Herbsttagung der Landessynode am 14./15. November

Bericht des Kirchenpräsidenten - Haushalt - Struktur - Religionsunterricht - Diakonisches Werk

Evangelische Landeskirche Anhalts

Bericht des Kirchenpräsidenten

„Unsere wichtigsten Aufgaben als Landeskirche in Anhalt sind und bleiben die Weitergabe des Glaubens und das Wachstum der Gemeinden“, sagte Kirchenpräsident Helge Klassohn in seinem Bericht zur Lage der Landeskirche vor der Synode in der Anhaltischen Diakonissenanstalt Dessau. Obwohl die Zahl ihrer Mitglieder weiter gesunken sei, müsse die Kirche auf Zugewinn aus sein, „auf Zugewinn an Menschen, an Erkenntnis, an Glaubenserfahrung, an öffentlicher Aufmerksamkeit“. Damit, so Klassohn, wolle er nicht einem geistlosen Aktivismus das Wort reden, sondern voll Dankbarkeit darauf hinweisen, „was alles in unseren Gottesdiensten, Amtshandlungen und Begegnungen missionarisch geschieht“. Die Kirche dürfe sich nicht als „Geschädigte der Säkularisierung“ oder „Opfer des Traditionsabbruchs“ sehen, sondern müsse sich vielmehr als „beschenkte und privilegierte Zeugin einer ‚anderen Logik des Lebens‘“ betrachten, welche mit dem Kommen des Reiches Gottes einher gehe.

Der Kirchenpräsident rief auch dazu auf, die distanzierte Mitgliedschaft in Kirchen zu akzeptieren. „Sehr viele unserer evangelischen Kirchenmitglieder erwarten, dass sich ihre Kirche ihnen nur bei bestimmten Gelegenheiten zur Verfügung stellt und für sie da ist.“ Diese Form der Bindung an die evangelische Kirche dürfe keinesfalls herabgesetzt werden. Gerade Taufen, Trauungen und Bestattungen böten auch die Möglichkeit, diese Menschen geistlich anzusprechen. „Es gibt ein neues Interesse an Spiritualität, das auch neue Chancen für die Kirchen bietet.“ Klassohn forderte in diesem Zusammenhang eine lebensnahe theologische Arbeit.

Weiterhin verkenne man nicht die Folgen des demografischen Wandels mit der schon seit Jahren zu beobachtenden Abwanderung von Menschen der jungen und mittleren Generation: „Aus dieser Tatsache ergibt sich meines Erachtens eine bewusste, beteiligungsoffene und zugleich aufsuchende und nachgehende Orientierung der kirchlichen Arbeit auf ältere Menschen.“ Dabei gelte es jedoch, die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Menschen der mittleren Generation nicht zu vernachlässigen und Brücken zu bauen zwischen den Generationen.

Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Situation appellierte der Kirchenpräsident an die politisch Verantwortlichen, Entscheidendes zum Abbau der „unverantwortlich hohen Arbeitslosigkeit“ zu tun. „Weniges ist geschehen, vieles ist im Gestrüpp der Gruppen- und Besitzstandsinteressen stecken geblieben.“ Klassohn hob die wachsende Distanz vieler Enttäuschter „gegenüber unserer marktwirtschaftlich strukturierten und freiheitlich demokratischen orientierten Gesellschaft“ hervor und zeigte sich beunruhigt über die zunehmende Zahl derer, die sich nicht mehr an Wahlen beteiligen. „Wir haben hier sehr darauf zu achten, dass Freiheit und Solidarität, Eigenverantwortung und verantwortliches Eintreten für die Schwachen, die sich nicht selbst helfen können, beieinander gehalten werden.“

Im Hinblick auf die finanziellen und personellen Schwierigkeiten der Landeskirche infolge von Überalterung und Abwanderung forderte der Kirchenpräsident: „Wir müssen diese Probleme einbeziehen in unsere Überlegungen zur Umstrukturierung unserer Kirche im Zuge eines schlüssigen und nachhaltigen Personal- und Finanzkonzeptes.“ Dabei solle man nicht nur durch Einschränkungen auf die unausweichlichen Gegebenheiten reagieren, sondern die Dinge nach einem Leitbild von einer zukunftsfähigen, offenen, den Menschen nahen evangelischen Kirche mit ihren Gemeinden gestalten. Die Leitbildprozesse in den Gemeinden und Kirchenkreisen sollten unbedingt fortgesetzt werden. Zur Erhöhung von Ressourcen und Einnahmen schlug Klassohn vor, sich eine Erhöhung der Zahl von Taufen oder Gottesdienstteilnehmern um 2% zum Ziel zu setzen.

Im Hinblick auf das Verhältnis zu den benachbarten Landeskirchen wies Klassohn auf die intensive Zusammenarbeit mit der Kirchenprovinz Sachsen (KPS) und mit der Landeskirche Thüringens hin und verlieh angesichts der konkreter gewordenen Pläne einer Föderation dieser Kirchen seiner Erwartung Ausdruck, „dass unser Kooperationsvertrag mit der Kirchenprovinz Sachsen weiterhin in Geltung bleibt“. Man werde sehr genau prüfen, wie sich das Verhältnis zwischen beiden Kirchen weiter gestalte und dann mit der Föderation zusammenarbeiten. Im Januar werde es wieder eines der regelmäßigen Gespräche mit dem Konsistorium der KPS geben. Bedauerlicherweise sei Anhalt in der Öffentlichkeit zuletzt als Verweigerer jeglicher Zusammenarbeit mit anderen Kirchen wahrgenommen worden.

