Bischof Hein zur Wirtschafts- und Finanzkrise

Versprechen und „Geschenkemacherei“ vor Bundestagswahl sind unverantwortlich

Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

17. Juli 2009

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, hat angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise vor unsoliden Versprechungen im Vorfeld der Bundestagswahl gewarnt. In einem Interview mit der kirchlichen Medienagentur medio erklärte Hein: „Ich halte die „Geschenkemacherei“ im Vorfeld der Wahl für schlichtweg politisch unverantwortlich. Das bedeutet nicht, dass keine Stützungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten. Doch  wenn darüber hinaus auch noch davon gesprochen wird, Steuern senken zu wollen oder das Rentenniveau festzuschreiben – unabhängig davon, wie sich die Löhne entwickeln –, dann ist das nicht verantwortbar.“ Hein kritisierte zudem, dass nun offenbar  unheimliche Summen von Geld  plötzlich vorhanden seien, von denen die Öffentlichkeit  gar nichts geahnt habe. Hein nannte in diesem Zusammenhang den Einsatz der Kirchen für soziale Aufgaben, Hier habe man in der Vergangenheit um „Kleinigkeiten kämpfen müssen“, sagte Hein. „Jetzt ist das Geld plötzlich da! Die Rechnung wird uns spätestens nach der Bundestagswahl präsentiert werden.“

Verlust an Realität – Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefordert

Hein rief zu einer gründlichen Bestandsaufnahme über die Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf.  Die Fehler seien primär nicht in der Politik, sondern zunächst in der Wirtschaft gemacht worden.  Unter dem Wahn einer unendlichen Vermehrbarkeit des Geldes seien alle Sicherungen gelöst worden, die früher in ein verantwortungsvolles wirtschaftliches Handeln einbezogen waren. Man habe geglaubt, Wohlstand und Geld  vermehrten sich in einer geradezu naturgesetzlichen Weise. Politiker seien auf dieser Welle mitgesurft. Alle diejenigen, die ordnungspolitische Forderungen gestellt hatten, seien seinerzeit als rückständig dargestellt worden. „Es ist nicht allein die Gier nach mehr Geld, sondern auch der Verlust an Realität, den ich beklage“, betonte Hein. Nun habe die Politik die schwierige Aufgabe, sich genau um die Fragen kümmern zu müssen, von denen ihnen früher Wirtschaftsbosse gesagt hatten, dass sie davon keine Ahnung hätten. Das sei schon ausgesprochen eigenwillig. „Was mich in der Tat verwundert, ist, wie schnell unter dem äußeren Druck nun nach Rezepten geschaut wird, die sehr viel Geld kosten und deren langfristige Auswirkung zumindest fraglich ist“, erklärte Hein.

Bedingter Beifall für staatliche Stützungsmaßnahmen – Nachteile für Mittelstand

Mit Blick auf staatliche Stützungsmaßnahmen für Unternehmen erklärte Hein; um einem Unternehmen wieder auf die Beine zu helfen, seien nach eingehenden Prüfungen auch Finanzspritzen sinnvoll. Insgesamt sei jedoch zu sagen: „ Man kann nicht auf der einen Seite eine Marktwirtschaft propagieren und auf der anderen Seite anderen Teilnehmern am Markt mit massiven Finanzbeihilfen unter die Arme greifen. Das verzerrt natürlich“. Es bestrafe zu einem gewissen Teil auch jene, die versucht hätten, zurückhaltender zu agieren und jetzt nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Gerade im mittelständischen Bereich würden auffallend viele Unternehmen nicht unter den großen Schirm des Staates geschoben, sondern im Regen stehen gelassen.

Bildung ist beste Vorbeugung gegen Armut und Einsamkeit

Hein erinnerte daran, dass sich die Kirchen seit jeher vor einer überdrehten Anbetung des freien Marktes gewarnt und sich im globalisierten Zusammenhang für ordnungspolitische Maßnahmen eingesetzt haben. Die Kirchen könnten zwar nicht die bessere Politik machen,  jedoch darauf hinweisen, dass jetzt auch jene berücksichtigt werden müssen, auf die nicht der Fokus des öffentlichen Interesses falle: etwa Menschen, die nach der Einführung von Hartz IV  stärker verarmen.

Hein forderte in diesem Zusammenhang dazu auf, die staatlichen Bildungsbemühungen zu intensivieren. Zwischen Armut und fehlender Bildung gebe es einen offenkundigen Zusammenhang. „Armut macht einsam, einsam macht arm. Aber wer keine Bildungsvoraussetzungen mitbringt, hat eben keine Chance, aus dieser Armut und damit auch aus dieser Einsamkeit herauszukommen“, sagte der Bischof.

Kassel, 17. Juli 2009

Karl Waldeck
Pressesprecher