Sanktionen aufheben, humanitäre Hilfe verstärken, Kontakte intensivieren

Internationale Korea-Konsultation zur Rolle der Kirchen bei einer Wiedervereinigung Koreas

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

Nordkoreanische und südkoreanische Christen haben sich vom 11. bis 15. März 2004 in der Evangelischen Akademie Arnoldshain im Taunus zu einer Konsultation über die Rolle der Kirchen im friedlichen Prozess der Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel versammelt. Sie waren dort Gäste der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Vertreter von internationalen Kirchenorganisationen aus Amerika, Asien und Europa (genaue Liste am Ende) nahmen an dem Treffen teil, dass auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der EKHN und des Evangelischen Missionswerks (EMW) stattfand.

In der unten dokumentierten „Gemeinsamen Erklärung zum Abschluss“ beklagen die Teilnehmer „einen dramatischen Rückgang der humanitären Hilfe durch die internationale Gemeinschaft“ in Folge der Verhandlungskrise zwischen den USA und der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK). Sie fordern die USA als auch die DVRK auf, „sofort bilaterale Verhandlungen unter Einschluss der Atomfrage“ aufzunehmen. Dazu gehöre „der Verzicht auf die Option eines vorbeugenden Angriffs“. Außerdem müssten „Sanktionen unverzüglich aufgehoben werden, damit die humanitäre Hilfe fortgesetzt und die Region stabilisiert werden könne. Dabei könnten die Kirchen mit ihren Begegnungsprogrammen und ihrer humanitären Hilfe wichtige Zeichen der Hoffung setzt, so die Teilnehmer der Konsultation.

Arnoldshain, 16. März 2004

Pfarrer Stephan Krebs
Pressesprecher


Gemeinsame Erklärung zum Abschluss der internationalen Kirchenkonsultation zur Rolle der Kirchen im friedlichen Wiedervereinigungsprozess auf der koreanischen Halbinsel

Arnoldshain, den 15. März 2004

1.1 Im Hören auf die Aufforderung des Apostels Paulus im 1. Brief an die Korinther, dass unter Christen keine Spaltungen sein sollen, dass sie fest aneinander halten sollen in einem Sinn und in einerlei Meinung (1.Korinther 1, 10) haben sich vom 11. bis 15. März 2005  in Deutschland in der Evangelischen Akademie Arnoldshain auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und des Evangelischen Missionswerks (EMW) Delegationen des Nationalen Kirchenrates von Korea (NCCK) und des Koreanischen Christenbundes  (KCF) mit Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Kirchen und Missionswerke, des Koreanischen Evangelischen Gemeindekonvents in Deutschland sowie des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), des Reformierten Weltbundes (WARC), der Christian Conference of Asia (CCA), des nationalen Christenrates in Japan, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, des nationalen Kirchenrates der USA und der United Church of Christ in Canada zu einer Konsultation über die Rolle der Kirchen im friedlichen Prozess der Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel versammelt.

1.2 Diese Begegnung stellt sich in die doppelte Tradition der Konferenzen, die 1984 in Tozanso und danach 1986, 1988 und 1990 in Glion/Schweiz bzw. 1995 in Kyoto/Japan auf Einladung des ÖRK stattgefunden haben und der bilateralen deutsch-koreanischen Kirchenkonsultationen, die zwischen den Jahren 1974 und 2001 acht Mal abgehalten wurden. Mit dieser Konsultation wurde auch bewusst an die Erfahrungen der Begegnungen koreanischer Christen aus Süd- und Nordkorea anlässlich der Deutschen Evangelischen Kirchentage in Berlin (1989), Leipzig (1997) und Frankfurt (2001) angeknüpft.

1.3 Mit Freude und Dankbarkeit blicken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf diese historischen Begegnungen zurück sowie auf die Besuche deutscher, amerikanischer und kanadischer Kirchendelegationen in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) , die in den vergangenen zwei Jahren möglich waren.

