Bachelor-Abschluss keine Berufsqualifikation für den Pfarrdienst

Europäische Ausbildungsexperten tagten in Berlin

Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)

Europäische Ausbildungsexperten berieten vom 20. bis 23. September in Berlin über "Die Ausbildung zum ordinationsgebundenen Amt in der Leuenberger Kirchengemeinschaft" - Für Festlegung europaweiter verbindlicher Standards bei der Prüfung angehender Pfarrerinnen und Pfarrer

Das Kommuniqué vom 23. September im Wortlaut:

"In der Zeit vom 20. bis 23. September 2003 fand im Dietrich Bonhoeffer-Haus in Berlin eine internationale Konsultation zum Thema ,Die Ausbildung zum ordinierten Amt in der Leuenberger Kirchengemeinschaft' statt. Der Einladung waren Experten für die theologische Ausbildung aus 15 europäischen Ländern gefolgt. Mit der Vorbereitung und Durchführung der Konsultation war die im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tätige Gemischte Kommission zur Reform des Theologiestudiums (Fachkommission I) vom Exekutivausschuss der Leuenberger Kirchengemeinschaft beauftragt worden.

In der Leuenberger Konkordie, mit der sich die lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in Europa 1973 gegenseitige Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklärt haben, ist die gegenseitige Anerkennung der Ordination ausgesprochen. In den beteiligten Kirchen wird zunehmend nach den praktischen Konsequenzen solcher Anerkennung gefragt. Von großem Interesse ist die Klärung gemeinsamer Standards für die theologischen Ausbildungsgänge, die den Hochschulwechsel quer durch Europa und die gegenseitige Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen erleichtern, die Kombinierbarkeit unterschiedlicher Ausbildungsformen gestatten und den Austausch sowie gegebenenfalls auch die Übernahme von Pfarrerinnen und Pfarrern vereinfachen. Im Zusammenhang mit den bildungspolitischen Programmen der europäischen Kultusminister seit der Konferenz von Bologna (1999) - unmittelbar vor der Konsultation hatte gerade in Berlin eine Folgekonferenz stattgefunden - ist das Gewicht dieser Fragen weiter angewachsen.

In seinem Eröffnungsvortrag verdeutlichte Prof. Dr. André Birmelé (Straßburg) die Impulse, die sich aus der Leuenberger Konkordie und der dazugehörigen Ekklesiologiestudie von 1994 für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern ergeben. Präsident Dr. Wilhelm Hüffmeier (Berlin) und Prof. Dr. Viorel Ionita (Genf) beleuchteten die kirchlichen Kontexte der theologischen Ausbildung, einerseits in der Perspektive der Leuenberger Kirchengemeinschaft, andererseits in der Perspektive der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Breiten Raum nahm der Erfahrungsaustausch über unterschiedliche Modelle theologischer Ausbildung in Europa ein. Prof. Dr. Peter Balla (Budapest) berichtete über Mittel- und Osteuropa, Pfarrer Hans Strub (Zürich) über die Lage in der Schweiz; Prof. Dr. Aila Lauha (Helsinki), Prof. Dr. Trond Skard Dokka (Oslo) und Prof. Dr. Else Marie Wiberg Pedersen (Aarhus) stellten unterschiedliche Ausbildungskonzepte aus den skandinavischen Ländern vor. Die Gesprächsforen, die von Prof. Dr. Juraj Bándy (Bratislava), Prof. Dr. Michael Beintker (Münster), Prof. Dr. Robert Schelander (Wien) und Prof. Dr. Willy Willems (Brüssel) vorbereitet worden waren, thematisierten die der Ausbildungsorganisation zugrundeliegenden Leitkonzepte und damit zusammenhängend Zugangsmöglichkeiten zur Ordination, Voraussetzungen für die Kompatibilität von Studiengängen und -abschlüssen, Modelle einer konsekutiven Studienstruktur, Verfahren bei der Evaluation in der theologischen Ausbildung und Fragen der Qualitätssicherung.

Die Präsentation der heute in den verschiedenen Regionen Europas praktizierten theologischen Ausbildungsgänge zeigte große Übereinstimmungen im Grundsätzlichen und machte deutlich, dass überall ein in der Regel fünf-, häufig auch sechsjähriges, Hochschulstudium für die Einstellung als Pastor/Pfarrer bzw. Pastorin/Pfarrerin Voraussetzung ist. Mit großer Übereinstimmung wurde betont, dass die Ausstrahlung des Protestantismus in Europa maßgeblich von der Qualität der theologischen Ausbildung mitbestimmt wird und dass an ihr Niveau hohe Qualitätsmaßstäbe angelegt werden müssen. Das zum Pfarramt führende Theologiestudium schließt Kenntnisse der Alten Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein ein. Das Festhalten an dieser Anforderung ist auch als ein Beitrag zur Wahrung und Pflege des kulturellen Erbes Europas zu betrachten. Daher werden an vielen Orten für das Erlernen der Alten Sprachen zwei zusätzliche Semester für wünschenswert erachtet. Im Blick auf die Forderung der Konferenz der europäischen Kultusminister, bis 2010 in Europa generell die konsekutiven Studiengänge (Bachelor/Master) einzuführen, wird mit großem Nachdruck empfohlen, als Voraussetzung für die Einstellung als Pfarrer oder Pfarrerin mindestens den Masterabschluss festzuschreiben. Ein schon nach einem dreijährigen Studium erreichbarer Bachelorabschluss kann nicht als Berufsqualifikation für den Pfarrdienst gelten, da er die europaweit von den evangelischen Kirchen geforderten Ausbildungsstandards nicht erfüllt. Diese Feststellung bedeutet, dass der Masterstudiengang allen Studierenden, die den Pfarrdienst anstreben, offengehalten und einer Quotierung des Übergangs von der Bachelor- zur Masterphase energisch widersprochen werden muss.

In Aufnahme der Aufforderung der europäischen Kultusministerkonferenz haben sich die an der Konsultation Beteiligten darauf verständigt, dass in zügigen Arbeitsschritten gemeinsame, europaweit verbindliche Standards für die Inhalte und Prüfungen des Theologiestudiums, das zur Ordination innerhalb der Kirchen der Leuenberger Kirchengemeinschaft führt, entwickelt werden. Dazu sollte ein geeignetes Gremium der Leuenberger Kirchengemeinschaft geschaffen werden. Bei der Entwicklung neuer Studienordnungen im Rahmen des Bolognaprozesses muss den Aspekten der Kompatibilität, Mobilität, Hochschuldidaktik und Transparenz Rechung getragen werden. Nur Studienordnungen, die den zu vereinbarenden Standards entsprechen, können von den theologischen Ausbildungseinrichtungen und den Kirchen anerkannt werden.

Es wird begrüßt, dass sich die theologischen Fakultäten vermehrt an interdisziplinären und internationalen ökumenischen Studienprogrammen beteiligen und dass sie im Zuge des Aufbaus religionswissenschaftlicher und ethischer Studiengänge aktiv mitwirken und ihre Kompetenzen in der Reflexion gelebter Religiosität und verantwortlicher Lebensführung zur Geltung bringen. Ebenso sollten sie verstärkt mit den Kirchen bei der Entwicklung von theologischen Fort- und Weiterbildungsprogrammen zusammenarbeiten.

Der Austausch über Fragen der theologischen Ausbildung und ihrer Organisation wird fortgesetzt werden. Für 2006 wurde die nächste Konsultation in Aussicht genommen.

Hannover, 24. September 2003

Udo Hahn
Pressesprecher