Ostern und die Erfindung des Sonntages

Bischof Hans-Jürgen Abromeit

Pommersche Evangelische Kirche

19. März 2008

"Ostern ist ein anderes Wort für die Erfindung des Sonntages. Am Ende des Markusevangeliums lesen wir den ältesten Bericht über das, was nach der Kreuzigung Jesu geschehen ist. Da wird uns berichtet, wie drei Frauen zum Grab Jesu gingen, um den Verstorbenen zu salben, wie es damals Sitte war. Sie waren unterwegs, „als der Sabbat vergangen war“, also am Morgen nach dem Sonnabend. Am Grab angekommen, stellten sie fest, dass der Stein vom Eingang der Grabhöhle entfernt und der Tote unauffindbar war. Hatte man ihn gestohlen? Wenig später begegnet ihnen der Tote – als Auferstandener. Gott hatte den Tod besiegt. Eine Botschaft, völlig unglaublich, aber so real, dass sie sich ausbreitete wie ein Lauffeuer: erst in Jerusalem, dann bald im ganzen Römischen Reich und heute bis in die letzten Winkel unserer Welt.

Das war der erste Sonntag, und seine Botschaft war ein leeres Grab und der Tod, der nicht mehr das letzte Wort hat. Damit steht der Sonntag für ein Fest der Freude, der Auferstehung und der Befreiung zum Leben. Die Christen begannen – zunächst heimlich – an diesen Tagen ihre Gottesdienste zu feiern. Ab dem 7. März 321 ist der Sonntag zum offiziellen Feiertag erklärt worden. Dieser Zusammenhang von Sonntag und Ostern prägt bis heute etwa die russische Sprache, in der der Sonntag „Woskressenje“, „Auferstehung“, heißt.

Über Jahrhunderte hat der wöchentliche Feiertag unsere Kultur geprägt, hat das Zusammenleben als Familie mit einem gemeinsamen freien Tag ebenso ermöglicht wie die gemeinsame Feier von Gottesdiensten für Christen. Kulturelle und sportliche Veranstaltungen leben davon, dass in unserer Gesellschaft grundsätzlich gilt: dieser Tag ist kein Werktag, an diesem Tag darf der Mensch selbst über seine Zeit verfügen.

Zu allen Zeiten waren der Sonntag und seine Sonderstellung als arbeitsfreier Tag umkämpft. Dass man an diesem Tag selbst Herr über seine Zeit sein sollte, wollte nicht jedem schmecken. Und Argumente gegen den Sonntag gibt es viele: die Maschinenlaufzeiten müssen genutzt werden, Menschen sollen einkaufen können und vieles mehr. Offensichtlich waren die vordergründig zugkräftigen Argumente so stark, dass man den Sonntagsschutz zum Verfassungsrang erhob: der Sonntag ist nach dem Grundgesetz „als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt“.

Die Gesetzgebung der Bundesländer schafft allerdings immer mehr Ausnahmen von diesem Gebot der Sonntagsruhe. So dürfen in Mecklenburg-Vorpommern in 145 Orten oder Ortsteilen, auch in den Innenstädten aller großen Städte an 48 Sonntagen im Jahr die Geschäfte öffnen. Immer mehr Menschen sollen nun ihren Sonntag opfern, damit auch am Sonntag eingekauft werden kann.

Die Woche hat 168 Stunden. In Mecklenburg-Vorpommern dürfen die Läden davon an 142 geöffnet sein. Reicht das nicht? Müssen wir den Sonntag als einen Tag gemeinsamer freier Zeit den Konsuminteressen opfern?

Wir brauchen einen gemeinsamen freien Tag als Tag des Gottesdienstes und als Ruhetag, an dem gefeiert werden kann, an dem Familien miteinander etwas unternehmen können und an dem es auch noch möglich ist, sich gegenseitig zu besuchen. Wenn zum Schluss jeder an einem anderen Tag frei hat, schadet das sowohl der Gemeinschaft mit unseren Nachbarn, Freunden und Verwandten als auch der Beziehung zu Gott. In der Gesellschaft sollten wir uns deswegen weiterhin für den Sonntag als gemeinsam arbeitsfreien Tag einsetzen. Als Christen sollten wir keinen Sonntag verstreichen lassen, ohne ihn als Auferstehungstag unseres Herrn mit einem Gottesdienst zu feiern."

Greifswald, 19. März 2008

Rainer Neumann
Pressesprecher