Scharfer kirchlicher Protest gegen ausbeuterische Kinderarbeit.

Politik und Gesellschaft soll „unerträglichen Skandal“ brandmarken

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

01. Oktober 2003

Steinpflaster aus Indien, bei vielen Kommunen beliebt, weil es billig ist, wird zum größten Teil von Kindern gebrochen und behauen. Dieses „besonders augenfällige“ Beispiel wird in einer Erklärung „gegen ausbeuterische Kinderarbeit“ angeführt, die das Landeskomitee der Katholiken in Bayern und der Landessynodalausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am Mittwoch, 1. Oktober in München veröffentlichten. Weltweit litten etwa 180 Millionen Kinder an den schlimmsten Folgen von Kinderarbeit, heißt es in der Erklärung.

Vor allem in Asien gebe es ein „hundertfaches Millionenheer arbeitender Kinder unter 14 Jahren, die am Arbeitsplatz hemmungslos ausgebeutet und wie Sklaven gehalten werden“. In Afrika würden Tausende sogenannter „Kindersoldaten“ zum grausamen Kriegsdienst eingesetzt. Nur mit einem neuen Problembewusstsein sei der Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit erfolgreich zu führen. Zwar gebe es hilfreiche einzelne Projekte und Modelle international tätiger Institutionen und Firmen. Diese reichten aber bei weitem nicht aus, die globale Verbreitung ausbeuterischer Kinderarbeit nachhaltig zu reduzieren.

Landessynodalausschuss und Landeskomitee fordern jetzt, dass alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen öffentlich gegen ausbeuterische Kinderarbeit protestieren. Sie sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene Initiativen ergreifen oder an Maßnahmen zur Abschaffung ausbeuterischer Kinderarbeit mitwirken. So müssten konkret gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass Unternehmen entsprechend internationalen Vereinbarungen die notwendigen Sozialstandarts einhalten. Dazu gehörten die Zahlung eines gesetzlichen Mindestlohns und Auflagen für Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Schon 1989 sei das Recht auf Schutz vor Ausbeutung im Artikel 32 der Kinderrechtskonvention festgeschrieben worden. Daher sei es ein „unerträglicher Skandal“, wenn trotz dieser Vereinbarung die Würde heranwachsender Kinder mit Füßen getreten werde.

München, 1. Oktober 2003

Andrea Seidel
Pressesprecherin

Nachfolgend die gemeinsame Erklärung:


Gegen ausbeuterische Kinderarbeit

Um eine breite Öffentlichkeit zu gewinnen, sich für die Abschaffung ausbeuterischer Kinderarbeit einzusetzen, wenden sich Landeskomitee und Landessynodalausschuss gemeinsam mit einer Stellungnahme an alle relevanten politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen.

Nicht jede Kinderarbeit ist inhuman. Es geht deshalb nicht um eine Aufforderung zum Boykott der Kinderarbeit ganz generell und undifferenziert. Es geht um die Abschaffung der globalen ausbeuterischen Kinderarbeit. In Asien gibt es z.B. ein hundertfaches Millionenheer arbeitender Kinder unter 14 Jahren, die am Arbeitsplatz hemmungslos ausgebeutet und wie Sklaven gehalten werden. In Afrika werden Tausende von Kindersoldaten zum grausamen Kriegsdienst eingesetzt. Nach den Informationen des Internationalen Arbeitsamtes (ILO) leiden weltweit etwa 180 Millionen Kinder an den schlimmsten Folgen der Kinderarbeit. Besonders augenfällig wird die Problematik am Beispiel der bei vielen Kommunen beliebten, weil billigen Steinpflaster aus Indien, die zum größten Teil von Kindern gebrochen und behauen werden. Nur mit einem neuen Problembewusstsein ist der Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit erfolgreich zu führen.

Einzelne Modelle international tätiger Institutionen und Firmen verdienen Anerkennung. Sie versuchen, mit eigenen Konzepten die ausbeuterische Kinderarbeit zurückzudrängen. Beispielhaft seien genannt:

  • Das Nürnberger Bündnis „Fair Toys“ – die Bündnispartner unterwerfen sich einem Verhaltenskodex, um eine Beachtung der nationalen und internationalen Arbeitsgesetze bei der Spielwarenproduktion zu erreichen.
  • In der Landeshauptstadt München soll ein Stadtratsbeschluss verhindern, dass die Kommune Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit einkauft.
  • Das Konzept des Handelskonzerns C&A verfolgt ähnliche Ziele beim Einkauf von Textilien in Ländern der so genannten „Dritten Welt“.
  • Bestimmte Warenzeichen (wie das Rugmark-Siegel für Teppiche) garantieren zwischenzeitlich, dass Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind.

Die hilfreichen einzelnen Projekte - so lobenswert sie sind - reichen bei weitem nicht aus, die globale Verbreitung ausbeuterischer Kinderarbeit nachhaltig zu reduzieren. Sie sind ein Anfang, der in die richtige Richtung weist.

Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern und der Landessynodalausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern fordern alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen auf, öffentlich gegen ausbeuterische Kinderarbeit zu protestieren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene Initiativen dagegen zu ergreifen oder an Maßnahmen zur Abschaffung mitzuwirken. Konkret müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass Unternehmen die Sozialstandards einhalten, wie sie weltweit von 100 Staaten in Artikel 3 der ILO-Konvention 182 von 1999 eingefordert wurden: die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes sowie grundlegende Standards der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes. Das Recht auf Schutz vor Ausbeutung wurde bereits in Artikel 32 der Kinderrechtskonvention von 1989 festgeschrieben. Es ist ein unerträglicher Skandal, wenn trotz dieser Vereinbarungen die Würde heranwachsender Kinder mit Füßen getreten wird.

Vom Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern in seiner Sitzung am 8. September 2003 einstimmig verabschiedet; vom Landessynodalausschuss in der Sitzung vom 19. September 2003