2.1 Während die Teilung Deutschlands eine Folge des 2. Weltkrieges war, wurde Korea zum Ende der japanischen Kolonialherrschaft Opfer der Zweiteilung der Welt im Zuge des kalten Krieges, welche zur Teilung der Halbinsel geführt hat. Dem deutschen Volk wurde trotz der ideologischen Gegensätze während des kalten Krieges das Schicksal eines innerdeutschen Krieges erspart, während die Teilung Koreas zum Krieg in den Jahren 1950-1953 führte und bis heute fortbesteht.

2.2 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich mit dem Beitrag der evangelischen Kirchen bei der friedlichen Überwindung der Teilung Deutschlands und mit den Erfahrungen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung nach der Öffnung der Grenzen und dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 befasst.

Es wurden die Unterschiede zwischen den Situationen Deutschlands und Koreas festgestellt, die eine Übertragung des deutschen Modells der Wiedervereinigung auf die koreanische Halbinsel nicht zulassen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Tatsache unterstrichen, dass die Kirchen in den beiden deutschen Staaten eine andere gesellschaftliche und historische Bedeutung hatten als dies in den beiden koreanischen Staaten der Fall ist.

2.3 Deutsche wissen aus eigener Erfahrung, dass die gewaltsame Teilung, die Korea erleidet für unzählige Familien großes Leid bedeutet und als ein unnatürlicher Zustand empfunden wird. Sie kennen die Sehnsucht nach nationaler Selbstbestimmung und verstehen den Wunsch, von der ständigen Bedrohung durch einen militärischen Angriff befreit zu sein.

3.1 Die Teilung Koreas bleibt für die koreanische Nation tragisch und stellt eine unberechenbare Bedrohung für den Weltfrieden dar. Die ermutigende innerkoreanische Annäherung, die sich aus der Gemeinsamen Erklärung vom Gipfeltreffen vom 15. Juni 2000 ergeben hat, hat durch die feindselige Haltung der gegenwärtigen U.S.-Regierung, die die DVRK der "Achse des Bösen" zurechnet, einen schweren Rückschlag erlitten.

Die Menschen in Korea fühlen sich durch die neue U.S. nationale Sicherheitsstrategie des "vorbeugenden Erstschlags" verunsichert und bedroht. Darüber hinaus sehen Viele in diesen Schritten gezielte Versuche seitens der U.S.A., die Bewegung des koreanischen Volkes für nationale Souveränität und Wiedervereinigung zu entmutigen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fordern die U.S.A. auf, ihre konfrontative und feindselige Politik gegenüber der DVRK zu verändern, um zu einer dem Frieden und der Sicherheit in der Region förderlichen Atmosphäre beizutragen.

3.2 Seit über 18 Monaten ist das Kräftemessen zwischen den U.S.A. und der DVRK in Bezug auf das Atomprogramm Nordkoreas festgefahren. Diese Sackgasse hat Nordkorea daran gehindert an einigen multilateralen Foren teilzunehmen.

Dies hat zu einem dramatischen Rückgang der humanitären Hilfe durch die internationale Gemeinschaft geführt und hat die DVRK daran gehindert, die Vorteile der Normalisierung ihrer Beziehungen zu Ländern wie Australien, Kanada, Großbritannien sowie der Europäischen Union zu nutzen.

4. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erkennen Zeichen der Hoffnung.

4.1

4.1.1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind davon überzeugt, dass zwischenmenschliche Begegnungen, Kommunikation und gegenseitiger Gedankenaustausch zwischen Nord und Südkorea ein Klima des Vertrauens herstellen können. In diesem Zusammenhang weisen sie auf die Rolle der Kirchen in beiden Teilen Koreas bei der Überwindung von Feindschaft und Gegnerschaft hin.

4.1.2 Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es eine Ermutigung festzustellen, dass seit der Gemeinsamen Erklärung (15. Juni 2000) eine Verstärkung der vertrauensbildenden Maßnahmen stattgefunden hat.

4.1.3 Die Kirchen und ihre regionalen und internationalen Zusammenschlüsse können einen Raum zur Begegnung bereitstellen, Besuche organisieren und dazu beitragen, gegenseitige Vorurteile und Ängste zu überwinden.

