Bischof Axel Noack zum Thema Kirchenvereinigung

Brief an die Gemeinden

Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

09. Mai 2007

Der Magdeburger Bischof Axel Noack hat zu den jüngsten Entwicklungen im Prozess einer möglichen Kirchenvereinigung einen Brief an die Gemeinden der Kirchenprovinz Sachsen geschrieben. Darin wirbt er für eine weitere Abstimmung über einen Zusammenschluss von Kirchenprovinz Sachsen und Thüringer Landeskirche in der Provinzialsynode im Herbst 2007. In dem Schreiben, das gestern versandt worden ist, erläutert Axel Noack zudem die Kirchenleitungs-Beschlüsse der Kirchenprovinz Sachsen und der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland (EKM) vom vergangenen Wochenende. Auf ihren Sitzungen am 4. und 5. Mai im thüringischen Bad Sulza hatten sie beschlossen, am Projektplan für eine „Vereinigte Evangelische Kirche in Mitteldeutschland“ weiter zu arbeiten.

„Unsere Provinzialsynode hat Ende April dem Vereinigungsvertrag nicht zugestimmt. An der nötigen Zweidrittel-Mehrheit fehlten zwei Stimmen. Das ist zu akzeptieren, wenn auch schweren Herzens“, so Axel Noack. Allerdings bestehe die Gefahr, dass die Kirchenprovinz Sachsen nun einen Weg einschlagen müsse, der nicht gewollt sei, heißt es in dem Brief. „Zum einen wollte die deutliche Mehrheit unserer Synode, 50 von 78 Synodalen, ohnehin dem Vereinigungsvertrag zustimmen und zum anderen waren auch unter denen, die dem Vertrag ihre Zustimmung versagt haben, etliche Synodale, die dennoch betonten, am Ziel der Vereinigung unserer Kirchen festhalten zu wollen.“

Es sei ausgeschlossen die Abstimmung einfach zu wiederholen, schreibt der Magdeburger Bischof weiter. „Es müssen neue und präzisierte Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen wir versuchen wollen, die Vereinigung zu beschließen. Zur Synode sollen klare Gesetzentwürfe beziehungsweise eindeutige Eckdaten zu den Themen Finanzen, Standorte für Einrichtungen und Werke sowie zur Frage von Zahl und Sitzen von Pröpsten vorliegen.“

„Ich persönlich hoffe immer noch, dass es gelingt, die Überzeugung dafür zu stärken, dass es für unsere Kirche, besser ist, möglichst mit vielen Kräften ‚in der Fläche’ zu bleiben und den ‚Überbau’ kirchenleitender Ebenen möglichst schlank zu gestalten. Der richtige Weg dafür ist die Vereinigung mit einer anderen Kirche“, schreibt Axel Noack. „Wir waren in der Kirchenleitung der Ansicht, dass es, wenn es im Herbst nicht gelingen sollte, die Signale auf Vereinigung zu stellen, für längere Zeit nicht wird möglich sein, dieses nachzuholen.“

Hintergrund:

Beschlüsse der Synoden vom April 2007

Die Kirchenparlamente der Kirchenprovinz Sachsen und der Thüringer Landeskirche hatten am 21. April in Lutherstadt Wittenberg Grundsatzbeschlüsse zur Zukunft der EKM gefasst. Dabei sprachen sich die Abgeordneten der Thüringer Landeskirche mit der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit für die Vereinigung der Kirchen aus. Die Synode der Kirchenprovinz Sachsen verfehlte die erforderliche Stimmenzahl knapp, sprach sich aber dennoch dafür aus, dass weiter an einer Vereinigung gearbeitet werden soll.

Den vollständigen Brief von Bischof Axel Noack finden Sie nachfolgend.

Magdeburg, 09. Mai 2007

Oliver Vorwald
Pressesprecher


Brief von Bischof Axel Noack:

An die Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Werke und Einrichtungen in unserer Kirchenprovinz

Liebe Schwestern und Brüder,

die Nachrichten scheinen sich zu überschlagen und zu widersprechen. Eben noch wurde über unsere Synodaltagung in Wittenberg berichtet und davon, dass die Vereinigung unserer Kirche mit der Landeskirche in Thüringen gescheitert sei und schon jetzt erhalten Sie Meldungen, nach denen unsere Kirchen für den Herbst einen neuen Versuch vorbereiten, die Vereinigung doch noch zu erreichen.
In dieser Situation halte ich es für nötig und geboten, Sie alle direkt über unsere Kirchenleitungssitzungen vom vergangenen Wochenende zu informieren.

