„Einigkeit bedeutet nicht uniforme Einheitlichkeit“

Kirchenpräsident Klassohn zum 15. Jahrestag des Mauerfalls

Evangelische Landeskirche Anhalts

Angesichts wirtschaftlicher und sozialer Probleme in Deutschland hat Kirchenpräsident Helge Klassohn zum 15. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November dazu aufgerufen, der Verzagtheit keinen Raum zu geben, sondern Aufrichtigkeit und Mut im Zusammenleben zu zeigen. „Vor 15 Jahren waren wir uns einig und haben uns selbst befreit“, sagte der Kirchenpräsident. „Wir haben gelernt, die Wahrheit zu sagen und zu ertragen, wir haben die Angst vor großen Bossen und vielen kleinen egoistischen Machthabern abgelegt. Wir wollten die Demokratie, die Geltung des Rechts und Herrschaft der Freiheit. Wir können weiter stolz darauf sein, dass wir dies gegen alle Befürchtungen und ohne Blutvergießen erreicht haben.“

„Einigkeit und Recht und Freiheit“ müssten in Deutschland jedoch immer wieder neu errungen werden, sagte Klassohn und erinnerte an Entsolidarisierung und mangelndes Vertrauen in demokratische Institutionen und Parteien am Anfang des unheilvollen deutschen Weges in den Nationalsozialismus. „Wohin das führen kann, daran erinnert uns schmerzhaft die Zerstörung jüdischen Lebens in Deutschland mit dem ersten Höhepunkt am 9. November 1938.“

Einigkeit im vereinten Deutschland bedeute aber keineswegs „uniforme Einheitlichkeit“, betonte der Kirchenpräsident. „Es war ein Fehler, im Osten Deutschlands die in 40 Jahren in Westdeutschland gewachsenen Verhältnisse perfekt abbilden zu wollen.“ Die Menschen in Ostdeutschland bräuchten Ermutigung, Raum für Kreativität und Flexibilität zur eigenen Entwicklung und zugleich weiter solidarische Hilfe. „Aufrichtiges Erinnern an die letzten Jahre wird uns lehren, dass der Westen nicht nur gegeben, sondern auch genommen hat und dass der Osten nicht nur genommen, sondern auch gegeben hat, so wie dies auch zwischen dem Norden und Süden der Fall war und sein wird“, hob Klassohn hervor.

Keinesfalls dürften Markt und egoistischem Gewinnstreben die Gestaltung von Einigkeit und Recht und Freiheit in Deutschland überlassen werden. „Die Erneuerung unserer sozialstaatlichen Ordnung und die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit werden sich weiter an Solidarität und Gerechtigkeit orientieren müssen, auch um die Akzeptanz für unsere soziale Demokratie zu erhalten. Die jüngsten Wahlergebnisse müssen uns in unserer demokratischen Haltung deutlicher und mutiger werden lassen.“

Dessau, 05. November 2004

Johannes Killyen
Pressesprecher