LWB-Exekutivkomitee ruft zu Frieden und Versöhnung in Israel-Palästina auf

Stellungnahme gegen Trennmauer auf besetztem palästinensischen Gebiet

Lutherischer Weltbund (LWB)

Mit einer Stellungnahme unter dem Titel "Reißt die Mauern nieder" hat das Exekutivkomitee des Lutherischen Weltbundes (LWB) gegen den Bau einer Trennmauer auf besetztem palästinensischen Gebiet protestiert.

Auf seiner Sitzung vom 21. bis 23. Februar in Genf betonte das 13-köpfige LWB-Leitungsgremium erneut die vom LWB bereits vielfach formulierte Überzeugung, "dass Frieden und Sicherheit für alle Menschen in Israel-Palästina nur durch Dialog, Verständnis füreinander und die Wiederherstellung unheiler Beziehungen zu erreichen sind".

Die Mitglieder des Exekutivkomitees verurteilten sämtliche willkürlichen, gegen ZivilistInnen gerichteten Gewalttaten und hoben hervor, dass alle Menschen in Israel-Palästina ein Anrecht darauf hätten, "von willkürlicher Gewalt und kollektiven Strafaktionen verschont zu bleiben". Gleichzeitig betonten sie, dass die Trennmauer "den Frieden, den Israelis und PalästinenserInnen gleichermaßen verdienen", nicht herbeiführen könne und sie zudem ein Hindernis für Dialog, gegenseitiges Verständnis und einen gerechten Frieden darstelle.

Das LWB-Exekutivkomitee machte deutlich, dass der Bau einer Trennmauer auf besetztem palästinensischen Gebiet "eine weitere Verschlechterung der bereits heute untragbaren Situation zur Folge" habe, die palästinensische ChristInnen zur Auswanderung zwinge. In diesem Zusammenhang brachten die Mitglieder des Exekutivkomitees auch ihre zunehmende Angst vor einem "drohenden Aussterben der einheimischen christlichen Kirche im Heiligen Land" zum Ausdruck.

In seiner Stellungnahme zitierte das LWB-Exekutivkomitee Bischof Dr. Munib A. Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien (ELKJ), der als LWB-Vizepräsident für die LWB-Region Asien auch Mitglied des LWB-Exekutivkomitees ist und erklärt hatte: "Wir müssen nach Möglichkeiten suchen, die Kommunikation zu verstärken, nicht sie einzuschränken, mehr persönliche Begegnungen zu ermöglichen, nicht sie zu verhindern, und mehr Wege zu Frieden und Versöhnung zu eröffnen, anstatt sie zu blockieren." Die ELKJ hat Gemeinden in Israel, Jordanien und Palästina.

Das LWB-Exekutivkomitee setzt sich zusammen aus dem LWB-Präsidenten, den fünf VizepräsidentInnen, dem Schatzmeister und den Vorsitzenden der Programmausschüsse. Es hat in der Zeit zwischen den Ratstagungen die Aufsicht über die ordnungsgemäße Arbeit des LWB und fungiert als Personalausschuss und Treuhandschaftsrat. Die Mitglieder des amtierenden Exekutivkomitees wurden im Juli 2003 vom LWB-Rat während seiner ersten Tagung in Winnipeg (Kanada) ernannt. Das Komitee tagt in der Regel zweimal im Jahr.

Genf, 23. Februar 2004

Deutsche Redaktion des LWB
Dirk-Michael Groetzsch


Im Folgenden finden Sie den vollen Wortlaut der Stellungnahme des LWB-Exekutivkomitees:

Reisst die Mauern nieder

Stellungnahme zum Bau der Trennmauer auf besetztem palästinensischen Gebiet

Das Exekutivkomitee des Lutherischen Weltbundes (LWB), das vom 21. bis 23. Februar 2004 in Genf tagt, schließt sich den zahlreichen Kirchen und ökumenischen Organisationen weltweit an, die ihre Besorgnis über den Bau der Trennmauer auf besetztem palästinensischen Gebiet, einschließlich in und um Ostjerusalem, zum Ausdruck gebracht haben. Insbesondere unterstützen und bekräftigen wir die Erklärungen der Jerusalemer Kirchenleiter zu diesem Thema.

Der LWB verurteilt ohne Einschränkung sämtliche willkürlichen, gegen ZivilistInnen gerichteten Gewalttaten. Unsere Gebete gelten den Opfern aller solcher Verbrechen und ihren Familien. Alle Menschen in Israel-Palästina haben ein Anrecht darauf, von willkürlicher Gewalt und kollektiven Strafaktionen verschont zu bleiben.

