Haupttagung der Männearbeit der EKD wählt neuen Vorstand

Sozialpolitische Stellungnahme der Männerarbeit in Berlin verabschiedet

Evangelische Männerarbeit

24. Mai 2007

Auf ihrer Haupttagung vom 22.-24. Mai 2007 in Berlin wählte die Arbeitsgemeinschaft der Männerarbeit der EKD einen neuen Vorstand. Die Doppelspitze im Vorstand bilden Dipl.-Kfm. Dr. Helmut Eiteneyer (Dortmund) und Pfr. Heinz-Georg Ackermeier (Iserlohn). Dr. Helmut Eiteneyer ist Unternehmensberater und ehemaliges Vorstandsmitglied in der westfälischen Energie- und Wasserversorgung, Heinz-Georg Ackermeier leitet das Institut für Kirche und Gesellschaft der Ev. Kirche von Westfalen.

Unter dem Jahresthema „Auf dem Weg der Gerechtigkeit... (Spr. 12,28) – Männer leben Barmherzigkeit und Solidarität!“ versammelten sich die Delegierten der landeskirchlichen Mitgliedseinrichtungen der Männerarbeit in der Ev. Bildungsstätte auf Schwanenwerder. Inhaltlichen Schwerpunkt bildete die Verabschiedung einer Stellungnahme zur sozialen Lage in Deutschland. Für die Männerarbeit ist die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in einem reichen Land ein Skandal. „Wir wollen deutlich machen“, so Geschäftsführer Martin Rosowski, „dass die persönliche Glaubensreflexion von Männern nicht unabhängig von den politischen und sozialen Bedingungen männlicher Existenz verstanden werden kann. Es ist uns wichtig, dass Männer die Haltung der Barmherzigkeit wieder neu entdecken.“  Barmherzigkeit, so die Stellungnahme, könne den Sozialstaat nicht ersetzen – aber ohne Barmherzigkeit sei soziale Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen.

Mit dem neuen Vorstand begibt sich die Männerarbeit in einen historischen Veränderungsprozess. Die Mitgliederversammlung bestätigte den Beschluss, ab dem Jahr 2009 in Hannover ein gemeinsames Zentrum für Frauenarbeit und Männerarbeit in der EKD zu bilden. Kooperationspartner ist der dann neu gegründeten Verband Evangelische Frauen in Deutschland e.V. (EFiD). In diesem Zentrum soll je eigenständige geschlechtsspezifische Arbeit für Frauen und Männer stattfinden. Dabei sollen beide Verbände in ihren Strukturen und Gremien eigenständig bleiben. Die inhaltliche Zusammenarbeit geschieht in einer gemeinsamen Themenkonferenz.

Berlin, 24. Mai 2005

Martin Rosowski
Geschäftsführer der Männerarbeit


Erklärung der Mitgliederversammlung der Männerarbeit der EKD zur sozialen Lage in Deutschland

„Auf dem Weg der Gerechtigkeit ... (Spr. 12,28)
Männer leben Barmherzigkeit und Solidarität!“

Nach Jahren stagnierender bzw. rückläufiger Wirtschaftszahlen hat sich die Konjunktur erholt. Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück und Tarifabschlüsse liegen zum Teil wieder höher als in der Vergangenheit. Der Bundesfinanzminister stellt bis zum Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushalt und damit ein Ende der Neuverschuldung in Aussicht.

Trotz der positiven Trends ist festzustellen, dass diese Entwicklung zu wenig Menschen erreicht. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Längst zeigen die Armutsberichte der Länder und des Bundes eine Entwicklung, die immer  mehr Menschen trifft. Selbst Menschen, die in Erwerbsarbeit stehen, erzielen nicht mehr das Einkommen, das zum Leben benötigt wird. Die Debatte um einen verbindlichen Mindestlohn bzw. um ein bedingungsloses Grundeinkommen zeigt, dass hier neue soziale Verwerfungen entstanden sind, auf die reagiert werden muss.

Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV und deren Kinder sind von Armut besonders betroffen.  Kinderarmut, Suppenküchen, Tafeln und Kleiderkammern, etc. gehören inzwischen zum Alltag unserer Städte. Armut ist weitaus mehr als materielle Not, Armut ist auch gleichbedeutend mit Ausgrenzung von Teilhabe an vielen gesellschaftlichen Möglichkeiten, wie sie zum Beispiel  in Bildung oder Kultur angeboten werden.  Armut verhindert, dass Menschen ihre Qualifikation einbringen und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Unter der Armut leiden Familien mit Kindern und besonders Alleinerziehende. Unsere Gesellschaft bietet Lebensgemeinschaften mit Kindern keinen ausreichenden Schutz mehr vor Armut. Auch immer mehr Männer geraten in die Spirale des sozialen Abstiegs. In besonderer Weise sind hier junge Männer mit Migrationshintergrund sowie prekären Sozialisationsbedingungen betroffen. Zunehmend ist zu beobachten, dass Kapitalinteressen Vorrang haben vor der Verantwortung für das Gemeinwesen. Wirtschafts- und Sozialpolitik haben bisher noch keinen Weg gefunden, diese Entwicklung zu verändern.

Für die Männerarbeit ist die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in einem reichen Land ein Skandal. Biblische Gerechtigkeit zielt auf die seelische und materielle Lebensfähigkeit aller Glieder einer Gemeinschaft. Dieser Tradition der biblischen Gerechtigkeit weiß sich die Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland verpflichtet und bringt dies in ihrem Jahresthema 2007 „Auf dem Weg der Gerechtigkeit… (Spr. 12,28) Männer leben Barmherzigkeit und Solidarität“ zum Ausdruck. Sie will damit deutlich machen, dass die persönliche Glaubensreflexion von Männern nicht unabhängig von den politischen und sozialen Bedingungen männlicher Existenz verstanden werden kann.

Mit ihrem Jahresthema 2007 unterstreicht die Männerarbeit der EKD die Verantwortung, die insbesondere Männern in diesem Zusammenhang zukommt. Noch immer sitzen mehrheitlich Männer an Schaltstellen von Politik und Wirtschaft. Noch immer scheint die traditionelle Biografie des männlichen, jeder Zeit verfügbaren Alleinverdieners ein wirkmächtiges Leitbild zu sein. Das Modell des männlichen Familienernährers hält jedoch weder der gelebten Wirklichkeit stand, noch den ökonomischen Zwängen, unter denen Menschen heute stehen. Ein solches Leitbild ist auch perspektivisch ungeeignet, gerechte Beziehungen zwischen den Geschlechtern zu fördern. Vielmehr ist eine Entwicklung nötig, die Männern und Frauen die gesicherte Teilhabe am Erwerb gleichermaßen gewährleistet und somit die notwendige Balance von Familie und Beruf für beide Geschlechter ermöglicht.

Die Männerarbeit der EKD sieht es als ihre Aufgabe an, die skizzierten Phänomene am Maßstab der biblischen Gerechtigkeitstraditionen zu messen. Es gilt, auf Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft hinzuweisen, Abhilfe einzufordern und sich konstruktiv am Veränderungsprozess zu beteiligen.

Konkret bedeutet das,

auf Rahmenbedingungen in Erziehung und Bildung zu drängen, die die „Vererbung“ von Armut durchbrechen und Teilhabegerechtigkeit schaffen;

Initiativen und Projekte, die Menschen in Not Hilfe bieten, ideell und durch persönliches Engagement zu unterstützen;

solche gesellschaftlichen Entwicklungen und Globalisierungsfolgen, die das Auseinanderklaffen von Arm und Reich verursachen, öffentlich zum Thema zu machen;

politische Alternativen in Gesellschaft und Kirche zu unterstützen, die die soziale Ausgrenzung von Menschen  überwinden helfen.

Die Männerarbeit der EKD will mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass in den anstehenden Prozessen der Veränderung Gerechtigkeit und Solidarität nicht untergehen. Es ist ihr wichtig, dass Männer die Haltung der Barmherzigkeit wieder neu entdecken. Barmherzigkeit kann den Sozialstaat nicht ersetzen – aber ohne sie ist soziale Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen. Barmherzigkeit hält öffentlich und beharrlich die Erinnerung daran wach, dass Rahmenbedingungen für einen solidarischen Sozialstaat nötig sind, damit Teilhabegerechtigkeit möglich wird. Wenn Männer in diesem Sinn Barmherzigkeit und Solidarität leben, wissen sie sich getragen vom biblischen Glauben, der gegen alle Widerstände und Konflikte durchhält, dass Gerechtigkeit und gelingendes Leben zusammengehören.

Die Mitgliederversammlung

Berlin, 24. Mai 2007