Zum Tod von Papst Johannes Paul II.

Landesbischöfin Margot Käßmann

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers

Die Botschaft bewegt offenbar die ganze Welt: der Papst, der Bischof von Rom, ist gestorben. Ja, in den vergangenen Stunden, Tagen und Wochen war Mitleid, com-passion, angebracht mit einem alten Mann, der seinen letzten Weg gehen musste. Wer Sterbende begleitet hat, weiß, dass es manchmal gerade den so Tatkräftigen, Gestaltenden besonders schwer fällt, Abschied zu nehmen.

Zum Mitgefühl mischt sich bei mir allerdings auch Unbehagen: musste das alles vor Fernsehkameras gezerrt werden? Manche erklären, das Leiden Christi werde hier sichtbar. Aber das wird es doch in jedem sterbenden Menschen! Dieser Papst, der auf großartige Weise das Medienzeitalter für seine Botschaft zu nutzen wusste, musste jetzt damit leben und sterben, dass Tausende von Kameras auf ihn gerichtet waren, dass die Medien in aller Welt im Halbstundentakt über seinen Sterbeprozess informierten.

Sterben aber hat und braucht seine Zeit. Ich persönlich hätte ihm gewünscht, seine letzten Wochen in Frieden und liebevoll umsorgt verbringen zu können, statt immer wieder vor Kameras gezerrt zu werden – oder sich selbst zu zerren.

Ein Nachrichtenmagazin titelte: „Jahrtausend-Papst Johannes Paul II. Der Unsterbliche“. Aber der Papst ist ein normaler Mensch! Nach unserem lutherischen Verständnis ist ein Amt gewiss eine besondere Berufung, eine besondere Verantwortung. Aber es beinhaltet keinen Weihestatus, keine Verklärung. Es macht nicht christusnäher oder gottähnlicher. Jeder alte Mensch muss mit Gebrechlichkeit kämpfen – wenn das so klarer werden sollte, dann hat die jetzige Öffentlichkeitswirkung vielleicht tatsächlich eine positive Botschaft in der Welt der Leistungsstarken. Eher aber befürchte ich, da ist viel Sensationsgier der Mediengesellschaft, der Wunsch, in aller Welt live dabei zu sein.

Papst Johannes Paul II. ist sicher hoch anzurechnen, dass er wie niemand vor ihm den katholischen Glauben im Medienzeitalter öffentlich vertrat. Er erlangte eine Art Kultstatus, Massenphänomene wurden bei seinen vielen weltweiten Reisen registriert. Dass der christliche Glaube weltweit verbreitet ist, dass er entschieden für Frieden und für Völkerverständigung eintritt, das hat dieser Papst verkörpert. Das ist ihm hoch anzurechnen. Gerade die osteuropäische gewaltfreie Abkehr vom Kommunismus verdankt ihm viel.

Und doch war sein Pontifikat auch von Irritation und Unbehagen begleitet. Die Ökumene etwa ist nicht wirklich nach vorn gebracht worden. Vielmehr scheinen die Aufbrüche des 2. vatikanischen Konzils zu erlahmen, eucharistische Gastfreundschaft ist in weite Ferne gerückt trotz vieler symbolischer Gesten. Ebenso die Aufhebung des Zölibats und die Priesterweihe für Frauen. Enttäuschend ist für mich auch, dass Frauen bei Karol Wojtyla zwar in der Marienverehrung eine große Rolle spielten, aber in der Praxis keine Frauenfreundlichkeit erkennbar wurde. Das gilt etwa mit Blick auf die Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland. Das gilt mit Blick auf die Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 und die vehemente Ablehnung der Zulassung von Verhütungsmitteln. Das gilt mit Blick auf die Ablehnung von Kondomen auch zur Eindämmung von AIDS.   Kritikern ist zuzustimmen: innerkatholisch gab es keine Reform, sondern eher einen Rückschritt hinter das so hoffnungsvolle Konzil in der Zeit von Johannes XXIII.

Die konservative Personalpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte lässt die Hoffnung auf eine überraschende Erneuerung gering erscheinen. Aber Christinnen und Christen sollten ja nicht arm an Hoffnung sein. Es ist zu hoffen, dass ein neuer Papst die Medienfähigkeiten von Johannes Paul II. verknüpfen kann mit Innovation nach innen, mit Reformwillen, Offenheit, Demokratie, Frauenförderung, Transparenz. Dann wäre die römisch-katholische Kirche nicht nur medial interessant, sondern könnte auch einen tatsächlichen Beitrag zur Orientierung leisten in einer Welt, die nach Werten sucht über konfessionelle und nationale Grenzen hinweg.

Bei einer christlichen Beerdigung sagen wir: „Er wird nun sehen, was er geglaubt hat. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang bis in Ewigkeit.“

Das wünsche ich Karol Wojtyla.

Hannover, 03. April 2005

Pressestelle