„Über wie viele Beiträge in den Medien würde sich Jesus heute freuen?“

ZDF-Moderatorin Gundula Gause sprach beim Festakt der EKHN zum Reformationstag über Christentum und Medien / Kirchenpräsident Steinacker predigte

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

31. Oktober 2005

„Fürchtet euch nicht!“ Dieses Wort von Jesus hat Kirchenpräsident Dr. Peter Steinacker in den Mittelpunkt seiner Predigt zum Reformationstag 2005 gestellt. Steinacker predigte beim Zentralen Festgottesdienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zum Reformationstag am 31. Oktober 2005 in der Wiesbadener Lutherkirche. Jesu Aufmunterung „Fürchtet euch nicht!“ gelte gerade jetzt in den schwierigen Zeiten, „in denen unser Land in keinem guten Zustand ist!“, sagte Steinacker. Er rief alle Christen auf, ihren Glauben offen und öffentlich zu bekennen, „und zwar so, dass man uns abspürt, dass es uns Ernst ist“. Dies gelte für die Familien, die Freunde sowie die Arbeitskolleginnen und -kollegen. „Was sollten eure Freunde von euch sonst Ernst nehmen, wenn ihr solch wichtige Dinge wie eure Hoffnungen, eure Ängste, eure Freude und Zuversicht im Leben und im Sterben verschweigt?“, fragte Steinacker und fasste den Auftrag von Jesus Christus an die Christen so zusammen: „Wir sind der Gesellschaft unseren Glauben schuldig.“

Gundula Gause: „Gewaltige Herausforderungen“

Nach dem Gottesdienst hielt ZDF-Moderatorin Gundula Gause den Festvortrag. Er stand unter dem Titel „Christliche Werte in der Tagesaktualität. Die Kirche und die Quote“. Gause führte aus, dass die Gesellschaft vor „gewaltigen Herausforderungen“ stehe, bei denen die Medien und die Kirchen wichtige Aufgaben zu erfüllen hätten. Gause sagte wörtlich: „Es steht ein Berg voll Arbeit und Verantwortung vor Politik und Wirtschaft, Medien und Gesellschaft. Die Kirchen sind dabei Motor und Anker gleichermaßen, Werkstatt und Heimathafen. Sie müssen Orientierung bieten - genau wie die Journalisten.“ Dies seien, so Gause „gemeinsame Werte in Journalismus und Christentum“.

Gause: „Anonyme Christlichkeit der Medien“

In den Medien seien christliche Werte sehr viel stärker präsent, als es äußerlich den Anschein habe, sagte Gause. In 2000 Jahren hätten sich die christlichen Wertvorstellungen so tief in das abendländische Bewusstsein eingegraben, dass sie auch heute noch immer und überall zumindest als eine Art Hintergrundfolie anwesend sind“. In den Medien seien „alle – vom Kabelträger bis zum Intendanten –zutiefst geprägt von einer christlichen Kultur, die selbst da noch wirksam anwesend ist, wo man sie leugnet, ja unter Umständen sogar bekämpft“. Als Belege für diese „anonyme Christlichkeit der Medien“ verwies Gause nicht nur auf die Sendungen, in denen es ersichtlich um Kirche und Glauben gehe. Auch Sendungen, in denen diese vordergründig nicht vorkämen, seien zutiefst christlichen Werten verpflichtet. Man finde sie mit der Fragestellung „Über wie viele Beiträge in den Medien würde sich Jesus Christus heute freuen? Gause zeigte sich sicher: „Vielleicht öfter als wir denken: nämlich immer da, wo der Arme, der Verlorene, der Gescheiterte, der Marginalisierte und Diskriminierte in den Mittelpunkt der Gesellschaft gestellt wird.“ Dies geschehe in allen Programmsparten: in Politik, Wirtschaft, Kultur und gerade auch in der Unterhaltung, wo das „Große Glück“ des kleinen Mannes oft durchaus eindrucksvoll inszeniert werde.

