"Frauen in der Kirche werden von Wittenberg mit profitieren"

Interview mit Oberkirchenrätin Karin Kessel, Speyer, zum EKD-Zukunftskongress

Evangelische Kirche der Pfalz

07. Februar 2007

Frage: Frau Oberkirchenrätin, der Zukunftskongress der EKD wurde von viel öffentlicher Aufmerksamkeit begleitet. Welche persönlichen Eindrücke und welche inhaltlichen Anregungen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der evangelischen Kirche bringen Sie von Wittenberg mit?

Antwort: Viel guten Willen und die Bereitschaft, bei den bereits begonnenen und noch anstehenden Maßnahmen zur Gestaltung der Zukunftsfähigkeit der Kirche über die gliedkirchlichen Grenzen hinweg eine Verständigung und Abstimmung herbeizuführen. In jeder Landeskirche sind in den vergangenen Jahren bereits Veränderungsprozesse initiiert worden, sei es die Festlegung von Qualitätskriterien für die Aus-, Fort- und Weiterbildung, Zielvereinbarungen auf Gemeindeebene, Konsolidierungsmaßnahmen usw.. Ein gemeinsamer Austausch über die bestehenden Probleme, Lösungsansätze sowie gemachte Erfahrungen mit Veränderungen können sich positiv auf die Schnelligkeit und die Qualität eines Veränderungsprozesses auswirken. Die Chance, die von Wittenberg ausgeht, ist eine gut koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Gliedkirchen, gliedkirchlichen Einrichtungen und gliedkirchlichen Zusammenschlüssen, damit die in Wittenberg erarbeiteten Anregungen und Handlungsansätze aufgegriffen und weiterbearbeitet werden können.

Frage: Die Tagung stand unter dem Motto "Gott spricht: Siehe, ich will ein neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?". Wurde der Kongress seinem Namen gerecht? Hatte er tatsächlich zukunftsweisenden Charakter?

Antwort: "Zukunftsweisender Charakter" vermittelt für mich den Eindruck, als lägen bereits fertige Ergebnisse auf dem Tisch, die jetzt nur noch umgesetzt werden müssten. So ist der Zukunftskongress in Wittenberg nicht zu verstehen, und das wollte er nicht leisten. Ich möchte lieber bei dem Wort Impuls bleiben, es ist ein Anstoß gegeben worden, gemeinsam mit den anderen Gliedkirchen in einen Prozess hinein zu gehen. Und am Anfang jeden Prozesses steht die Vergewisserung und Feststellung, wo stehen wir eigentlich, was zeichnet uns als Gliedkirchen gegenwärtig aus und wie kann eine landeskirchliche Grenzen überschreitende Zusammenarbeit aussehen.

Frage: Hat der erhoffte Austausch mit den anderen Landeskirchen stattgefunden?

Antwort: Ja, ich bin dankbar für die kritische Auseinandersetzung mit dem Impulspapier. Gerade im Hinblick auf kirchengemeindliche Strukturen wurde hinterfragt, ob Bewährtes ausreichend gewürdigt wurde. Die weit gehend gut funktionierende parochiale Struktur, die den Gemeindegliedern das Gefühl von Zugehörigkeit, Vertrautheit und Beheimatung vermittelt, sollte nicht radikal zugunsten von Profil- und Netzwerkgemeinden verändert werden, mit der Gefahr, gut funktionierende Strukturen zu zerschlagen. Oder die kritische Hinterfragung, ob größere, zentrale Organisationseinheiten, sei dies nun in Bezug auf einzelne Arbeitsbereiche oder sogar in Bezug auf den Zusammenschluss von Gliedkirchen, tatsächlich zu einer Kosteneinsparung und damit zu einem besseren Verwaltungsmanagement führen.

Frage: Bietet das EKD-Impulspapier, das auf dem Kongress diskutiert wurde, auch den Frauen in der Kirche neue Perspektiven?