1. Ja, unsere Provinzialsynode hat Ende April dem Vereinigungsvertrag mit der Thüringischen Kirche nicht zugestimmt. An der nötigen Zweidrittel-Mehrheit fehlten zwei Stimmen. Das war bedauerlich und ich gebe es zu, auch persönlich über diese Entscheidung enttäuscht zu sein. Es war so sehr viel Mühe in die Vorbereitung geflossen, in endlosen Arbeitsgruppensitzungen, in Kirchenleitung und Kollegium war auf die Vereinigung hingearbeitet worden. Nun, es hat nicht gereicht und das ist zu akzeptieren, wenn auch schweren Herzens.

Gleichzeitig aber hat die Synode mit ganz großer Mehrheit unserer Kirchenleitung den Auftrag erteilt, gemeinsam mit der Thüringischen Kirche nach Wegen zu suchen, wie eine Vereinigung dennoch erreicht werden könnte.

Das klingt nur auf den ersten Blick verwunderlich: Zum einen wollte die deutliche Mehrheit unserer Synode (50 von 78 Synodalen) ohnehin dem Vereinigungsvertrag zustimmen und zum anderen waren auch unter denen, die dem Vertrag ihre Zustimmung versagt haben, etliche Synodale, die ihre Gründe dafür hatten, den Vertrag in der jetzigen Situation abzulehnen, die aber dennoch betonten, am Ziel der Vereinigung unserer Kirchen festhalten zu wollen.

Das Ganze hat uns in eine nicht leicht zu bewältigende Situation gebracht: Die Zustimmung zur Vereinigung braucht die Zweidrittelmehrheit in unserer Synode. Das ist gut und richtig, denn in einer Kirche können wirklich wichtige Entscheidungen nicht mit knappen Mehrheiten getroffen werden. Anderseits aber besteht nun die Gefahr, dass unsere Kirche auf einen Weg genötigt werden könnte, den die deutliche Mehrheit unserer Synode nicht will, nämlich den Verzicht auf die Vereinigung mit der Thüringischen Kirche.

2. Das war die Situation in unserer Kirchenleitung am vergangenen Wochenende: zunächst allein und dann mit der Thüringischen Kirchenleitung gemeinsam galt es auszuloten, was denn jetzt zu tun sei.

Dazu war es nötig, auf dem Hintergrund unserer sehr breiten und vielstimmigen Synodaldebatte nach den Gründen zu fragen, die  bei der relativ großen Zahl von 28 Synodalen dazu führten, der Vereinigung nicht zuzustimmen.

Es hat sich schnell herausgestellt, dass es nicht einen eindeutig festzumachenden Grund für die Ablehnung des Vereinigungsvertrages durch unsere Synode gibt. In der Versagung der Zustimmung summieren sich verschiedene, möglicherweise sogar gegensätzliche Gründe zum gemeinsamen „Nein“.

2.1. So verbinden sich im „Nein“ zum Beispiel diejenigen, denen das Alles viel zu weit geht, die eine Vereinigung nicht für nötig halten, weil ihnen Kooperation bzw. Föderation vollkommen ausreichend erscheinen, mit denen, denen die ganze Sache nicht weit genug geht, die also sagen: Was ihr hier macht ist Kleinkram. Politische und wirtschaftliche Entwicklungen deuten längst darauf hin, dass es eigentlich um eine Kirchenvereinigung im „MDR-Gebiet“ gehen müsste und also Sachsen und Anhalt einschließen sollte. Eine Vereinigung mit Thüringen wäre also nur eine Zwischenlösung und letztlich schädlich für weitere Schritte.

Allerdings wird es erst sinnvoll sein können, über eine „Erweiterung“ nachzudenken, wenn wir unsere Vereinigung geschafft haben. Wer die Latte zu hoch hängt, erreicht oft gar nichts.

2.2. Zweitens spielten vor allem die in mühsamen Verhandlungen erzielten Kompromisse zu den Standorten von Bischofssitz und Kirchenamt eine entscheidende Rolle. Besonders die Kosten für ein in Erfurt zu errichtendes neues Kirchenamt sind nur schwer oder gar nicht zu akzeptieren, wenn es in Eisenach und Magdeburg doch gut ausgestattete Kirchenämter gibt. Am Ende lautete die Frage ja nicht, wo lässt sich am kostengünstigsten ein gemeinsames Kirchenamt einrichten? Vielmehr mussten wir uns der Frage stellen, welchen Preis wir bereit sind zu zahlen, um das Ziel einer Vereinigten Kirche zu erreichen und ein Kirchenamt zu bekommen, das seine Aufgaben mit der nötigen Qualität erfüllen kann. Dass etlichen unserer Synodalen (und natürlich auch etlichen Thüringer Synodalen!) dieser Preis als zu hoch erschienen ist, ist nicht zu übersehen. Deshalb haben sie mit Nein gestimmt.