Als weiteres Beispiel nannte Gause die Sendung „Das Traumschiff“. Darauf seien „alle - von der Besatzung bis zum letzten Passagier –anonyme Christen, die die menschlichen Konflikte in einer Weise lösen, die nur im Kontext einer christlichen Hintergrundkultur zu verstehen ist: der blinde Passagier und der reiche Magnat, der Küchenjunge und der Kapitän – sie begegnen sich an Bord letztlich in derart versöhnlicher Art und Weise, dass man sagen kann: Das Traumschiff ist das Paradies auf Erden, weil auf ihm schließlich das Gute siegt, indem sich am Ende alle als Mitmenschen anerkennen.“ Als Beispiele für christliche Werte nannte Gause „Weg vom Ich-Kult, hin zu sozialer Verantwortung. Weg von einer Revolution der Singles, hin zu einer Renaissance der Familie. Weg von einem Denken, das sich nur mit dem Lebensstandard befasst, hin zu einem Nachdenken über Lebensqualität. Weg von Lifestyle, hin zu Lebensart, Weg von Moden, hin zu Werten!“

Gause: „Christliche Werte in ihrer vielleicht verborgensten Form“

Die christliche Grundorientierung zeige sich in den Medien nach Wahrnehmung Gauses auch im beruflichen Handeln der Personen, etwa in der „Machart des Nachrichtengeschäfts“. Bei der Auswahl der Nachrichten, der Bilder und bei ihrer Präsentation spielten christliche Werte eine große Rolle. Dabei achteten christlich motivierte Journalisten auf die Würde der Opfer und der Toten. Hier, so Gause. „existieren christliche Werte in ihrer vielleicht verborgensten Form. Sichtbar werden sie erst, wenn sie fehlen: dann, wenn eine ethische Grenze eben doch überschritten wurde.“ In der Katastrophenberichterstattung sei diese Grenze „ein sehr schmaler Grat.“ Als innere „Zerreißprobe und schier unlösbare Aufgabe“ bezeichnete Gause die Berichterstattung über Terroranschläge. Damit helfe man dem Terrorismus, ohne es zu wollen, „Angst und Schrecken zu verbreiten“ und laufe Gefahr, sich „zu Instrumenten des Terrors zu machen.“

Zustimmend zitiert Gause die „Gebote eines Journalisten“ des ZDF-Intendanten Markus Schächter: Du sollst wahrhaftig sein: im Umgang mit Informationen, sowohl bei der Recherche als auch bei der Präsentation. Du sollst die Menschenwürde wahren: im Verzicht auf Sensationsjournalismus, Skandalisierung und Diskriminierung. Du sollst authentisch und unparteiisch sein: reflektierend, kritisch und ohne Zielgruppen-journalistische Unfairness. Du sollst im Umgang mit Bildern ehrlich sein: obligatorische Zusatzinformationen schützen bei tendenziösem oder missverständlichen Bildmaterial.

Als Schlüsselbegriffe für die christlichen Werte, denen Journalisten ebenso wie die Kirchen mit ihrer Arbeit dienten, nannte Gause die Achtung der Menschenwürde, Dialog und Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität, Wahrhaftigkeit und Überparteilichkeit.

Darmstadt, 31. Oktober 2005

Stephan Krebs
Pressesprecher

Festvortrag von Gundula Gause beim Festakt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau EKHN) in der Wiesbadener Lutherkirche am 31. Oktober 2005 im Wortlaut:

Christliche Werte in der Tagesaktualität - die Kirche und die Quote

Meine Damen und Herren, sehr geehrter, lieber Herr Kirchenpräsident, Prof. Steinacker, ich danke für die Ehre, heute hier sprechen zu dürfen!

Das Thema, MEIN Thema, christliche Werte in der Tagesaktualität, die Kirche und die Quote - das ist für mich eines der beherrschenden Themen dieses Jahres: Papsttod und Neuwahl, der deutsche Papst Benedikt XVI, Großereignisse wie Kirchentag und Weltjugendtag und ganz aktuell das „Wunder von Dresden“, der Wiederaufbau der Frauenkirche und die Weihe gestern - das waren und sind auch Medienereignisse von Relevanz im Nachrichtengeschäft. Das sind aktuelle Themen, die die Kirche als „Wertelieferant“ ins Spiel bringen!

Doch bevor ich näher auf dieses Thema eingehe, möchte ich zunächst die Rolle der Medien in der Gesellschaft skizzieren.

