Glaube braucht einen Ort

Den Rückweg erleichtern: Tagung über evangelische Wiedereintrittsstellen

Evangelische Kirche von Westfalen

03. November 2006

Renate Schmidt

18 Jahre nachdem sie ihre evangelische Kirche verlassen hatte, entschloss sich Renate Schmidt zum Wiedereintritt. Geärgert hatte sie sich schon als Schülerin, als Konfirmandin, dass immer nur vom drohenden und strafenden Gott die Rede war. Später erlebte sie Kirche hauptsächlich als Verbündete der Mächtigen und Reichen. Aber das änderte sich gründlich. 1993, als prominente Politikerin, kehrte Renate Schmidt wieder in die Kirche zurück. Über ihre Beweggründe und über ihre nach wie vor kritischen Fragen sprach sie auf einer Tagung zum Thema (Wieder-)Eintritt, veranstaltet von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Zusammenarbeit mit der rheinischen und der westfälischen Landeskirche am Donnerstag (2.11.) in Düsseldorf.

125 Stellen für den Wiedereintritt in die evangelische Kirche gibt es mittlerweile in Deutschland. Allein in der Evangelischen Kirche von Westfalen sind es 26. In Ergänzung zu den örtlichen Kirchengemeinden, wo nach wie vor die meisten Menschen wieder aufgenommen werden, sind die Eintrittsstellen ein *niederschwelliges“ Angebot. Denn oft hindern Hemmungen und Scheu den Gang zum zuständigen Gemeindepfarrer, den man vielleicht durch den Austritt aus der Kirche gekränkt haben könnte oder von dem man unbequeme Fragen fürchtet.

Die Zahl der Eintritte in die evangelische Kirche steigt. In Westfalen waren es im Jahr 2000 noch etwas mehr als 5.000, fünf Jahre später fast 6.300. Die meisten, die den Weg zurück finden, sind zwischen 30 und 50 Jahre alt und *haben den Wunsch, etwas in ihrer Lebensbilanz in Ordnung zu bringen“, wie der Thüringer Landesbischof Dr. Christoph Kähler sagte. So war es auch bei Renate Schmidt. Ihren Glauben habe sie immer behalten, erklärte die frühere Familienministerin. Doch viele gute Erfahrungen ließen bei ihr die Überzeugung reifen, *dass Glaube auch einen Ort braucht, dass Kirche mehr ist als eine Institution zum Zwecke der Einmischung in Politik und Gesellschaft: ein Ort der Seelsorge, also der Sorge um meine Seele, ein Ort der Einkehr, also der Möglichkeit, in meinem Inneren nicht nur meine Mitte, sondern Gott zu finden.“ Damit Kirche diesem Anspruch gerecht werde, muss sie nach Schmidts Überzeugung in verständlicher Sprache auf die Sorgen und Nöte der Menschen eingehen, ansprechende Formen der Spiritualität entwickeln und für Außenstehende durchschaubarer werden.

Wer in einer Wiedereintrittsstelle den Schritt zurück in die Kirche tun will, bringt den Personalausweis mit und, wenn vorhanden, die Taufbescheinigung. In aller Regel sind es Pfarrerinnen oder Pfarrer, die dann ein verbindliches Seelsorgegespräch führen. Das heißt: Die Entscheidung wird ernst genommen. Es bedeutet nicht, dass die Eintrittswilligen das Glaubensbekenntnis aufsagen müssen * diese Befürchtung und die Angst vor einer Blamage gibt es durchaus. Über den Mindest-Qualitätsstandard des Seelsorgegesprächs waren sich die Tagungsteilnehmer aus ganz Deutschland einig. Die Wiedereintrittsstellen bieten also eine unbürokratische Möglichkeit, sind aber keineswegs ein *Billigangebot“, wie Bischof Kähler sagte. Es genügt nicht, nur eben mal schnell ein Formular zu unterschreiben. Auf der anderen Seite muss die Ortsgemeinde den *Rückkehrer“ mit einem deutlichen Willkommen begrüßen und ihn einladen, ohne ihn zu vereinnahmen.

Bielefeld, 03. November 2006

Andreas Duderstedt
Pressesprecher