Zum Erntedank: Warnung vor Preisdumping

Gemeinsame Erklärung von Kirchen und Landwirtschaft

Evangelische Kirche von Westfalen

29. September 2005

Vor dem zunehmenden Preisdruck bei Lebensmitteln warnen die Kirchen und der Landwirtschaftsverband in Westfalen und Lippe. In einer gemeinsamen Erklärung zum Erntedankfest weisen sie auf die Gefahr hin, dass unter dem Preisdumping im Einzelhandel auf Dauer die Qualität leiden könnte. Eine weitere Konzentration im Lebensmittelhandel würde am Ende auch dem Verbraucher schaden, heißt es in dem Text.

Gemeinsam mit dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband bekennen sich die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche mit dem Erzbistum Paderborn sowie den Bistümern Essen und Münster zum Erntedankfest (Sonntag, 2. Oktober) zur heimischen Landwirtschaft.

Pro Jahr müssten vier Prozent der bäuerlichen Betriebe in der Region aufgeben, weil sie der Konkurrenz ausländischer Billigproduzenten nicht gewachsen sind, hält die Erklärung fest. „Unsere Nahrungsmittel in Deutschland sind heute preiswerter denn je. Nie zuvor mussten die Menschen weniger Geld ausgeben für die Ernährung ihrer Familien mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln.“ Als Gründe werden der Produktivitätsfortschritt der heimischen Bauern in den letzten Jahrzehnten, ein immer stärker liberalisierter Weltagrarmarkt und „ein mit unverminderter Härte geführter, gnadenloser Preiskrieg im Lebensmitteleinzelhandel“ genannt.

Um die heimische Landwirtschaft in der Fläche zu erhalten und ihr eine Zukunft zu geben, brauche sie die Unterstützung durch Gesellschaft und Politik. „Als Verbraucher müssen wir uns mehr zu unseren Landwirten und den von ihnen erzeugten Produkten bekennen. Durch unseren Lebensstil, unser tagtägliches Kaufverhalten entscheiden wir selbst über die Zukunft unserer Bauern und unserer ländlichen Räume“, erklären Kirchen und Landwirtschaftsverband. Die landwirtschaftlichen Arbeitsplätze zeichneten sich durch große Standorttreue aus: „Bauern verlagern keine Betriebe in das häufig kostengünstigere Ausland und stabilisieren dadurch unseren Arbeitsmarkt in einer Phase, wo wir jeden Arbeitsplatz dringend brauchen.“

Die Erklärung im Wortlaut:

„Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun: Denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist“.
(Galaterbrief 6, 9)

Gemeinsame Erklärung zum Erntedankfest 2005

Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband, Erzbistum Paderborn, Bistum Münster und Bistum Essen, Evangelische Kirche von Westfalen und Lippische Landeskirche

Eine nachhaltige Landwirtschaft als Auftrag

Die Achtung vor der Schöpfung verlangt von allen Menschen den respektvollen Umgang mit der Natur und ihren Gaben. Sie ist eine zentrale Voraussetzung für die anhaltende Fruchtbarkeit und Gesundheit des Bodens und des Viehs, der Grundstein für all das, was heute als nachhaltiges Wirtschaften bezeichnet wird.

Die Landwirte und ihre Familien in Westfalen-Lippe fühlen sich der Schöpfung verpflichtet. Sie bewirtschaften ihre ererbten Höfe in der Hoffnung und der Verantwortung, diese eines Tages an den Sohn oder die Tochter weitergeben zu können, wie es das traditionelle Selbstverständnis der Bauern verlangt. Der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft, das nachhaltige Wirtschaften in einer über die Jahrhunderte gestalteten Kulturlandschaft, ist hierfür die Basis.

In diesem Jahr sind wir erneut daran erinnert worden, dass gute Ernten und die ausreichende Versorgung der Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln keine Selbstverständlichkeit sind. Der nasse Sommer hat in ganz Deutschland zu Ernteeinbußen geführt. Der Tsunami in Südasien zur Jahreswende, die Überschwemmungen in der Alpenregion und in Rumänien, und besonders der Hurrikan „Katrina“ im Süden der USA haben unvorstellbare Verwüstungen hinterlassen. Wir bleiben Teil der Schöpfung und ausgesetzt dem Wirken der Natur.    

