Gemeinsame Erklärung zur Zuwanderung

Landeskirche und Diakonie fordern Härtefallkommission

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

30. September 2004

Einen Tag vor dem Bayerischen Integrationsforum haben der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und der Präsident des Diakonischen Werkes in Übereinstimmung mit dem Landessynodalausschuss, und dem Landeskirchenrat in einer gemeinsamen Erklärung Stellung zu Zuwanderung und Zuwanderungsgesetz genommen. Neben einer Härtfallkommission für ausländische Flüchtlinge fordern sie auch verstärkte Maßnahmen zur Integration eingewanderter Ausländer.

Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, der Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, Dr. Ludwig Markert, sowie Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat begrüßen in der Erklärung ausdrücklich die Gestaltungsmöglichkeiten, die das neue Gesetz bietet. Gleichzeitig weisen sie jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Sie appellieren darum an die bayerische Staatsregierung, die Möglichkeiten zu nutzen, die das neue Gesetz vorsieht. Insbesondere nennen sie die Einrichtung einer Härtefallkommission. Sie soll Ausländern in besonderen Situationen, die vom geltenden Ausländerrecht nicht oder nur unzureichend erfasst sein, eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen.

Den vollen Wortlaut der Erklärung haben wir dieser Mitteilung beigefügt. Diese Pressemitteilung wird in gleich lautender Fassung von der Pressestelle des Diakonischen Werks in Bayern e.V. versendet.

München / Nürnberg, 30. September 2004

Andrea Seidel
Pressesprecherin


Gemeinsame Stellungnahme von Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, und Präsident Dr. Ludwig Markert, Diakonisches Werk Bayern e.V., sowie Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat zu Härtefallkommissionen und der Integration von eingewanderten Personen

Obwohl das Zuwanderungsgesetz (ZuwG) nicht alle ursprünglichen Erwartungen erfüllt und streckenweise deutlicher der Begrenzung als der Steuerung der Zuwanderung dient, eröffnet es doch neue Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und ihre Diakonie erkennen darum bei aller Kritik am Zuwanderungsgesetz auch die Fortschritte und Möglichkeiten an, die das Zuwanderungsgesetz bietet, und erwarten von der Bayerischen Staatsregierung eine entsprechende Umsetzung, die die Situation der Betroffenen angemessen berücksichtigt, weitere soziale Härten verhindert und Chancen zur Integration nutzt.

1. Härtefallkommission für ausländerrechtliche Härtefälle

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und ihre Diakonie begrüßen ausdrücklich, dass in das Zuwanderungsgesetz eine neue Härtefallregelung aufgenommen wurde. Sie ermöglicht es, Ausländern in besonderen Härtefällen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Das Gesetz ermächtigt die Bundesländer, Härtefallkommissionen einzurichten mit dem Auftrag, entsprechende Fälle zu prüfen.

Diese Neuregelung war überfällig, denn die Verwaltungspraxis hat gezeigt, dass das geltende Ausländerrecht bei der Beendigung von Aufenthalten immer wieder zu inakzeptablen sozialen Härten führt. Besonders betroffen sind

- Ausländer und Ausländerinnen, die seit vielen Jahren in der Bundesrepublik leben, einer Arbeit nachgehen und durch eine erzwungene Ausreise in eine Situation drohender Existenznot geraten.

- chronisch Kranke, denen eine gravierende Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes droht, weil sie in ihrem Heimatland keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung erhalten

- schwer traumatisierte Flüchtlinge, denen eine Retraumatisierung im Heimatland erspart werden sollte.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche und ihre Diakonie erwarten, dass auch in Bayern eine Härtefallkommission eingerichtet wird, und bitten die Bayerische Staatsregierung um entsprechende Schritte.

In einer Rechtsverordnung muss die Einrichtung der Härtefallkommission sowie das Antrags- und Verwaltungsverfahren geregelt werden. Die bisher schon in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin tätigen Härtefallkommissionen haben gezeigt, dass diese Gremien erfolgreich arbeiten und ihre Empfehlungen überwiegend angenommen wurden.

Um bei der schwierigen Abwägung rechtlicher wie auch humanitärer Aspekte gerechte und akzeptable Lösungen zu finden, ist eine Kommission erforderlich, an der Vertreterinnen bzw. Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen beteiligt sind. Kirche und ihre Diakonie bieten hier ihre Unterstützung und Mitarbeit an. Hingegen wäre ein Gremium, das allein mit Beamten des Bayerischen Innenministeriums besetzt wäre, kaum in der Lage, die Funktion einer Kommission zur Bewältigung ausländerrechtlicher Härtefälle zu erfüllen.