Die Medien werden zu recht als vierte Gewalt im Staate gesehen, neben Legislative, Judikative und Exekutive. Diese vierte Kraft ist eines der „Zahnräder“, die die Gemeinschaft und den Fortschritt der menschlichen Gesellschaft prägen. So wird es in „Communio et Progressio“, der Pastoralinstruktion über die Instrumente der sozialen Kommunikation sehr treffend formuliert - und das schon 1971.

Das heute-journal, in dem ich seit 12 Jahren als Co-Moderatorin mitarbeite, ist eines dieser Zahnräder. Die Sendung bietet einen nachrichtlichen Überblick über die Ereignisse des Tages, sie liefert aber auch Hintergrundinformationen.

Als Macher dieser Sendung sind wir „Arbeiter im Weinberg der Medien“, wenn ich das so formulieren darf. Die Basis für diese Arbeit ist unser journalistisches Selbstverständnis:

- Wir sind ein Teil der Gesellschaft. Ein Teil des Großbetriebes Deutschland und gewissermaßen eines „Weltbetriebes“.

- Wir berichten über politische Vorgänge und „drehen“ sie auch weiter: durch Interviews und indem wir verschiedene Meinungen miteinander konfrontieren.

- Wir bilden politische, wirtschaftliche und soziale Probleme ab und setzen Themen.

- Wir suchen die Mitte der Gesellschaft, wir sind ihr Spiegel und zugleich ein Motor ihrer Entwicklung. Wir können sie beeinflussen und den Blick auf bestimmte Themen lenken. Dabei geben wir eine Perspektive vor, der der Zuschauer folgen kann.

- Wir beschreiben, wir informieren, wie es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk per Staatsvertrag vorgeschrieben ist: immer unter dem Gebot der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit, der Sachlichkeit, der Objektivität und der Ausgewogenheit.

Damit sind die Werte genannt, die auf der Journalisten-Agenda ganz oben stehen. Sie bilden auch den Rahmen für die Vermittlung christlicher Werte.

Aber wie passt das eigentlich zusammen: Christentum und Nachrichten? Eine uralte Religion, die seit Jahrtausenden besteht und ein Geschäft, das sich manchmal minütlich verändert? Auf den ersten Blick erscheinen die Grundstrukturen sehr unterschiedlich, - sieht man mal von dem Wortspiel „Nach-richten“ ab, - sich nach etwas richten, - hier nach einer Neuigkeit, da nach dem Glauben…

In Johannes 20, Vers 29 heißt es: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Diese Worte haben nun nichts mit dem heute-journal zu tun! Diese Worte, die Jesus zu Thomas spricht, verweisen auf eines der Fundamente des Christentums: auf den Glauben. Auf die Fähigkeit, etwas für wahr zu halten, auch wenn die sichtbaren Beweise dafür fehlen.

Verglichen damit müsste man uns Journalisten eigentlich „die Ungläubigen“ nennen. Wir glauben nichts, was nicht ohne jeden Zweifel als bewiesen gilt. Wir halten nichts für wahr, solange es nicht durch Quellen bestätigt wurde, die unserer Ansicht nach glaubwürdig sind.

Die Frage lautet also: Wie lassen sich zwei so unterschiedliche Grundstrukturen vereinen?

Die Antwort darauf zielt auf die Menschen, die Medien machen. Sie selbst sind es, die die Verbindung schaffen. Sie alle – vom Kabelträger bis zum Intendanten – sind zutiefst geprägt von einer christlichen Kultur, die selbst da noch wirksam anwesend ist, wo man sie leugnet, ja unter Umständen sogar bekämpft.

Die christlichen Wertvorstellungen haben sich in 2000 Jahren so tief in das abendländische Bewusstsein eingegraben, dass sie auch heute noch immer und überall zumindest als eine Art Hintergrundfolie anwesend sind. Sie entfalten ihre Wirksamkeit subtil und „anonym“. Und so ist auch das kulturelle Gedächtnis der Medienwelt – die sich ja immer gerne, ich gebe es zu, als Avantgarde der Zukunft versteht – viel tiefer christlich „kontaminiert“ als sie es sich selbst zuweilen zugesteht.

