Bonhoeffer war kein Vaterlandsverräter, sondern Zeuge Jesu Christi

Landesbischof Friedrich in Flossenbürg: Antisemitismus heute „zutiefst beschämend“

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

Mit einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche von Flossenbürg und einer anschließenden Gedenkstunde in der KZ-Gedenkstätte hat die bayerische Landeskirche den Theologen Dietrich Bonhoeffer geehrt, der gestern vor 60 Jahren im oberpfälzischen Flossenbürg ermordet wurde. Landesbischof Johannes Friedrich stellte in den Mittelpunkt seiner Predigt die vorbildhafte Haltung Bonhoeffers, der „Beten und Tun des Gerechten“ als Einheit verstanden habe.

„Persönlicher Glaube und verantwortliches Handeln gehören zusammen“, so der Landesbischof über Bonhoeffers Verständnis von der Lebensgestalt der Nachfolge Christi. Er habe seinen Glauben konsequent und kompromisslos gelebt und „für das, was er geglaubt hat, sein Leben gewagt und verloren“. Dem habe sein Bild von Kirche entsprochen, die seiner Überzeugung nach „kein Selbstzweck“ sein könne, sondern stets für andere da sein müsse. „So ist die Kirche Anwältin der Menschen, die Opfer sind, besonders dann, wenn sie Opfer staatlicher Willkür sind“, beschrieb Friedrich Bonhoeffers Einsicht.

„Christen können keine Antisemiten sein!“

„Heute redet es sich zuweilen leicht über ‚Widerstand’“, merkte Friedrich kritisch an und meinte: „Redlich ist nur ein Widerstand, der auch zum Leiden bereit ist“. Weiter wandte sich der bayerische Landesbischof scharf gegen jede Judenfeindlichkeit, die „heute schon wieder ein europaweites Problem ist.“ Dass es Antisemitismus auch in Deutschland wieder gebe, nannte Friedrich „zutiefst beschämend“ und erinnerte an ein Wort des verstorbenen Papstes: „Die Juden sind unsere älteren Geschwister desselben Vaters im Himmel“, weswegen, so Friedrich entschieden, auch gelte: „Christen können keine Antisemiten sein!“ Die Kirche habe für diese Einsicht und die Würdigung freilich schmerzlich lange Zeit gebraucht. „Deshalb kann die Kirche heute Dietrich Bonhoeffers nicht gedenken, ohne zugleich das eigene Versagen zu bekennen.“ Entgegen der Einschätzung kirchlicher Zeitgenossen des Widerstandskämpfers sei dieser „kein Vaterlandsverräter“ gewesen, sagte Friedrich und unterstrich jene Würdigung der Bayerischen Pfarrbruderschaft, die 1953 auf einer Tafel in der Flossenbürger Kirche festgestellt worden war: „Dietrich Bonhoeffer, ein Zeuge Jesu Christi unter seinen Brüdern.“

Gedenken in bayerischen Bonhoeffer-Gemeinden

Auch an anderen Orten in Bayern wurde am Wochenende Bonhoeffers gedacht. Nach ihm sind einige Kirchengemeinden benannt, wie etwa in Germering bei München, wo am Sonntag um 10 Uhr Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler die Predigt zu „Widerstand und Ergebung – Leben und Glauben in der modernen Gesellschaft“ hielt. Die Nürnberger Dietrich-Bonhoeffer-Kirche lud am gleichen Tag zu einem Gesprächsnachmittag über den Theologen ein.

München, 10. April 2005

Markus Hepp
Pressesprecher