Ganz schwer einzusehen ist für viele auch die nicht zu leugnende Tatsache, dass in die ordentliche Gestaltung der Vereinigung investiert werden muss, und zwar nicht nur Zeit und Kraft der Mitarbeitenden sondern auch Geld. Die Frage, ob sich das am Ende „rechnet“, ist für einen sehr kurzfristigen Zeitraum nicht einfach zu beantworten: Ich bin dennoch ganz fest davon überzeugt, dass eine Kirche mit einer wirklich funktionierenden übergemeindlichen Ebene am Ende deutlich weniger Gremienarbeit, deutlich weniger Sitzungszeit und auch deutlich weniger Geld kostet als zwei Landeskirchen, die ja irgendwie die gleiche Arbeit zu leisten haben.

2.3. Eine dritte Gruppe wiederum begründete ihre Ablehnung mit dem Fehlen von klaren Aussagen zum künftigen Finanzsystem, zum Standortkonzept und zu Zahl und Sitz der künftigen „Regionalbischöfe“ (Pröpste). Die Präsidentin hat vor der Synode ausführlich dargelegt, warum dazu noch keine genaueren Aussagen getroffen werden konnten. Das hat etlichen Synodalen offensichtlich nicht gereicht, die gemachten Aussagen im Vertrag und in den Anlagen dazu erschienen als zu vage und führten letztlich zur Ablehnung.

2.4. Eine vierte Gruppe von Ablehnungsgründen macht sich vor allem an den nicht zu leugnenden Schwierigkeiten im praktischen alltäglichen Miteinander unserer Kirchen, besonders unserer „Teilkirchenämter“, in den Standorten Eisenach und Magdeburg fest. Hier sind vor allem die Klagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über Umgangsstil, „Kultur“ des Miteinanders usw. zu hören, wobei allerdings noch einmal genau zu prüfen ist, wo es sich um wirkliche Unterschiede handelt und wo eher Vorurteile gepflegt werden. Immerhin gibt es auch viel gelingende und konstruktive Zusammenarbeit. Wir werden nur zu wirklicher Gemeinsamkeit finden und eine gemeinsame Kultur entwickeln können, wenn wir uns vereinigen und das Kirchenamt schließlich an einen Standort bringen. Das Denken in den alten „Lagern“ wird anders nicht wirklich zu überwinden sein. Das ist schwierig und dauert vermutlich länger als gedacht. In der Synode führten gerade diese Probleme aber bei Einigen zur Ablehnung des Vertrages.

3. Was also ist zu tun?

Es ist ausgeschlossen, im Herbst in unserer Synode einfach noch einmal einen zweiten Versuch zu starten und die Abstimmung in der Hoffnung zu wiederholen, bei einigen Synodalen sei ein Sinneswandel eingetreten und sie würden nun zustimmen. So etwas macht man nicht.

Es müssen also neue und präzisierte Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen wir versuchen wollen, die Vereinigung zu beschließen. Genau das wollen wir versuchen und darum wollen wir uns bemühen. Im Vorfeld der Synode im Herbst wollen wir vor allem mit den Superintendenten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kirchenkreisen und Dienststellen die noch ausstehenden Fragen  behandeln. Zur Synode sollen dann klare Gesetzentwürfe bzw. eindeutige Eckdaten zu den Themen Finanzen, Standorte für Einrichtungen und Werke sowie zur Frage von Zahl und Sitzen von Pröpsten vorliegen.

Wir sind dankbar, dass sich unsere thüringischen Geschwister darauf eingelassen haben und wir in der Föderationskirchenleitung mit großer Einmütigkeit beschlossen haben, diesen Weg zu versuchen. Dafür ist das Kirchenamt beauftragt, einen „Projektplan“ zu erarbeiten. Dazu gehören dann auch Überlegungen, wie wir besser und genauer miteinander kommunizieren und aufeinander hören können.