Schaut man genauer hin, so wird man feststellen dürfen, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auch bei den Privatsendern diese gewissermaßen anonyme und strukturelle Christlichkeit sowohl auf der Ebene des Programms als auch auf der Ebene der Programmmacher gegeben ist. Das heißt: Die personelle Besetzung auch eines Medienschiffes wie das des ZDF gewährleistet ein christliches Menschenbild und damit auch ein christliches Fundament, von dem aus unser Produkt, also ein Fernsehprogramm, gestaltet wird. Das mag auch damit zusammenhängen, daß diese christlichen Werte zutiefst humane Werte sind.

Auf diesem Fundament wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk kontrolliert und kontrolliert sich selbst: die Würde des Menschen ist selbstverständliche Ausgangsbasis! Gewiss, diese anonyme Christlichkeit der Medien, von der ich spreche, mag vielen zu diskret und defensiv sein – aber sie ist da und sie wirkt: mehr, als man auf den ersten Blick vielleicht meinen mag.

Kenner wissen natürlich, dass der „Ideengeber“ für den Gedanken einer anonymen Christlichkeit der Medien Karl Rahner ist, der theologische Lehrer auch von Kardinal Lehmann, „unserem“ Bischof von Mainz.

Das Bekenntnis zum Glauben ist in unserer zivilisierten, reichen, saturierten und vielleicht auch schon etwas dekadenten Gesellschaft nicht selbstverständlich. Das Bekenntnis zum Glauben ist etwas Privates, Individuelles. Es hat vordergründig nichts zu tun mit unserer Welt des materiellen Gewinns. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Büchern und Seminaren, die sich mit den Spannungsfeldern Ethik und Wirtschaft, Bibel und Mammon oder soziale Verantwortung und Gewinnmaximierung befassen. Wie weit kann also das Bekenntnis zum Glauben aus der Anonymität, aus einer gewissen unreflektierten Grundhaltung heraus Raum greifen und als bewusstes Handlungsinstrument in öffentliche Vorgänge wie Politik und Wirtschaft eingebaut werden? Oder eben in ein Fernsehprogramm?

Jeder wird hier seine eigenen Erfahrungen und Ansätze haben und sich vor diesem Hintergrund in sein „Thema“, seinen Tätigkeitsbereich, sein Unternehmen einbringen. Und genau das tun auch wir Journalisten. In dem Programm, das wir machen, spiegeln sich die Ideen und die Werte, die wir einbringen - so auch die christlichen.

Aber was genau sind christliche Werte? Worüber sprechen wir, wenn von „christlichen Werten in den Medien“ die Rede ist?

Die Wahrheit des Evangeliums, der Glaube im öffentlichen Leben, das sind Themen der Evangelischen Kirche Deutschlands ebenso wie Katholischer Bischofskonferenzen: Protestanten und Katholiken suchen neue Impulse für Liturgie und Frömmigkeit.

Jenseits aller Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Kirche geht es um die klassische Glaubenslehre, um ein moralisches Leitbild für die Welt, um das Heil, das von Christus kommt und durch die Kirche vermittelt wird.

Der Glaube an Gott, wie er im Glaubensbekenntnis zum Ausdruck kommt, ist ein erster, grundlegender Wert. Er stellt als „Quelle aller Wahrheiten über den Menschen und über die Welt“ die Quelle des ganzen Lebens dar.

Aus der Bibel, genauer aus dem 5. Kapitel des Galater-Briefes,
in dem Paulus die „Frucht des Geistes“ beschreibt, könnte man folgende „christliche Werte“ zitieren: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.

Das sind die Werte, nach denen wir suchen müssen, wenn wir über christliche Werte in den Medien sprechen. Einen wichtigen Hinweis für die Suche liefert „Communio et progressio“ - dieses bereits erwähnte Papier aus dem Vatikan von 1971. Obwohl es vor 34 Jahren geschrieben wurde, besticht es noch heute durch seine Aktualität. Darin heißt es, dass nicht allein das Thema oder die vertretene Meinung den sittlichen Wert einer Kommunikation bestimmen, sondern auch der Geist, aus dem heraus sie geschieht - unter dem obersten Gebot der Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit und Wahrheit.

Das bedeutet, dass sich der tatsächliche Umgang der Medien mit „christlichen Werten“ keinesfalls in Zahlen erheben lässt. Es reicht nicht, lediglich das Programmschema und die einzelnen Beiträge nach eindeutig identifizierbaren „christlichen Inhalten“ zu durchsuchen. Eine solche Analyse – auch wenn sie zunächst zu einem aus christlicher Perspektive ernüchternden Ergebnis führte – bliebe zu sehr an der Oberfläche.

