„Ökumenische Konzeptionen und Perspektiven“

Erklärung der Bischofskonferenz der VELKD

Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)

05. März 2007

Der einstimmig gefasst Beschluss im Wortlaut:

Die Bischofskonferenz hat sich auf ihrer Tagung vom 3. bis 6. März 2007 in Meißen mit dem Thema „Ökumenische Konzeptionen und Perspektiven“ befasst. Die Bischofskonferenz hat dazu Beiträge von ökumenischen Gästen sowie Referate von Vertretern der wissenschaftlichen Theologie gehört und sich in mehreren Arbeitseinheiten mit verschiedenen Aspekten des Themas beschäftigt. Dabei hat die Bischofskonferenz dankbar die Fülle der ökumenischen Beziehungen, Dialoge und Kontakte wahrgenommen, die die VELKD und ihre Gliedkirchen mit anderen lutherischen Kirchen und Kirchen anderer Konfessionen verbinden. Zugleich hat sie grundsätzlich über Konzeptionen und Perspektiven des ökumenischen Dialogs beraten.

Die Bischofskonferenz dankt der gastgebenden Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens für ihre Gastfreundschaft und die Gelegenheit am gottesdienstlichen Leben dieser Kirche, ihren Erfahrungen und ihren Visionen für den weiteren Weg dieser Kirche teilzunehmen.

Folgende Erklärung gibt die Bischofskonferenz an die Gliedkirchen und deren Gemeinden sowie an alle Personen und Institutionen, die sich im ökumenischen Dialog engagieren, weiter:

1. Die Bischofskonferenz weiß unsere Kirche durch das Wirken des Heiligen Geistes in Gemeinschaft mit allen christlichen Kirchen. Das biblische Zeugnis in Epheser 4, 3-6 zeigt, dass die Einheit uns in Jesus Christus geschenkt und zugleich ein bleibender Auftrag für die Kirche Jesu Christi ist: „und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch allen und in allen.“

2. Die Bischofskonferenz ermutigt alle Christinnen und Christen, diese in Christus geschenkte Gemeinschaft immer wieder mit Leben zu erfüllen und sichtbar zu machen. Sie bestärkt die Gemeinden, Werke, Einrichtungen und Gemeinschaften in den Kirchen darin, ihr ökumenisches Engagement in Form von Partnerschaften, gemeinsamen gottesdienstlichen Feiern, Dialogen und gemeinsamem Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zu vertiefen.

3. Die Bischofskonferenz strebt ausgehend von dem Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums im Augsburger Bekenntnis von 1530 eine Gemeinschaft von Kirchen an, in der die Kirchen sich aufgrund eines gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums gegenseitig als Kirche Jesu Christi anerkennen und Gemeinschaft in der dem göttlichen Wort gemäßen Darreichung der Sakramente haben.

4. Für die Bischofskonferenz ist das Ziel der Ökumene keine Einheitskirche, sondern eine communio von Kirchen in einer sichtbaren Einheit, in der die Kirchen ihre Identität bewahren und zugleich die Unterschiede versöhnt werden. In einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit werden die Unterschiede der Kirchen und die Erfahrungen von Heimat des Glaubens in den geschichtlichen Kirchen als Reichtum erfahren.

5. Die Bischofskonferenz ist zugleich besorgt über die Schwierigkeiten und Hemmnisse, die in ökumenischen Begegnungen und Dialogen immer wieder auftreten. Diese Schwierigkeiten sind einerseits in unterschiedlichen theologischen Verständnissen  begründet, zum Beispiel in einer unterschiedlichen Auslegungspraxis der Schrift sowie in einem unterschiedlichen Kirchen- und damit verbundenen Amtsverständnis. Andererseits kommen Aspekte wie die Krise von Institutionen in der Gesellschaft hinzu, von der auch die Kirchen in Deutschland betroffen sind, und persönliche Erfahrungen und Einstellungen, die dazu verleiten können, nur die je eigene Konfession in den Blick zu nehmen.

6. Die Bischofskonferenz tritt wissend um den Wunsch von Menschen, die in konfessionsverschiedenen Ehen leben, dafür ein, dass aus seelsorgerlichen Gründen nicht nur die Möglichkeit eines gemeinsamen Gangs zum Abendmahl, wie es in der VELKD schon lange Praxis ist, sondern auch zur Eucharistie eröffnet wird.