Natürlich kann niemand garantieren, dass es gelingt, in unserer Synode im Herbst die nötige Zweidrittelmehrheit zu erlangen. Zumal wir den Vereinigungsvertrag mit seiner Festlegung für Bischofssitz und Kirchenamtsstandort nicht verändern können, weil er das Ergebnis engagierter Verhandlungen beider Kirchen ist und in Thüringen schon die Zustimmung gefunden hat. Auch darüber waren wir uns in den Kirchenleitungen einig.

4. Warum das Ganze mit solch einem Zeitdruck?

Auch diese Frage hat uns beschäftigt. Ja, wir stehen aus verschiedenen Gründen unter einem gewissen Zeitdruck.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Legislaturperiode unserer Synoden im Jahr 2008 endet. Wir brauchen klare Regelungen für die Bildung der neuen Synode und der Kreissynoden. Eine neue Provinzialsynode müsste zudem sich wieder ganz neu in die Thematik einarbeiten.

Dazu gehört, dass in Thüringen Bischofswahlen anstehen, die auch im Jahr 2008 durchgeführt werden müssen. Wenn es nicht gelingt, zu diesem Zeitpunkt die Wahl eines gemeinsamen Bischofs einzuleiten, wird sich die Vereinigung unserer Kirchen deutlich verschieben.

Zum anderen haben wir jetzt eine für einen Umzug des Kirchenamtes günstige Alterspyramide unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Wir werden soziale Fragen, die viele unserer Mitarbeitenden betreffen, jetzt besser und schonender lösen können als in etlichen Jahren. Hinzu kommt, dass wir für unsere Mitarbeitenden auch endlich Klarheit über unsere Ziele brauchen und sie nicht ewig hinhalten können.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Arbeitssituation vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit an beiden Standorten des Kirchenamts tätig sein müssen, auf Dauer nicht durchzuhalten ist. Außerdem stehen auch die günstigen Fördermittelzusagen für einen Kirchenamtsbau in Erfurt nicht auf unbegrenzte Zeit fest.

Das heißt, ein wirklicher Zeitdruck besteht in der Tat hinsichtlich der Grundsatzentscheidung: Wollen wir die Vereinigung oder wollen wir sie nicht?

In der Ausgestaltung der Vereinigten Kirche lässt sich sicher noch die eine oder andere „Entschleunigung“ erzielen, wenn wir uns über die Richtung klar sind.

Wir waren in der Kirchenleitung der Ansicht, dass es, wenn es im Herbst nicht gelingen sollte, mit überzeugender Mehrheit die Signale auf Vereinigung zu stellen, für längere Zeit nicht wird möglich sein, dieses nachzuholen.

5. Ich persönlich hoffe immer noch sehr deutlich, dass es gelingt, die Überzeugung dafür zu stärken, dass es für unsere Kirche, besonders für die Arbeit in den Kirchenkreisen und Gemeinden, besser, angemessen und richtig ist, in der Situation, auf die wir zugehen, möglichst mit vielen Kräften „in der Fläche“ zu bleiben und den „Überbau“ kirchenleitender Ebenen möglichst schlank zu gestalten. Der richtige Weg dafür ist nicht, diese Ebene radikal zu beschneiden und damit in der Arbeitsfähigkeit immer mehr zu lähmen sondern die Vereinigung mit einer anderen Kirche. Wenn wir uns in Deutschland umsehen, dann gibt es genügend Landeskirchen, die im Blick auf Mitgliederzahlen, Mitarbeitende und z.T. auch im Blick auf die Fläche deutlich größer sind als unsere beiden Kirchen zusammen und die dennoch mit einer Kirchenleitung, einer Synode, einem Bischof usw. auskommen und sinnvolle kirchliche Arbeit leisten.

Das Gleiche gilt dann im Blick auf die Werke und Einrichtungen, für Diakonie und Ausbildungsstätten.

Liebe Schwestern und Brüder,

sind wir zu optimistisch? Wie gesagt, Garantien kann niemand geben. Aber wir in Kirchenleitung und Kollegium meinen, dass wir es unserer Kirche schuldig sind, nicht gleich bei den ersten Schwierigkeiten aufzustecken. Das Klima auf den Kirchenleitungssitzungen des Wochenendes ermutigt uns dazu. Wir waren erstaunt und überrascht wie sehr wir uns in der Analyse der Situation und im Bemühen um den richtigen Weg für unsere Kirche einig waren.

Wir brauchen jetzt Sie alle zur kritischen Mitarbeit und konstruktiven Begleitung der Arbeit der Kirchenleitung.

Ich grüße Sie aus Magdeburg mit einem herzlichen Gott befohlen!

Ihr

Axel Noack

Magdeburg, den 08. Mai 2007