Mehr Glaubwürdigkeit – denn “ohne Vertrauen läuft nicht viel”

Bischof Axel Noack zu Ostern 2005

Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

27. März 2005

Anlässlich des diesjährigen Osterfestes fordert der Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, Axel Noack, mehr Engagement für eine Kultur der Glaubwürdigkeit. “Ohne Vertrauen läuft nicht viel, weder in der Wirtschaft noch in der Politik und schon gar nicht in den Familien und in der Nachbarschaft.”

Den Vertrauensverlust in Teilen der Bevölkerung zu Institutionen und Organisationen führt Axel Noack nicht nur auf Entwicklungen in Wirtschaft, Sport und Politik zurück. “Wir alle sind an dem Prozess irgendwie beteiligt. Vertrauen wird beschädigt oder getäuscht: Wenn Manager ihre eigenen Gehälter erhöhen, aber Mitarbeitende entlassen. Wenn ein ‚Steuerehrlichkeitsgesetz‘ nötig wird, weil es zum Sport geworden ist, sich um Steuern und Abgaben zu drücken. Wenn Schiedsrichter beim Fußball nicht korrekt pfeifen. Wenn lautstark die Kinderarmut beklagt wird, aber Familien mit Kindern weiterhin schlechter gestellt sind als andere.”

Wer sich für eine Kultur der Glaubwürdigkeit engagieren wolle, der brauche eine “verwegene Zuversicht”, so der Bischof der Kirchenprovinz Sachsen. “Gott sei Dank haben sich immer wieder Menschen gefunden, die sich nicht entmutigen lassen. Genau dazu will Ostern uns helfen: Dass Glaube wachsen und Zuversicht zunehmen kann und letztlich der Mut, sich den Herausforderungen unserer Tage neu zu stellen.”

Osterbotschaft im Wortlaut:

Der Osterglaube – eine verwegene Zuversicht

Von Axel Noack, Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

"Schon der Apostel Paulus wusste: “Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten unter allen Menschen.” (1.Kor 15,19)

Er wehrt damit der immer wieder anzutreffenden Vorstellung, das Christentum ließe sich unter Ausblendung des schwierigen Themas “Tod und Auferstehung” gewissermaßen als eine wertegegründete Ethik leben, ohne dass man dazu einen persönlichen lebendigen Glauben an den Auferstandenen bräuchte.
 
Aber: Woher nehmen Menschen den Mut und vor allem die Kraft, in schwierigen Situationen den Kopf oben zu behalten, klar zu sehen und gradlinig ihren Weg zu gehen? Jedenfalls kommen Mut und Kraft nicht aus gut gegründeten Theorien.

Wir erinnern in diesen Tagen an Dietrich Bonhoeffer, der vor 60 Jahren, wenige Tage vor Kriegsende, im KZ Flossenbürg hingerichtet worden ist. Er ist den Weg in den Widerstand gegangen und sein Glaube an den auferstandenen Jesus Christus hat ihm Kraft und Mut zu klarem Sehen und bewussten Handeln gegeben.

Ähnliches gilt für die Geschwister Scholl, besonders für Sophie Scholl, deren letzte Lebenstage ein Film, der gerade in unseren Kinos läuft, sehr genau nachzeichnet. Auch hier wird sehr deutlich gezeigt, wie sehr vom Glauben Orientierung und Durchhaltevermögen ausgehen. Dabei sind Sophie Scholl und Dietrich Bonhoeffer nur zwei Zeugen des auferstandenen Christus, deren Leben man bestimmt als “glaubwürdig” bezeichnen wird, nicht zuletzt deshalb, weil es auf dem Glauben gründete.

Das alles hat unmittelbar mit Ostern zu tun. In der Auferweckung Jesu ist Gottes “Ja” zum Leben deutlich zu hören und weil dieses “Ja” weiterwirkt bis zum heutigen Tag, gibt es immer wieder Menschen, die sich von diesem “Ja” Gottes neu orientieren und stärken lassen. Der Glaube hilft mir, dort auf den Plan zu treten, wo zum Leben “Nein” gesagt wird oder wo Leben beschädigt wird - und beides passiert in unserer Welt häufig genug. Die Auferstehung Jesu weitet unseren Blick über die Begrenzungen unseres Lebens hinaus, ja, sie lässt uns unser irdisches Leben in einem neuen Lichte erscheinen. Es ist das Licht der Hoffnung und die braucht bekanntlich einen Grund. Luther nennt daher den Glauben eine “verwegene Zuversicht”.

George Orwell hat 1900 Jahre nach Paulus mit seinen Worten den Apostel bestätigt: “Dass mit diesem Leben alles vorbei ist, dass man nur das kriegt, was man auf Erden hat und nicht mehr, das steigert nicht nur den Machttrieb und die Bereicherungslust von Einzelnen und von Nationen. Es verschärft aufs Unerträglichste die Angst, auch noch das Wenige, was man hat, zu verlieren. Und es stärkt die Bereitschaft, sich fast alles zumuten zu lassen und fast allem Unrecht zuzusehen, solange es mich nicht ereilt.”

Hat uns heute solche Angst befallen oder die Angst, zu kurz zu kommen? Und ist eine Folge solcher Angst das wachsende Mißtrauen untereinander oder jedenfalls das schwindende Vertrauen, auch in die Institutionen der Gesellschaft?

Dabei wissen wird doch: Ohne Vertrauen läuft nicht viel, weder in der Wirtschaft noch in der Politik und schon gar nicht in den Familien und in der Nachbarschaft.

Aber: Heute gehört Mut dazu, Vertrauen aufzubringen, denn zu oft wird Vertrauen getäuscht oder beschädigt. Oft fehlt es an Zutrauen, dass die Probleme sich lösen lassen. Da macht sich Resignation breit. Wir alle sind an dem Prozess irgendwie beteiligt.

Vertauen wird beschädigt oder getäuscht:

Wenn Manager ihre eigenen Gehälter erhöhen, aber Mitarbeitende entlassen.

Wenn Schiedsrichter beim Fußball nicht korrekt pfeifen.

Wenn Politiker zwar für ihre Gruppe heftig agieren, es aber nicht mehr schaffen, für das Ganze des Landes zu denken.

Wenn jungen und alten Menschen signalisiert wird: Eigentlich brauchen wir euch nicht.

Wenn Abgeordnete sich nicht scheuen, Kollegen auf hinterhältige Weise zu beschädigen, wie wir es gerade in Kiel erlebt haben.

Wenn ein “Steuerehrlichkeitsgesetz” nötig wird, weil es zum Sport geworden ist, sich um Steuern und Abgaben zu drücken.

Wenn lautstark die Kinderarmut beklagt wird, aber Familien mit Kindern weiterhin schlechter gestellt sind als andere.

Wer gegen solche Entwicklungen tatkräftig vorgehen will, braucht wirklich eine “verwegene Zuversicht”. Gott sei Dank haben sich immer wieder Menschen gefunden, die sich nicht entmutigen lassen. Für uns Christen kommt solcher Mut unmittelbar aus dem Osterglauben. Gegen alle Erfahrung gilt es, aus der Kraft der Auferstehung zu leben.

Genau dazu will Ostern uns helfen: Dass Glaube wachsen und Zuversicht zunehmen kann und letztlich der Mut, sich den Herausforderungen unserer Tage neu zu stellen.
Die Freude über das “Ja” Gottes zum Leben und Bitte um Ausrichtung und Orientierung für unser Leben in der heutigen Welt bestimmen auch unsere Ostergottesdienste in diesem Jahr."

Magdeburg, 27. März 2005

Oliver Vorwald
Pressesprecher