4.2

4.2.1 Die DVRK und die U.S.A. sollten sofort bilaterale Verhandlungen unter Einschluss der Atomfrage aufnehmen Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hoffen, dass die Fortsetzung der Sechs-Parteien Gespräche ganz wesentlich zur Entspannung der politischen Situation in Nordostasien beitragen kann.

4.2.2 Dazu müssen sich die beteiligten Staaten die nationale Souveränität des koreanischen Volkes anerkennen und sich auf eine Überwindung des Waffenstillstands auf eine Entspannung auf der Halbinsel und zum Verzicht  auf die Option eines vorbeugenden Angriffs (pre emptive strike) verpflichten.

4.2.3 Alle Kirchen können diesen Prozess in ökumenischer Solidarität mit ihren koreanischen Schwestern und Brüdern  durch gemeinsame Besinnung auf Friedensfragen, im gemeinsamen Beten und  durch ihr Engagement für die Herstellung eines gerechten Friedens auf der koreanischen Halbinsel verstärken.

4.3

4.3.1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind davon überzeugt, dass die Verstärkung kultureller und wirtschaftlicher Kontakte zu Nordkorea sowie der Ausbau einer gerechten Entwicklungshilfe und die Fortsetzung der humanitären Hilfe zur Stabilisierung der Situation in Nordostasien beitragen kann.

4.3.2 Darum fordern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass  Sanktionen gegen die DVRK unverzüglich aufgehoben werden und die Rahmenbedingungen für das entwicklungspolitische Engagement von NGO's und kirchlichen Hilfswerken in Nordkorea verbessert werden.

4.3.3 Die Kirchen und ihre regionalen und internationalen Zusammenschlüsse sowie ihre jeweiligen Hilfs- und Entwicklungswerke können ihr Engagement in dem Sinne verstärken, dass humanitäre Hilfsmaßnahmen immer mehr zu Projekten der Hilfe zur Selbsthilfe werden. Solche längerfristige Hilfe sollte gerade in Zeiten, da die internationale Gemeinschaft schon nicht in der Lage ist, den Aufrufen der U.N. zugunsten Nordkoreas nachzukommen, nicht auf Kosten der laufenden Katastrophenhilfe erfolgen.

4.3.4 In der Tradition des bahnbrechenden "Tozanso Prozesses", sollten die Kirchen die Gründung eines Forums für den Austausch von Informationen, zur Bündelung von Ressourcen, zur Bildung eines Netzwerkes und zur Entwicklung von advocacy Strategien erwägen. Dieses Forum sollte die größtmögliche Beteiligung aller interessierten kirchlichen Werke und Organisationen sowie eine aktive Mitwirkung sowohl des NCCK als auch der KCF vorsehen.

4.3.5 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fordern die Europäische Union, und insbesondere Deutschland, dazu auf eine konstruktive Rolle in der Förderung des Friedens und der Wiedervereinigung in Korea wahrzunehmen. Sie sollten ihre humanitäre und weitere Hilfe an die DVRK verstärken und in Hinsicht auf eine Verbesserung der Beziehungen alle Möglichkeiten des Austausches mit den Menschen und der Regierung Nordkoreas erkunden.

4.3.6 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen die bewährten Beziehungen zwischen den deutschen evangelischen Kirchen, dem NCCK und der KCF, und sie fordern dazu auf, dieses wichtige ökumenische Engagement fortzusetzen. An diesen Begegnungen sollten immer Frauen und Jugendliche mitwirken.

4.3.7 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind der Auffassung, dass die internationale Lage in Bezug auf Nordostasien die anhaltende Wachsamkeit der ökumenischen Gemeinschaft erfordert und empfehlen, dass der CCA und der ÖRK jeweils angemessenen auf die Lage reagieren und die notwendigen Schritte einleiten.

Angenommen von den Teilnehmer/innen an der Konsultation:

Delegationen des Nationalen Kirchenrates von Korea (NCCK) und des Koreanischen Christenbundes (KCF) mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Kirchen und Missionswerke, des Koreanischen Evangelischen Gemeindekonvents in Deutschland sowie des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), des Reformierten Weltbundes (WARC), der Christian Conference of Asia (CCA), des Nationalen Christenrates in Japan, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, des nationalen Kirchenrates der USA und der United Church of Christ in Canada.