Wir möchten erneut die vom LWB vielfach formulierte Überzeugung betonen, dass Frieden und Sicherheit für alle Menschen in Israel-Palästina nur durch Dialog, Verständnis füreinander und die Wiederherstellung unheiler Beziehungen zu erreichen sind. Israelis und PalästinenserInnen leben in enger Nachbarschaft auf einem kleinen Stück Land, das drei der großen Weltreligionen als heilig gilt, und sie werden auch in Zukunft dieses Zusammenleben fortführen müssen. Letztlich muss ein Weg gefunden werden, wie alle Kinder Abrahams dieses Erbe in Frieden und Gerechtigkeit gemeinsam gestalten können. Die Trennmauer leugnet diese offensichtliche Tatsache und bedeutet eine Abwendung von dieser nicht zu umgehenden Verantwortung.

Die Trennmauer kann den Frieden, den Israelis und PalästinenserInnen gleichermaßen verdienen, den wir erstreben und um den wir beten, nicht herbeiführen. Im Gegenteil, die Geschichte zeigt, dass derartige Versuche, Menschen durch physische Barrieren voneinander zu trennen, nur Feindbilder, gegenseitige Dämonisierung und Extremismus verstärken. Bischof Munib Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jerusalem stellt zu Recht fest: "Wir müssen nach Möglichkeiten suchen, die Kommunikation zu verstärken, nicht sie einzuschränken, mehr persönliche Begegnungen zu ermöglichen, nicht sie zu verhindern, und mehr Wege zu Frieden und Versöhnung zu eröffnen, anstatt sie zu blockieren."

Die Trennmauer in Israel-Palästina ist ein Hindernis für Dialog und gegenseitiges Verständnis. Sie ist ein Hindernis für die Schaffung eines gerechten Friedens. Sie verletzt Prinzipien des humanitären Völkerrechts und Menschenrechtsnormen. Da die Mauer über das Gebiet des Westjordanlands verläuft, liegt eine weitere unilaterale und illegale Annexion von Land vor. Ihr Bau führt zur Zerstörung von noch mehr palästinensischen Häusern und Olivenhainen und schneidet PalästinenserInnen voneinander, von ihren Feldern, ihrer Wasserversorgung und medizinischen sowie anderen lebensnotwendigen Leistungen ab. Er hat eine weitere Verschlechterung der bereits heute untragbaren Situation zur Folge, die palästinensische ChristInnen zur Auswanderung zwingt und unsere Angst vor dem drohenden Aussterben der einheimischen christlichen Kirche im Heiligen Land verstärkt. Der Verlauf der Mauer wurde so geplant, dass sie die Ansiedlungen von mehr als der Hälfte der SiedlerInnen im Westjordanland und in Ostjerusalem umfasst, was diese Siedlungen noch stärker befestigt. Die Mauer und die Siedlungen, die sie schützt, schaffen vor Ort neue Fakten, die die Errichtung eines lebensfähigen, flächenmässig geschlossenen palästinensischen Staates innerhalb der akzeptierten Zwei-Staaten-Lösung verhindern.

Wir verlangen ein Ende des Mauerbaus und der Neuschaffung und Unterstützung von Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Mauer wie Siedlungen müssen aus den besetzten palästinensischen Gebieten entfernt werden, wenn wirklich ein gerechter Friede angestrebt werden soll. Der LWB setzt sich auch weiterhin praktisch und im Gebet dafür ein, dass zukünftig israelische und palästinensische Kinder in Frieden zusammenleben und in dem Land, dass sie alle "heilig" nennen, eine gemeinsame Zukunft gestalten können.

Der Gott, den wir verkündigen und dem wir dienen, ist ein Gott der Beziehung und der Versöhnung, der von Menschen aufgerichtete Barrieren niederreißen, versöhnen und Frieden schaffen will. Wir möchten die Worte Seiner Heiligkeit Papst Johannes Pauls II. aufgreifen, der betont hat, das Heilige Land brauche heute Brücken und nicht Mauern. Wir beten darum, dass Gott die trennende Mauer, die auf dem von ihm selbst gegebenen Land gebaut wird, und die Mauern der Feindseligkeit, die in den Köpfen der dort heute lebenden Menschen immer höher wachsen, durchbrechen möge. "Denn er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft." (Eph. 2,14)

Verabschiedet am 22. Februar 2004