommt:

„Die Kirchen fördern eine Einigung des europäischen Kontinents.“ Ziel ist ein humanes und soziales Europa, „in dem die Menschenrechte und Grundwerte des Friedens, der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Toleranz, der Partizipation und der Solidarität zur Geltung kommen“.

2. Die Landessynode ermutigt die Landeskirche und Diakonie, in ihrem Engagement für die vielfältigen Partnerschaften und Kooperationen auf europäischer Ebene fortzufahren.

- Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke, Kirchenkreise und Landeskirche setzen sich durch ihre Partnerschaften mit Kirchen in anderen Ländern Europas für grenzüberschreitende Verständigung, Versöhnung, Gemeinschaft und gegenseitige Hilfe der Christen ein.

- In Diakonie, evangelischem Schulwesen und evangelischer Jugendarbeit werden vielfältige Kooperationsprojekte auf dem Sozial- und Bildungssektor durchgeführt.

- Darüber hinaus engagiert sich die Landeskirche für den ökumenischen Dialog in Europa und für die Anliegen des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

3. Die Landessynode bittet die Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen, gerade jetzt das Bewusstsein für die positive Bedeutung eines geeinten, friedlichen Europas und den evangelischen Beitrag zur europäischen Wertegemeinschaft zu fördern.

Die Geschichte Europas war eine Geschichte der Konflikte und Kriege. Die Europäische Union bietet erstmals die Chance einer auf Dauer angelegten, friedlichen Zusammenarbeit der Staaten. Bei aller stellenweise berechtigten Kritik ist pauschaler „Europa-Verdrossenheit“ zu wehren. Vielmehr gilt es, sich konstruktiv mit Weichenstellungen europäischer Politik auseinanderzusetzen und die Maßstäbe der Charta Oecumenica offensiv zu vertreten.

Dringlich ist dies vor allem mit Blick auf den Schutz von Leben und Menschenwürde am Anfang und am Ende des Lebens (Embryonenschutz, Verbot der „Euthanasie“), auf die Migrations- und Flüchtlingspolitik (Schutz von Ehe und Familie), auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums sowie auf die Außen- und Verteidigungspolitik (Primat der Politik vor militärischer Option als ultima ratio und der drohende Wegfall des Parlamentsvorbehalts).

Verstärkt zu thematisieren sind die Auswirkungen der EU-Erweiterung auf das Leben der Menschen in den Grenzregionen und die entsprechenden Herausforderungen an unsere Kirche. Im Bereich von Arbeitsmarkt, Landwirtschaft, Umweltschutz, Sicherheit und Kultur gibt es mit der Erweiterung nicht nur Probleme, sondern auch Chancen.

Mit großer Sorge weist die Landessynode auf den großen Markt der Zwangsprostitution, des Frauenhandels und des organisierten Missbrauchs von Minderjährigen, der Menschenrechte verachtet, hin. Aufklärung und entschiedenes Eintreten dagegen sind vermehrt nötig.

4. Ausdrücklich ruft die Landessynode zur Teilnahme an den Europa-Wahlen und zum aktiven Dialog zwischen Politikern/innen und Bürgern/innen über europäische Fragen auf.

Je mehr Christinnen und Christen ihr Interesse an europäischer Politik und ihre Erwartung an die Einhaltung ethischer Kriterien deutlich machen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Stimme Gehör findet. Je mehr die politisch Verantwortlichen den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern pflegen und deren kritische Anfragen beherzigen, desto eher wird es ihnen gelingen, Informationsdefizite und Misstrauen zu beseitigen.“

München, 25. März 2004

Andrea Seidel
Pressesprecherin