7. Die Bischofskonferenz hat sich ausführlich mit der Problematik des gegenseitigen Verstehens im Horizont eines wachsenden Bewusstseins für die kulturellen Differenzen und der Fragen der jeweiligen Deutungen und Deutungshoheiten befasst. Eine Sensibilisierung für die Grenzen der interkulturellen Verständigung und das Recht auf eigene Deutungen und Sichtweisen aus dem jeweiligen kulturellen Kontext sind verstärkt zu beachten.

8. Die Bischofskonferenz bittet alle beteiligten Personen und Institutionen, insbesondere die Missions- und Diakoniewerke, im Bereich der gemeindlichen und kirchlichen Partnerschaften und des Dialogs, die Hemmnisse in der ökumenischen Begegnung auf den unterschiedlichen Ebenen als Herausforderung zu einem besseren gegenseitigen Verstehen anzunehmen.

9. In der Bischofskonferenz wurden Überlegungen zu einer „Theorie der Toleranz“ vorgelegt und diskutiert. Sie eröffnet die Möglichkeit, neue Perspektiven für den ökumenischen Dialog zu gewinnen. So wie es in der Toleranztheorie um den Ausgleich von konkurrierenden Sichten ethischer Wahrheitsansprüche geht, ist es in der Ökumene nötig, verschiedene theologische Wahrheitsansprüche im Hören auf die Schrift so aufeinander zu beziehen, dass diese nicht mehr in vollständiger Exklusivität gegeneinander verharren, sich aber auch nicht in völliger Verschmelzung ineinander auflösen. Die Bischofskonferenz hofft, dass die verstärkte Beschäftigung mit der Theorie der Toleranz in der Ökumene-, Religions- und Missionswissenschaft für den ökumenischen Dialog fruchtbar gemacht werden kann.

10. Die Bischofskonferenz unterstützt die ökumenische Arbeit des Lutherischen Weltbundes und will ihn darin bestärken, in seinen ökumenischen Dialogen mit den unterschiedlichen Kirchen zu einer Verständigung zu kommen.

11. Die Bischofskonferenz unterstützt die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland auf regionaler und die des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) auf überregionaler Ebene. In der ACK sowie im ÖRK wird ein wichtiger ökumenischer Raum der Begegnung eröffnet, in dem sich Menschen aus verschiedenen Konfessionen begegnen, miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam Gottesdienste feiern.

12. Die Bischofskonferenz hat in ihren Beratungen auch Kirchen und Gemeinden in Deutschland und in der Welt in den Blick genommen, die nicht Mitglieder in der ACK und im ÖRK sind. Auch sie sind zu einem geschwisterlichen Miteinander eingeladen.

13. Die Bischofskonferenz befürwortet nachhaltig die Fortsetzung bzw. die Wiederaufnahme von Lehrgesprächen mit der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Die während der Konferenz von römisch-katholischer Seite vorgetragene Sicht der ökumenischen auch gegenwärtig verpflichtenden Intentionen des II. Vatikanischen Konzils ermutigt dazu, eine klare, verlässliche und darum auch aussagbare Übereinstimmung und Gemeinschaft im Bekenntnis des Glaubens, in den Sakramenten und auch im kirchlichen Amtsverständnis mit der römisch-katholischen Kirche anzustreben.

14. Ebenso sind für die Bischofskonferenz die Lehrgespräche mit anderen Kirchen auf nationaler und internationaler Ebene ein zentrales Anliegen, so etwa der Dialog zwischen der EKD und der Church of England, der bei dieser Konferenz in Meißen gewürdigt wurde.

15. Die Bischofskonferenz ermutigt die christlichen Kirchen in Deutschland, den Weg zum ökumenischen Kirchentag im Jahr 2010 in München für einen neuen ökumenischen Aufbruch zu nutzen und die Gemeinschaft der Kirchen mit Leben zu erfüllen. In der persönlichen Begegnung und in der gemeinsam gelebten Spiritualität wird der Grund für ein besseres gegenseitiges Verstehen und Anerkennen gelegt.

16. Die Bischofskonferenz ist dankbar für die Begegnungen und den Austausch mit Gästen aus verschiedenen Ländern und aus der interkonfessionellen Ökumene während ihrer Tagung in Meißen. Sie weiß sich in die Gemeinschaft der Kirchen des Lutherischen Weltbundes eingebunden und ökumenisch mit der weltweiten Kirche im Glauben verbunden.

Hannover, 05. März 2007

Udo Hahn
Pressesprecher