Konzentration auf Kernaufgaben

Nach dem EKD-Zukunftskongress sind die Landeskirchen am Zug

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

27. Januar 2007

Bischof Dr. Wolfgang Huber kann aufatmen. Der Kirchenkongress in der Lutherstadt Wittenberg ist erstaunlich zukunftsorientiert zu Ende gegangen. Die 15 Mitglieder des Rates der EKD, die das Papier "Kirche der Freiheit" verantworten, haben Bestätigung für den Reformkurs erhalten. Der Ratsvorsitzende Huber sagte zum Abschluss: "Unsere gemeinsamen Bemühungen um die Reform unserer Kirche verbinden unser Tun, - jetzt sind wir Kirche im Aufbruch."

Im Aufbruch waren die über 300 Delegierten aus den 23 Landeskirchen tatsächlich. Denn sie mussten sich in 12 Foren mit Prioritäten der kirchlichen Arbeit und Struktur beschäftigen: Wie können die Begegnungsorte, besonders die Kirchen, geistlich stärker wirken? Wie kann die Mitgliederorientierung verbessert werden? Welche Rolle soll künftig der Schlüsselberuf Pfarrer spielen und wie fördert man das Engagement der Laien? Wie kann Föderalismus zwischen den Kirchen wachsen?

Die Bischöfe, Kirchenpräsidenten und Präsides machten es sich mit Antworten nicht leicht. Huber brachte den Vorschlag ein, vorerst das 500. Reformationsjubiläum 2017 in Blick zu nehmen und bis dahin in weiteren "Zukunftswerkstätten" zu arbeiten, beispielsweise in Barmen bei Wuppertal, wo die grundlegende "Barmer Theologische Erklärung" 1934 entstand, einem urprotestantischen Ort wie Wittenberg. Wenn es nach dem Ratsvorsitzenden geht, sollte ein solches Treffen bereits 2008 stattfinden. 

Wie eine evangeliumsgemäße Gestalt der Kirche im 21. Jahrhundert zu finden sei, war während der klimatisch recht kalten Tage in Wittenberg durchaus umstritten. Es geht vor allem um die Frage, welche Gestalt die christlichen Gemeinden künftig haben sollen. Ihre an einem Dorf oder Stadtteil orientierte Struktur, gilt manchen Kirchenverantwortlichen nicht mehr als zeitgemäß. Die Sozialräume haben sich verändert. und- wie Huber anmerkte - die parochial verfasste Ortsgemeinde war nicht zu allen Zeiten der Christenheit bestimmend.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat wie andere Landeskirchen hier schon Fortentwicklungen eingeleitet. Mit so genannten Profilgemeinden will man auf Menschen zugehen, die einer Ortsgemeinde nicht nahestehen, aber dennoch einen Bezug zu ihrer Kirche über ein Thema oder eine Gruppe Gleichgesinnter suchen. Die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten, Cordelia Kopsch, Teilnehmerin des Kongresses, meinte, für die EKHN habe der Aufbruch von Wittenberg längst begonnen. In einem eigenen "Perspektivpapier 2025" zeichne sich die landeskirchliche Planung ab: Lokale und regionale Strukturen müssten aufeinander bezogen werden, übergemeindliche und gemeindliche Arbeit sich ergänzen. Das bedeute größere Gemeindeverbünde und Arbeitsteilung auf allen Ebenen. Die EKHN habe mit Strukturen der "mittleren Ebene" (wie in Wiesbaden) erste Schritte getan. Mehr müsse man aber dafür sorgen, dass die Erwartungen an die Mitarbeiter klar seien, und sie sich als Vertreter der Kirche empfinden. "Die Mitarbeitenden müssen sagen können, warum sie evangelisch sind und für ihre Kirche arbeiten. Kopsch lobte die positive Grundstimmung auf der Wittenberger Versammlung. Ernsthafte Kritik an dem Signal des Aufbruchs sei nicht mehr gekommen. "Es ist deutlich, dass die Landeskirchen sich nun an die Arbeit machen." Das hatte auch Huber gefordert, der sagte, es gelte sich auf einige wenige Pilotprojekte zu verständigen, die den "Glauben wecken und stärken".

Der Propst für Süd-Nassau, Dr. Sigurd Rink, sieht künftige Umsetzungen ebenso bei den Landeskirchen. Die EKD habe koordinierende und richtungsweisende Funktion. Bevor man Zusammenlegungen von Landeskirchen angehe, gilt es die Möglichkeiten von Zusammenarbeit besser auszunutzen: bei den Akademien, den diakonischen Werken und den Arbeitszentren der Kirchen. Ein funktionierender kirchlicher Föderalismus werde die EKD stärken, meint Rink. Vor allem liegt dem Propst aber an einer Stärkung der Bildung in der Kirche. Kultur, Kirchenmusik und Bildungsbemühungen müssten einen höheren Stellenwert erlangen. Dass ihm hier die Evangelische Akademie Arnoldshain besonders wichtig erscheint, ist kein Wunder, denn Rink ist in beiden Konventen ihr Vorsitzender. Tatsächlich hat sich die innerkirchliche Wahrnehmung des akademischen Publikums und der Eliten verändert. Die Kirche sieht das nicht mehr so ideologisch gefärbt wie früher.

Bei allen Veränderungen machten, so Bischof Huber, der Kirche Nomenklaturen zu schaffen. Ehrenamtlich engagierte Mitchristen hätten darauf aufmerksam gemacht, dass es sich die Kirche mit den unterschiedlichen Benennungen der Leitungsämter schwer mache. Huber meinte damit Bezeichnungen wie Kirchenpräsident, Präses, Propst, die aus Traditionsgründen in den Landeskirchen sehr unterschiedlich gebraucht werden. Eine Kleinigkeit vielleicht, die aber öffentlich für Verwirrung sorgen kann.

Ganz optimistisch sieht der Präses der EKHN-Kirchensynode, Professor Dr. Karl Heinrich Schäfer, die Debatte. Der Wiesbadener ist selbst kein Hauptamtlicher, sondern ein Laie, der eines der hohen Ämter in der Landeskirche bekleidet. Der Jurist sieht die EKHN auf einem positiven Weg. Nicht allein wegen zurückgehender Finanzen müsse die Kirche sich ändern, sondern wegen ihres missionarischen Anliegens. In einigen Punkten sei seine Landeskirche dabei den Überlegungen der EKD bereits voraus, denn herausragende geistliche Begegnungsorte, über die in einem von ihm geleiteten Forum gesprochen wurde, gab es  schon immer. "Ich sehe uns auf einem guten Weg", meinte Schäfer.

Dass die Kirche die eigene Tradition ihrer Bauten, aber auch die deutsche Geschichte, nicht hintanstellen möchte, dafür trat Huber vehement ein: Der Kongress werde am Gedenktag des Holocaust (am 27. Januar) beendet. Es sei eine Pflicht der Kirche, für die gleiche Würde jedes Menschen einzutreten und allen Diskriminierungen mit Nachdruck zu widerstehen, mahnte der Bischof, der am Ende einen gelösten Eindruck machte.