Wo also muss man suchen, wenn man christliche Werte in den Medien ausmachen will - und zwar nicht nur dort, wo sie an die Oberfläche drängen, sondern auch dort, wo sie sich eher im Verborgenen halten? Wer richtig suchen will, der muss auf verschiedenen Ebenen suchen. Lassen Sie mich an der Oberfläche anfangen. Es gibt Themen, die ganz eindeutig das Etikett „Kirche“ tragen.

Da wäre zunächst das religiöse Programmangebot des ZDF. Es wird von zwei Redaktionen verantwortlich gestaltet: „Kirche und Leben – evangelisch“ und „Kirche und Leben – katholisch“. Deren Arbeit untergliedert sich in so genannte „Feiertagsakzente“, „Reihen“, die die 37-Grad-Dokumentationen und die Sendung „sonntags“ beinhalten, Sondersendungen und die all-sonntägliche Übertragung eines Gottesdienstes.

Seit mehr als 25 Jahren überträgt das ZDF Gottesdienste aus Gemeindehäusern und Kathedralen, Dorfkirchen und Domen. Im vergangenen Jahr verfolgten im Schnitt 900.000 Menschen diese ganz normalen Gemeindegottesdienste, die nicht extra inszeniert wurden, sondern aus sich heraus gelebtes Christen-Dasein waren. Hier erfüllt das Fernsehen eine seiner ureigensten Aufgaben als Medium: es bringt die Kirche zu den Menschen nach Hause - in die Wohnzimmer derer, die diese entweder nicht verlassen wollen oder können.

Die Resonanz auf dieses Angebot ist groß: während immer weniger Menschen tatsächlich in die Kirche gehen, ist die Zahl bei den Fernsehübertragungen im Lauf dieser 25 Jahre von einst 400.000 auf heute 900.000 gestiegen: der Marktanteil liegt sonntags morgens konstant etwa bei 11 Prozent.

Neben dem religiösen Programmangebot des ZDF gibt es eine Reihe weiterer Themen, die bereits auf den ersten Blick das Etikett „Kirche"“ tragen: Zum Beispiel die Papstwahl.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender berichteten im April tagelang live aus Rom. Über den Wechsel im Pontifikat wurde im ZDF in insgesamt 35 Sendungen berichtet: 1781 Minuten, das sind fast 30 Stunden. 1,66 Millionen Zuschauer verfolgten im Schnitt die Berichte über den Papst. Die durchschnittliche Quote betrug 14 Prozent.

Um zunächst bei dem Thema die Kirche und die Quote zu bleiben: Papst Johannes Paul II. starb am 02. April um 21.37 Uhr. Wir waren vorbereitet: eine Volksmusik-Sendung wurde abgebrochen und die Kollegin Marietta Slomka ging um 21.57 Uhr mit einem heute-journal Spezial auf Sendung. Dieses Journal war mit anderthalb Stunden Sendezeit dreimal so lang wie üblich. 4,19 Millionen Menschen haben es gesehen. Das entsprach einem Marktanteil von 15,6 Prozent. In dieser hohen Einschaltquote spiegelte sich das Interesse der Menschen am Thema Papst.

Bei der Wahl seines Nachfolgers war das nicht anders. Als am 19. April „weißer Rauch“ über dem Vatikan aufstieg, sendete das ZDF ab 17.54 Uhr ein Spezial - bis an die 19-Uhr-Nachrichten heran. 5,62 Millionen Menschen haben die Sendung gesehen. Das war ein Marktanteil von 24,4 Prozent. Und dies sind Zahlen, mit denen unsere Zuschauerforschung sehr glücklich ist! Der Papst, der frühere ebenso wie der neue, wurde – wenn Sie so wollen - zum Quotenknüller.

Aber seien wir ehrlich: Ist die Berichterstattung über den Tod von Papst Johannes Paul II. und die Neuwahl „unseres“ Papstes Benedikt des XVI. bereits eine Vermittlung von Werten? Tatsächlich handelt es sich eher um ein nachrichtliches Großereignis im Themenumfeld der Kirche. Die Kirche selbst kommt lediglich als Wertelieferant ins Spiel.