Haushalt

Für das Jahr 2004 umfasst der Haushalt der Landeskirche Anhalts 11,6 Millionen Euro, das sind 1,33 Millionen Euro oder 10,2 Prozent weniger als 2003. Zu den Einnahmen gehören die Kirchensteuern in Höhe von 3,02 Millionen Euro (620.000 Euro weniger als 2003) sowie die Leistungen aus dem EKD-Finanzausgleich in Höhe von 2,63 Millionen Euro (190.000 Euro weniger als 2003) und Staatsleistungen in Höhe von 2,26 Millionen Euro (125.000 Euro mehr als 2003).

Zur Deckung des Etats mussten die Zuwendungen an das Diakonische Werk und die Baubeihilfen für Kirchengemeinden gekürzt werden. Zugleich bekräftigte die Synode jedoch qua Beschluss ihre Entschlossenheit, „wie in den vergangenen Jahren auch weiterhin das Diakonische Werk der Landeskirche in seiner Arbeit in dem erforderlichen Maße nach Kräften zu unterstützen“. Die Landeskirche Anhalts wolle den Fusionsprozess im Hinblick auf das neu zu bildende Diakonische Werk Mitteldeutschland als gleichwertiger Partner fördern.

Der Landeskirchenrat wurde von der Synode damit beauftragt, ein Konsolidierungskonzept für den landeskirchlichen Haushalt zu erarbeiten, das zur Frühjahrssynode 2004 vorliegen soll.

Strukturdebatte

Die Synode stand im Zeichen der Diskussionen über die künftige Struktur der Landeskirche. Unter anderem beschlossen die Delegierten, die mit dem Stellenplangesetz von 1999 begonnene Regionalisierung zu verstärken und die „Vielfalt des gemeindlichen Lebens durch entlastende und ergänzende Kooperation zu fördern“. Den Kirchenkreisen soll dabei eine größere Bedeutung zukommen. Auf Grundlage der regionalen Zusammenarbeit soll Ende 2004 eine Regionalvereinbarung erstellt werden, die dann zur Frühjahrssynode 2005 vorliegen soll.

Religionsunterricht

In seinem Bericht zur Situation des evangelischen Religionsunterrichts an allgemeinbildenden Schulen betonte der zuständige Dezernent, Oberkirchenrat Manfred Seifert, gute Erfahrungen und frustrierende Zustände seien „nebeneinander die Realität“. Als Reaktion auf die PISA-Ergebnisse sei der Religionsunterricht in Sachsen-Anhalt zugunsten von Deutsch und Mathematik faktisch reduziert worden, und auch andere Beobachtungen ließen befürchten, „dass der Religionsunterricht mittelfristig aus der Schule verdrängt werden könnte“. Das Fach werde offenbar von seinen Gegnern überproportional benachteiligt, „schon jetzt scheiden mehr Lehrkräfte aus dem Unterricht aus als neu in den Unterricht nachrücken“.

Die Synode reagierte auf diesen Bericht mit einem Beschluss, in dem der Landeskirchenrat gebeten wird „immer wieder das Land auf seine Pflichten hinzuweisen“. Der Religionsunterricht sei ordentliches Lehrfach mit Verfassungsrang. Weiter heißt es: „Die Landessynode ist der Überzeugung, dass ein geregelter Religionsunterricht vor allem um der Schülerinnen und Schüler willen sowie für die Entwicklung unserer Schulen notwendig ist. Die Einführung von Religions- und Ethikunterricht darf nicht von der Haushaltslage abhängig gemacht werden.“

Diakonisches Werk

Andreas Lischke, Landespfarrer für Diakonie, berichtete über die Ende Oktober beschlossene Zusammenführung der drei Diakonischen Werke in Sachsen-Anhalt und Thüringen (Landeskirche Anhalts, Kirchenprovinz Sachsen, Evangelische Kirche Thüringen) zum Diakonischen Werk in Mitteldeutschland. Die Gründungsversammlung sei für Ende 2004 geplant.

Der Fusionsplan sehe die Gründung eines neuen eingetragenen Vereins als gemeinsame Dachorganisation vor. Dabei sollten die heutigen Leitungsstandorte Dessau, Magdeburg und Eisenach schon wegen der Verbindung zu den Kirchenleitungen erhalten bleiben, jedoch Spezialaufgaben zugewiesen bekommen. Lischke erwartet von dem neuen Verbund einen Qualitätsgewinn. „Wir haben dann in der Öffentlichkeit eine Stimme und ein klares Profil.” Unter den gegenwärtigen Bedingungen hätte jedes einzelne Werk nur unter Leistungsabbau existieren können.

Die Synode der Landeskirche Anhalts beschloss die Bildung eines Ausschusses, der den Fusionsprozess begleiten soll.

Dessau, 15. November 2003

Johannes Killyen
Pressestelle