Glauben leben im 21. Jahrhundert

1. Europäisches Symposion der EKvW

Evangelische Kirche von Westfalen

25. September 2006

Grenzen überwinden, voneinander lernen und miteinander eine Zukunft in Europa planen: Das war das Ziel und ist zugleich die Bilanz des 1. Europäischen Symposions, das auf Einladung der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) vom 19. bis 22. September in Münster stattfand. Unter dem Motto „Glauben leben im 21. Jahrhundert – praxis pietatis für morgen“ trafen sich Mitglieder des landeskirchlichen Europaausschusses mit Vertreterinnen und Vertretern der evangelischen Kirchen in Ungarn, der Waldenserkirche in Italien sowie des Polnischen Ökumenischen Rates (PÖR). Vier Tage diskutierten sie über gelebte Frömmigkeit angesichts der länderspezifischen gesellschaftspolitischen Herausforderungen und entwickelten Impulse für ein christliches Profil in einem zusammenwachsenden Europa.

Versöhnungsarbeit und die Verständigung mit anderen Völkern spielen in der westfälischen Landeskirche seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle: Schon seit 1977 gibt es regelmäßige Konsultationen mit Polen. Die evangelischen Kirchen aus Ungarn und Italien nahmen erstmalig an den partnerschaftlichen Gesprächen teil – und schnell wurde allen Teilnehmenden klar: Trotz aller konfessionell geprägten Unterschiede gibt es ähnliche Probleme. Leidet zum Beispiel die westfälische Landeskirche unter sinkenden Mitgliederzahlen aufgrund des demografischen Wandels, lässt in Polen die massive Migration nach England und Irland Gemeindegliederzahlen schrumpfen. Mit Blick auf den in einigen Ostkirchen bereits vollzogenen Strukturwandel sagte Präses Alfred Buß auf einem Empfang am Donnerstag (21.9.): „Die praxis pietatis für morgen muss in Westfalen, in Deutschland sich einwohnen in kleiner werdende Strukturen und mit knapperen Mitteln auskommen. In diesem Prozess brauchen wir ökumenische Wegbegleitung und Gemeinschaft.“ Großes Potenzial für die Zukunft der Kirche liegt für Judith Palm, Dozentin für Ethik an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Gelsenkirchen, in der Sehnsucht des Menschen nach Spiritualität, in seiner Suche im Glauben nach Antworten auf Fragen des Lebens – verbunden mit der notwendigen, selbstbewussten Präsenz in der Öffentlichkeit.

Evangelisches Profil ganz praktisch

Wie evangelisches Profil in einem säkularen Umfeld ganz praktisch aussehen kann, erfuhren die Vertreter der sieben Kirchen auf einer Exkursion ins Ruhrgebiet: beim Besuch der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck, die sich als Stadtteilschule mit ihrer einzigartigen Architektur, einem hoch motivierten Kollegium und besonderen pädagogischen Konzept weit über die Stadtgrenzen hinaus einen guten Ruf erworben hat, und der Kapelle in der „Arena Auf Schalke“. Nur wenige Meter vom Stadioninnenraum, in dem an Spieltagen bis zu 60.000 Fans ihre Mannschaften anfeuern, bietet der ökumenisch genutzte Gottesdienstraum Rückzugsmöglichkeit und Stille. Den Leuchtturmcharakter der ungewöhnlichen Kapelle unterstreicht Pfarrer Hans-Joachim Dohm, zugleich Behindertenbeauftragter von Schalke 04, wenn er auf zahlreiche Hochzeiten, Wiedereintritte in die Kirche und inzwischen über 500 Taufen seit der Einweihung im Jahr 2001 verweist.

Mit Optimismus in die Zukunft blicken

Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg des ökumenischen Miteinanders im zusammenwachsenden Europa ist getan, und neu gewonnene Impulse machen Mut für die kirchlichen Herausforderungen der Zukunft: So lautet das Fazit, das Kirchenrat Gerhard Duncker, im Landeskirchenamt als Dezernent unter anderem zuständig für Osteuropa, und Pfarrerin Stephanie Lüders, Vorsitzende des Europaausschusses, am Ende des 1. Europäischen Symposions zogen. Kirchenrat Duncker: „Die Rahmenbedingungen haben sich nun einmal geändert – und darauf muss sich Kirche einstellen. Wir müssen weg von der Komm- und hin zur Geh-Struktur. Mit dem Sonntagsgottesdienst allein ist es nicht mehr getan. Wir müssen schneller auf tagespolitische Ereignisse reagieren, müssen die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Mit all ihren Fragen und Zweifeln. Warum soll die Gemeinde immer nur ihren Senioren gratulieren und nicht mal den jungen Leuten? Wie wäre es beispielsweise mit einem Geburtstagsbesuch des Pfarrers zum 18. statt 88. Geburtstag?“

Dunckers Hoffnung auf Kontinuität des Europäischen Symposions hat sich bereits erfüllt: Andrzej Wojtowicz, Direktor des PÖR, sprach für 2008 eine Einladung nach Masuren/Polen aus. Bis dahin, so hofft Wojtowicz, habe in seinem Land auch der notwendige Wirtschaftsaufschwung eingesetzt – „damit aus einer Patenschaft für uns mehr und mehr eine echte Partnerschaft wird.“

Bielefeld, 25. September 2006

Andreas Duderstedt
Pressesprecher