Landwirtschaft schafft Arbeitsplätze und Werte in der Region

Unsere heimische Landwirtschaft ernährt mit ihren unter hohen Standards erzeugten Qualitätsprodukten Menschen in Deutschland und in immer stärkerem Maße auch darüber hinaus. Sie garantiert insbesondere in unseren ländlichen Gebieten viele Arbeitsplätze in den vor- und nachgelagerten Bereichen und entlang der Lebensmittelkette. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, auch wenn globale Warenströme und der Fortschritt in Züchtung, Land- und Produktionstechnik den Eindruck erwecken, dass Lebensmittel heute in jeder Form und grenzenlos verfügbar sind.

Die Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft zeichnen sich aus durch eine hohe Treue zu ihren heimatlichen Standorten. Bauern verlagern keine Betriebe in das häufig kostengünstigere Ausland und stabilisieren dadurch unseren Arbeitsmarkt in einer Phase, wo wir jeden Arbeitsplatz dringend brauchen.

Landwirtschaft muss sich im globalen Wettbewerb behaupten

Unsere Nahrungsmittel in Deutschland sind heute preiswerter denn je. Nie zuvor mussten die Menschen weniger Geld ausgeben für die Ernährung ihrer Familien mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Der gewaltige Produktivitätsfortschritt unserer heimischen Bauern in den letzten Jahrzehnten, ein immer stärker liberalisierter Weltagrarmarkt und ein mit unverminderter Härte geführter, gnadenloser Preiskrieg im Lebensmitteleinzelhandel sind hierfür die wesentlichen Gründe.

Unsere Bauern stellen sich diesem harten Wettbewerb, der durch die jüngsten Reformen in der Agrarpolitik noch weiter an Schärfe gewonnen hat. Trotz mancher Hilfe des Staates müssen heute Jahr für Jahr fast 4 Prozent unserer Betriebe für immer die Tore schließen, da sie der starken Konkurrenz ausländischer Billigkonkurrenten nicht mehr gewachsen sind.

Viele heimische Bauern und ihre Familien begehen das Erntedankfest 2005 daher in Sorge um ihre Zukunft. Wie viele von der Landwirtschaft abhängige Wirtschaftsbereiche stehen sie unter einem sehr starken Anpassungsdruck und angesichts von dramatischen Einkommensrückgängen häufig vor einer ungewissen Zukunft. Der Preisdruck des sich immer weiter konzentrierenden Einzelhandels führt zu einem Preisdumping, aus dem auf Dauer ein Qualitätsproblem erwachsen könnte. Sollten sich im Lebensmitteleinzelhandel gar Markt beherrschende Strukturen herausbilden, wäre auch der Preisvorteil für die Verbraucher dahin. Dem gilt es entgegen zu wirken.

Die Zukunft gemeinsam sichern

Um unsere heimische Landwirtschaft in der Fläche zu erhalten und ihr eine Zukunft zu geben, braucht sie die Unterstützung durch Gesellschaft und Politik. Als Verbraucher müssen wir uns mehr zu unseren Landwirten und den von ihnen erzeugten Produkten bekennen. Durch unseren Lebensstil, unser tagtägliches Kaufverhalten entscheiden wir selbst über die Zukunft unserer Bauern und unserer ländlichen Räume. Unsere Bauern brauchen  den Rückhalt und die Anerkennung der Menschen in Stadt und Land für ihre verantwortungsvolle Arbeit mit und in der Natur.

Aber auch die Politik muss ihren Anteil leisten, einen fairen und verlässlichen Rahmen setzen für die wirtschaftenden Bauern bei uns in Deutschland und der EU, aber auch in den Schwellenländern und der unterentwickelten Welt. Das schließt eine gerechte Wirtschaftsordnung für die Länder des Nordens und des Südens ein. Politik muss insbesondere und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Zusagen einhalten, auf die sich unsere Bauern bei wichtigen Investitionen verlassen haben. Nur wenn dies gewährleistet ist, hat auch unsere heimische bäuerliche Landwirtschaft eine Zukunft, und nur dann kann sie in einem immer härteren Wettbewerb weiter ihre vielfältigen Leistungen für die Gesellschaft erbringen.

Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband und die Kirchen werden sich weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass uns eine vitale Landwirtschaft und lebendige ländliche Räume erhalten bleiben.

Franz-Josef Möllers
Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands e.V.

Hans-Josef Becker
Erzbischof von Paderborn

Dr. Reinhard Lettmann
Bischof von Münster

Dr. Felix Genn
Bischof von Essen

Alfred Buß
Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen

Gerrit Noltensmeier
Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche

Bielefeld, 29. September 2005

Andreas Duderstedt
Pressesprecher