Von den Wüstenmönchen lernen

Tag der Württembergischen Pfarrerinnen und Pfarrer zum Thema Spiritualität

Evangelische Landeskirche in Württemberg

Viele Menschen suchten religiöse Erfahrungen in der Esoterik und in fernöstlichen Religionen, weil die christlichen Kirchen keine Wege zur Spiritualität anböten, sagte der Religionsphilosoph Peter Lipsett am 6. Oktober vor rund 300 Pfarrerinnen und Pfarrern in Schwäbisch Hall. Dabei habe das Christentum eine reiche spirituelle Tradition, die jedoch in Vergessenheit geraten sei, meinte der Frankfurter Kontemplationslehrer in seinem Vortrag zum Thema „Kontemplation und christliche Meditation“ beim Tag der Württembergischen Pfarrerinnen und Pfarrer.

Menschen, die von einer „inneren Sehnsucht“ nach Spiritualität getrieben seien, kämen beim traditionellen Kirchgang oft nicht auf ihre Kosten, sagte Lipsett. Esoterik und fernöstliche Religionen wie Buddhismus und Hinduismus erschienen vielen Suchenden attraktiver, weil sie einen „klaren, einfachen Weg der Geistesschulung“ anböten. Die Kirchen könnten zwar das spirituelle Ziel, die Begegnung mit Gott, benennen, aber keinen methodischen Weg anbieten, wie dieses Ziel erreicht werden könne.

Christliche „Wege gibt es, aber sie sind vergessen“, sagte Lipsett. Besonders die Mystiker des Mittelalters und die Wüstenmönche der Alten Kirche hätten systematische Anleitungen zur Meditation und Kontemplation gegeben. So etwa das „Leitformelgebet“, das ständige Wiederholen einer kurzen Gebetsformel, bei dem auch auf das richtige Ein- und Ausatmen geachtet wird.  Dieses Wissen müsse die Kirche wieder entdecken und neu beleben. Lipsett regte an, Pfarrerinnen und Pfarrer durch Fortbildungen mit Methoden der Meditation vertraut zu machen und das Thema Spiritualität in die Theologen- und Pfarrerausbildung aufzunehmen.

Lipsett wies auch darauf hin, dass die Kirche heute kaum verstanden werde, wenn sie von Glauben und Spiritualität rede. „Vielleicht muss eine neue Sprache gefunden werden, um sich dem neuzeitlichen Denken verständlich zu machen“, sagte er.

Peter Lipsett ist promovierter Religionsphilosoph und Jurist und leitet die Schule für christliche Meditation und Kontemplation in Frankfurt am Main.

Stuttgart, 08. Oktober 2003

Klaus Rieth
Pressesprecher