Es ist eben nicht überall, wo Kirche drauf steht, auch Kirche drin. Umgekehrt gilt das aber ganz genauso. Und deshalb möchte ich jetzt die Oberfläche verlassen und mit ihnen einmal etwas genauer hinsehen:

Nachrichten befassen sich mit aktuellen politischen Vorgängen, Diskussionen und gesellschaftlichen Prozessen. Dazu gehören Themen wie Abtreibung, pränatale Diagnostik, Stammzellenforschung, aber auch Sterbehilfe, die Homosexuellen-Ehe oder Kriege. Dass hierbei auch über ethische Positionen berichtet und diskutiert wird, versteht sich von selbst. Gerade bei diesen Themen spielen christliche Werte eine große Rolle. Medien vermitteln sie und machen sie möglicherweise zu einem erstrebenswerten Gut, einer erstrebenswerten Tugend oder Haltung.

Man muss nur etwas genauer hinsehen und vielleicht fragt man sich einmal, über wie viele Beiträge in den Medien sich Jesus Christus heute freuen würde. Vielleicht öfter als wir denken: nämlich immer da, wo der Arme, der Verlorene, der Gescheiterte, der Marginalisierte und Diskriminierte nicht zuletzt durch die Medien in den Mittelpunkt der Gesellschaft gestellt wird – und dies geschieht durch alle Programmsparten hindurch: in Politik, Wirtschaft, Kultur und gerade auch in der Unterhaltung, wo das „Große Glück“ des kleinen Mannes oft durchaus eindrucksvoll inszeniert wird.

„Zappen“ wir doch mal kurz gemeinsam ins „Traumschiff“: wenn Sie sich etwa diese ZDF-Erfolgsserie anschauen, so werden Sie feststellen, dass in dieser Serie nie ein christliches Motiv auftaucht, wenn man mal vom „Kreuz des Südens“ absieht – vielmehr kreuzt das Schiff durch die unendlichen Weiten fremder und faszinierender Kulturen. Gleichwohl ist das „Traumschiff“ anonym geprägt durch eine gewissermaßen elegant maritime Christlichkeit. Denn stets werden die zuvor aufwändig inszenierten Beziehungskatastrophen in einer Weise gelöst, die man unumwunden als christlich identifizieren kann: Reue, Verzeihen, Wiedergewinnen von Vertrauen, unbedingte Solidarität, Einsatz für den Mitmenschen und der bedingungslose Glaube an das Gute bestimmen die Rollen der Traumschiffprotagonisten.

Alle - von der Besatzung bis zum letzten Passagier – sind anonyme Christen, die die menschlichen Konflikte in einer Weise lösen, die nur im Kontext einer christlichen Hintergrundkultur zu verstehen ist: der blinde Passagier und der reiche Magnat, der Küchenjunge und der Kapitän – sie begegnen sich an Bord - letztlich in derart versöhnlicher Art und Weise, dass man sagen kann: Das Traumschiff ist das Paradies auf Erden, weil auf ihm schließlich das Gute siegt, indem sich am Ende alle als Mitmenschen anerkennen. Und selbst da wo – selten genug – das „harte Los des sicheren Todes“ im Traumschiff thematisiert wird, bleiben am Ende Glaube, Liebe und Hoffnung. Auch wenn das Traumschiff nicht das Etikett Kirche trägt, so werden hier dennoch christliche Werte vermittelt - durch die Protagonisten und ihr Handeln.

Und mehr noch: Es wird der Wunsch nach einer besseren Welt formuliert. Einer Welt, in der diese Werte selbstverständlich sind. Hinter der glitzernden Fassade auch des Traumschiffs verbirgt sich der Wunsch nach einem Wertewandel:

Weg vom Ich-Kult, hin zu sozialer Verantwortung.

Weg von einer Revolution der Singles, hin zu einer Renaissance der Familie.

Weg von einem Denken, das sich nur mit dem Lebensstandard befasst, hin zu einem Nachdenken über Lebensqualität.

Weg von Lifestyle, hin zu Lebensart,

Weg von Moden, hin zu WERTEN!

