Gewalt und Frieden:

Gesellschaft muss Farbe bekennen

Evangelische Kirche der Pfalz

Frieden als christliches Anliegen – diesen Auftrag nimmt die Speyerer Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz sehr genau. Und das nicht nur, weil sich die Kirchen gerade mittendrin befinden in der ökumenischen „Dekade zur Überwindung der Gewalt“, die noch bis 2010 mit vielfältigen Aktionen auf ein allgegenwärtiges Problem aufmerksam machen möchte. Eberhard Dittus von der in der Großen Himmelsgasse 3 angesiedelten Arbeitsstelle sowie der mit der Gefängnisseelsorge an der Jugendstrafanstalt Schifferstadt betraute evangelische Pfarrer Jürgen Mock-Böhringer haben ein Anliegen: Sie wollen, dass die Gesellschaft Farbe bekennt.

In diesen Tagen endete der Wettbewerb „Mit Feder und Farbe...“, der sich an inhaftierte Jugendliche, die gerne schreiben und malen, richtete. Sich was zutrauen, von der Seele reden – das falle den jugendlichen Strafgefangenen, deren Selbstwertgefühl erst behutsam wieder aufgebaut werden müsse, schwer, weiß Mock-Böhringer aus seiner langjährigen Praxis. Immerhin vier Inhaftierte haben an der JSA Schifferstadt zu Feder und Farbe gegriffen – ihre Ergebnisse sollen ebenso wie die der anderen Teilnehmer bei der nächsten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Trier im November präsentiert werden und in Buchform erscheinen. Bundesweit sind über 50 schriftliche und 40 Bild-Beiträge eingegangen. Die Aktion „Mit Feder und Farbe...“ geht übrigens auf eine Idee des 49-jährigen Dittus zurück, der seit 1993 bei der Arbeitsstelle Friedensdienst mitarbeitet.

Gewalt begegnet uns ständig – in allen Bereichen der Gesellschaft, überall auf der Welt. Kriegerische Auseinandersetzungen sind die dramatischsten Formen von Gewalt, aber auch in Familien können sich „gewaltige“ Klein-Kriege abspielen. Unermüdlich ist Eberhard Dittus an den Schulen im Bereich der pfälzischen Landeskirche unterwegs und baut Streitschlichter-Arbeitsgemeinschaften auf. Ein Projekt, das in Rheinland-Pfalz zwar bekannt sei, aber noch längst nicht an allen Schulen Fuß gefasst habe. Mehr als eine „Starthilfe“ könne er indes nicht leisten, sagt Dittus. Auch für Jürgen Mock-Böhringer spielen Schulen und Jugendgruppen bei der Friedenserziehung eine Schlüsselrolle. Neben seiner Arbeit als Gefängnis-Seelsorger referiert er vor Kindern, Jugendlichen und Lehrern sowie in Konfirmanden-Gruppen über den Umgang mit Gewalt.

Den Mut haben, friedlich auf Gewalt zu reagieren – für die meisten Inhaftierten ist das ein mühseliger Umlernprozess. Mit Courage-Trainings an der Jugendstrafanstalt Schifferstadt und der Justizvollzugsanstalt Frankenthal packen Mock-Böhringer und Dittus das Problem beim Schopf. Dreh- und Angelpunkt der Übungen ist die Stärkung des Selbstwertgefühls. Die Konzeption der Kurse, in denen die friedfertige und konstruktive Lösung von Konflikten erlernt werden soll, beruht auf Freiwilligkeit.

Rechtsextremismus und Gewalt ist ein Thema, das nach Überzeugung von Dittus und Mock-Böhringer auf keinen Fall links liegen gelassen werden darf. Parallelen und Zusammenhänge zwischen Rechtsextremismus heute und Nationalsozialismus damals führt Bildungsreferent Dittus Jugendlichen und Erwachsenen bei den von ihm organisierten Touren in ehemalige KZ’s vor Augen.

Über Toleranz nachdenken und darüber, welche Werte in der Gesellschaft noch gelten – da könne die Kirche zwischen den verschiedenen Gruppen moderieren und vermitteln, ist Dittus überzeugt. „Die Frage um Frieden und Gewalt umfasst tatsächlich unser ganzes Leben. Es geht darum, einen Weg zu finden, um Verletzungen zu vermeiden. Dafür lohnt es sich, zu arbeiten.“

Zusatz-Information: Mit dem Thema „Friedenserziehung, Gewaltüberwindung, Umgang mit Kriegs- und Terrorängsten“ befasst sich eine Sammlung von pädagogischen Informationen, biblischen Texten, Heiligengeschichte, Literatur- und Medientipps, Gottesdienstmaterialien und Adressen für die religionspädagogische Arbeit mit Kindern. Herausgeber sind die Arbeitsstelle Frieden und Umwelt (Große Himmelsgasse 3, 67346 Speyer, Telefon 06232/67150), das Diakonische Werk, Arbeitsbereich Religionspädagogik (Karmeliterstraße 20, 67346 Speyer, Telefon 06232/664218) sowie das Pfarramt für Kindergottesdienst der Evangelischen Kirche der Pfalz (Unionstraße 1, 67657 Kaiserslautern, Telefon 0631/3642217).

„Ich bin so erzogen!“ lautet der Titel einer von Eberhard Dittus zusammengestellten Ausstellung mit „Worten und Bildern zum Nachdenken“ aus dem ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass. Die Dokumentation kann zusammen mit einem Begleitheft kostenlos bei der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz, Telefon 06232/671517, ausgeliehen werden.

Speyer, 05. September 2003
Pressestelle