Antwort: Alleine die Zahl der teilnehmenden Frauen ist für mich schon eine ermutigende Perspektive. In einem Artikel der FAZ wurde zwar kritisch angemerkt, dass nach Wittenberg 308 Mitglieder eingeladen seien, darunter aber nur 98 Frauen, was ein schlechtes Geschlechterverhältnis sei. Ich war positiv überrascht, dass ein Drittel der Teilnehmenden Frauen waren, und dies noch angesichts der Tatsache, dass hauptsächlich Vertreter aus Kirchenleitungen und Kirchen leitenden Organen anwesend waren. Anerkennenswert ist, dass auch in den Foren und Arbeitsgruppen Frauen jeweils anteilmäßig repräsentiert waren. Dies bot den Frauen die Möglichkeit, eine geschlechtergerechte Sichtweise in den jeweiligen Themenbereich mit einzubringen. Es gab zwar kein Forum, dass sich ausschließlich mit dem Thema Frauen oder Familie beschäftigte, aber soweit es um die Qualifizierung von Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ging, zählen Frauen mit zu den Zielgruppen und werden bei einer Umsetzung der angeregten Veränderungen mit profitieren.

Frage: Konnten Sie sich mit andern Frauen in kirchlichen Führungspositionen austauschen?

Antwort: Ich freue mich immer auf Begegnungen mit Kolleginnen aus anderen Gliedkirchen. Es waren auch einige Kolleginnen da, die in vergleichbaren Verantwortungs- und Aufgabenbereichen arbeiten. Wir tauschen uns sehr offen miteinander aus. In Wittenberg waren durchaus Meinungsverschiedenheiten auszumachen, etwa hinsichtlich der Frage, was macht eine Landeskirche aus, was sind Kriterien für eine gut funktionierende Landeskirche oder wie groß muss die Finanzkraft einer Landeskirche sein. Zum Beispiel ist eine eigene theologische Ausbildungsstätte ein Wesensmerkmal für eine Gliedkirche.

Frage: Sind für Sie als Finanzdezernentin der Evangelischen Kirche der Pfalz die Prognosen des Impulspapiers nachvollziehbar?

Antwort: Die schlagwortartige Wiedergabe der Prognosen bis 2030, die Mitglieder werden um ein Drittel zurückgehen und die Kirchensteuereinnahmen werden sich halbieren, ist eine Aussage des Impulspapiers, die sich auf den Gesamtbereich der EKD bezieht, sie muss jedoch differenzierter betrachtet werden. Ballungsgebiete wie die Metropolregionen Rhein-Main, Rhein-Neckar oder Stuttgart werden einen Bevölkerungszuwachs erfahren. Die Zahl der Arbeitsplätze wird zunehmen und die Wirtschaftskraft in diesen Regionen deutlich wachsen. Dies wird auch Auswirkung auf die Kirchen haben. In einigen Regionen werden wir sogar ein Wachstum von Kirchenmitgliedern verzeichnen und damit eine Stärkung der Finanzkraft erfahren, andere Regionen werden durch demographische Veränderungen und Wanderungsbewegungen stärker geschwächt. Diese unterschiedlichen Auswirkungen werden wir auch in unserer Landeskirche zu spüren bekommen, wobei die Lage unserer Landeskirche noch als relativ günstig zu bezeichnen ist, da wir an einer Metropolregion partizipieren.

Frage: Evangelisch im 21. Jahrhundert - wie geht es nach dieser Auftaktveranstaltung weiter?

Antwort: Die Ergebnisse aus den zwölf Foren sind dokumentiert. Die aufgezeichneten Diskussionspunkte und Handlungsmöglichkeiten sind zu würdigen. Ein nächster Schritt muss eine Prioritätensetzung und eine Abstimmung darüber sein, welche Aufgaben zuerst und von wem in Angriff genommen werden sollen. Themendiät auf EKD-Ebene war ein Schlagwort auf dem Zukunftskongress. Nicht alle Anliegen können auf einen Schlag aufgegriffen werden, ein vernünftiges und maßvolles Vorgehen ist erforderlich. Spannend bleibt die Frage, welche Themen in unserer Landeskirche weiterbearbeitet werden. Es muss deshalb in unserer Landeskirche eine kontinuierliche Information und Einbindung gewährleistet werden. Auf der Frühjahrssynode werden deshalb die Teilnehmenden in Wittenberg über ihre Erfahrungen berichten.

Speyer, 07. Februar 2007

Öffentlichkeitsreferat