Dass es eine Suche nach Werten, nach neuer spiritueller Sinnorientierung gibt, ist keine neue Erkenntnis. Alle reden von Werten. Der Kulturverfall ist diagnostiziert und über die Rolle der Medien in diesem Kontext ist nachzudenken.

Hierzu wieder „Communio et Progressio“: dort heißt es wörtlich: „In vielen Bereichen des heutigen Lebens ist ein Verfall sittlicher Normen offenkundig“…in welchem Maße nun die Medien selbst an diesem Verfall mitschuldig sind, sei eine offene Frage…, man könne aber nicht leugnen, dass die Mängel in der Gesellschaft selbst zu suchen seien… Der Versuch, den sittlichen Normen wieder Geltung zu verschaffen, müsse Sache aller sein, - den Kommunikationsmitteln falle in diesem wichtigen Bemühen eine unverzichtbare Rolle zu.“ Vielleicht liegt gerade hier auch eine große Chance für die Medien. Gerade die Medien könnten und sollten ein Bindeglied sein, eine Brücke schlagen zwischen Staatsapparat und Gesellschaft, Staat und Familie und zwischen Staat und Individuum, - versammeln sie doch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen gewissermaßen an einem runden Tisch. - Wie auf dem Traumschiff.

Ich habe das Traumschiff als eine Sendung bezeichnet, in der Kirche zwar nicht drauf steht, aber drin steckt. Ich möchte sie jetzt auf die letzte Ebene führen - die Ebene, auf der christliche Werte im Verborgenen liegen. Es geht gewissermaßen ins Innerste des Nachrichtengeschäfts: ich meine die Machart.

Auch wenn man es nicht auf den ersten Blick erkennt: bei der Gestaltung von Nachrichten werden Werte gesetzt. Die Gestaltung ist Gegenstand täglicher redaktioneller Diskussionen. Hier bringen wir Journalisten uns mit eigenen Meinungen, Überzeugungen und eben auch –so vorhanden- mit christlichen Werten ein.

Die Machart entscheidet über das, was am Ende beim Zuschauer ankommt: durch die Auswahl von Redeausschnitten und Bildern kann ein Vorgang so und anders dargestellt werden. Die Aufgabe des Journalisten ist es, nach bestem Wissen und Gewissen über das WIE zu entscheiden.

Das gilt ganz besonders für die Auswahl der Bilder. Gerade hier spielen christliche Werte eine enorme Rolle. Doch manchmal ist es sehr schwer, ihnen gerecht zu werden.

Zum Beispiel in der Katastrophenberichterstattung. Denken Sie an den Tsunami in Südostasien oder an das Erdbeben in Pakistan. Welche Bilder darf man zeigen? Und welche verletzen die Würde der Opfer? Darf ich eine Frau zeigen, die verzweifelt den Tod ihres Kindes beweint? Oder ist das ein mediales Ausschlachten ihres Leides?

Und wie steht es um die Würde der Toten? Darf man zeigen, wie sie mit Baggern in Massengräber befördert werden, weil es einfach zu viele sind, um sie traditionell zu bestatten?

Hinter jedem Bild, das ein Reporter bei solchen Themen auswählt, steht eine Entscheidung - sie basiert auf unserem christlich geprägten Menschenbild. Hier existieren christliche Werte in ihrer vielleicht verborgensten Form. Sichtbar werden sie erst, wenn sie fehlen: dann, wenn eine ethische Grenze eben doch überschritten wurde. In der Katastrophenberichterstattung ist diese Grenze ein sehr schmaler Grat.

Und dann gibt es ein Thema, bei dem die Argumentation mit christlichen Werten unmöglich wird- ich spreche vom Terror und religiös motivierter Gewalt. Hier stehen die Medien vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Als Journalisten haben wir die Pflicht, über größere Anschläge – von New York, über Madrid und London, von Israel bis zum Irak - zu berichten, sie abzubilden. Doch damit tun wir genau das, was der Terrorismus will: wir geben ihm, nolens volens, ein Forum. Wir helfen ihm dabei, Angst und Schrecken zu verbreiten. Kurz: Wir laufen Gefahr, uns zu Instrumenten des Terrors zu machen. Eine Zerreißprobe. Die Suche nach dem goldenen Mittelmaß, - da, wo es keine Mitte gibt.

Wann, wenn nicht hier, gilt es den berühmten Ausspruch Martin Luthers aus dem Jahr 1521 zu zitieren: „Hier stehe ich! Ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“

Wie kann man einer solchen Aufgabe gerecht werden? Wie bewältigen wir sie, schon rein quantitativ, bei einer Flut von cirka 2000 relevanten Meldungen täglich? Wie machen wir daraus 28 Minuten "heute-journal"? Was ist meldenswert für den Tag, was bewahrenswert über den Tag hinaus? Wo finden wir Orientierung? Wie geben wir Orientierung? Was sind die Koordinaten, die Kriterien, die Grundregeln, welche Gebote gelten für den Journalisten?

ZDF-Intendant Markus Schächter hat mir dankenswerterweise seine "10 Gebote für einen Journalisten" zukommen lassen, die ich hier kurz wiedergeben darf. Ein schönes Beispiel für meine tägliche Arbeit: seine halbstündigen Ausführungen zu einem Grundwertekanon möchte ich Ihnen in gebotener Kürze präsentieren: das, was der Intendant den Journalisten mit seinem Dekalog quasi als publizistisches Ethos auferlegt, zusammengefasst zu vier Spiegelstrichen:

- Du sollst wahrhaftig sein: im Umgang mit Informationen, sowohl bei der Recherche als auch bei der Präsentation.

- Du sollst die Menschenwürde wahren: im Verzicht auf Sensationsjournalismus, Skandalisierung und Diskriminierung.

- Du sollst authentisch und unparteiisch sein: reflektierend, kritisch und ohne zielgruppen-journalistische Unfairness.

- Du sollst im Umgang mit Bildern ehrlich sein: obligatorische Zusatzinformationen schützen bei tendenziösem oder missverständlichen Bildmaterial.

Soweit die Worte meines Intendanten!

Ganz persönlich darf ich diese um weitere Punkte ergänzen:

- Du sollst Deiner Verantwortung gerecht werden: gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem: die Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Systems im Vergleich zu privaten Anbietern, muss täglich verdient und verteidigt werden.

- Du sollst Auflagen und Selbstverpflichtungen zum Erhalt und zur Steigerung der journalistischen Qualität ernst nehmen. Sie sind wichtige Grundbedingungen, nicht nur politisch korrekte Lippenbekenntnisse. Dies gilt im übrigen auch für den Verzicht auf so genannte Schleichwerbung.

- das Verhältnis von Medien und Kirchen soll keine Einbahnstraße sein. Neben vielfältigen kirchlichen Publikationen selbst ist auch die Aufsichtspflicht der Kirchen als gesellschaftlich relevante Gruppe in den Rundfunk- und Fernsehräten eine wichtige und verantwortungsvoll wahrzunehmende Aufgabe.

Mit der Einhaltung dieser Gebote für Journalisten realisieren Informationsmedien die Verantwortung, von der ich immer wieder sprach, - als eines der Zahnräder, die die Gesellschaft weiterdrehen. In einer Zeit rabiaten sozialen Wandels, in einer Welt wirtschaftlicher Umbrüche, mit einer immer komplexeren und komplizierteren Wirklichkeit suchen die Menschen Antworten auf die drei großen Fragen "Arbeit", "Alter" und "Gesundheit".

Gewaltige Herausforderungen auch für die journalistischen Dolmetscher. Es steht ein Berg voll Arbeit und Verantwortung vor Politik und Wirtschaft, Medien und Gesellschaft. Die Kirchen sind dabei Motor und Anker gleichermaßen, Werkstatt und Heimathafen. Sie müssen Orientierung bieten - genau wie die Journalisten.

Gemeinsame Werte in Journalismus und Christentum also, die ich zum Abschluss mit folgenden Stichworten festhalten darf.

Als ein letztes Beispiel für die unabdingbare journalistische Verdichtung, die den Redaktionsalltag prägt.

Als stete Gratwanderung zwischen äußerster inhaltlicher Konzentration und dem Verlust von Eindeutigkeit oder Verständlichkeit:

Achtung der Menschenwürde,

Dialog und Toleranz,

Gerechtigkeit und Solidarität

Wahrhaftigkeit und Überparteilichkeit.

Das sind Schlüsselbegriffe eines friedlichen Miteinanders, dem Journalisten mit ihrer Arbeit dienen, ebenso wie die Kirchen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!