Leider ist in der Härtefallregelung auch vorgesehen, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis davon abhängig gemacht werden kann, ob der Lebensunterhalt gesichert ist oder eine andere Person eine Verpflichtungserklärung zur Kostenübernahme abgibt. Diese Einschränkung wird dem Regelungsbedarf bei Härtefällen jedoch nicht gerecht. Im Gegenteil: Gerade bei schwer Kranken oder Traumatisierten können dringende humanitäre Gründe die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet rechtfertigen, obwohl der Lebensunterhalt zunächst nicht aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert ist.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und ihre Diakonie erwarten darum von der Bayerischen Staatsregierung, das von ihr unterstützte Zuwanderungsgesetz in diesem Punkt so umzusetzen, dass inakzeptable Härten für die Betroffenen vermieden werden. Die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung sollte nicht von der Sicherung des Lebensunterhaltes abhängig gemacht werden.

2. Integration von eingewanderten Personen

Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz wird Ausländern erstmals ein Rechtsanspruch auf einen Integrationskurs eingeräumt. Der Integrationskurs umfasst Angebote, die Ausländer an die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland heranführen. Das Gesetz regelt die Berechtigung und Verpflichtung zur Teilnahme von Personen, die erstmals eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Ergänzend erteilt das Gesetz den Auftrag zur Entwicklung eines bundesweiten Integrationsprogrammes, in dem Empfehlungen für die Entwicklung weiterer Integrationsangebote formuliert werden sollen.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und ihre Diakonie begrüßen diese Neuregelungen, denn mit ihnen wird eine bundespolitische Wende in der Zuwanderungspolitik vollzogen. Die Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der Integration, die auch von Kirche und Diakonie gefordert worden ist, wird anerkannt und ein Rahmen für staatliche Maßnahmen in diesem Bereich abgesteckt.

Um den Integrationsprozess nachhaltig zu unterstützen und zu begleiten, genügt es nicht, allein Sprach- und Orientierungskurse für Erwachsene anzubieten. Es sind ebenso Maßnahmen der Integrationsberatung, der schulischen Förderung, der beruflichen Eingliederung und der Jugend- und Gemeinwesenarbeit notwendig. Das Integrationsangebot sollte sich jedoch nicht auf Neuankömmlinge beschränken, sondern allen Ausländern zur Verfügung stehen und auch die nachholende Integration erleichtern. Nicht zuletzt bedarf es einer Politik der Akzeptanzwerbung und ergänzender Antidiskriminierungsregelungen. Denn die Integration von eingewanderten Mitbürgern ist eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe:

- Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, um Menschen, die hier ein Bleiberecht erhalten, Zugang zu Bildung und Ausbildung, zur Arbeitswelt und zu sozialen Dienstleistungen zu ermöglichen. Sie sollte die Förderung der individuellen Ressourcen der Eingewanderten in ihren Zielekatalog aufnehmen. Mit dem Blick auf die Zukunft sollte in die Bildung und Entwicklung der sprachlichen, sozialen und beruflichen Kompetenzen dieses Personenkreises investiert werden.

- Die Förderung der Integration ist nicht nur eine Aufgabe des Bundes, sondern auch des Freistaates Bayern und der bayerischen Kommunen. In ihre Zuständigkeit fällt beispielsweise die vorschulische und schulische Förderung von eingewanderten Kindern, die Jugendarbeit, die Gemeinwesenarbeit und die Förderung von Einrichtungen, die Zugewanderte bei ihren Integrationsbemühungen beraten und begleiten. Land und Kommunen sollten darüber hinaus die Aufnahme von Migranten in den öffentlichen Dienst fördern. Auf allen diesen Gebieten bedarf es weiterer Anstrengungen, um die anstehenden Integrationsaufgaben zu bewältigen.

- Auch die Zivilgesellschaft trägt letztlich zum Gelingen von Integration bei. Für die Umsetzung von Integrationsaufgaben ist in hohem Maße auch bürgerschaftliches Engagement erforderlich.

- Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und ihre Diakonie tragen in vielfältiger Weise zur Integration von eingewanderten Menschen bei. Sie bieten Christen eine neue Heimat in den Kirchengemeinden. Und sie unterstützen diejenigen, die aufgrund ihrer persönlichen Situation Zuwendung, Seelsorge und Hilfe benötigen – unabhängig von ihrer Herkunft und Konfession.

- Die Diakonie unterhält mit ihren Einrichtungen ein breitflächiges Angebot im Bereich der Integrationsförderung und –begleitung. Dazu gehören nicht nur die Beratungseinrichtungen und Projekte, die mit Eingewanderten arbeiten. Auch in den Maßnahmen der Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit, der kirchlichen Sozialarbeit und der Arbeitslosenprojekte werden eingewanderte Menschen bei ihren Integrationsbemühungen unterstützt.

Im Zusammenhang mit dem Anliegen der Integration der in Deutschland lebenden Ausländer weisen wir ausdrücklich darauf hin: Integration der Ausländer und aufenthaltsrechtliche Situation stehen oftmals in Wechselwirkung zueinander. Zahlreiche Personen leben seit vielen Jahren in Deutschland mit dem unsicheren Status einer Duldung, obgleich sie nicht in ihr Heimatland zurückkehren konnten. Im Hinblick auf die im ZuwG geänderte Rechtslage für diesen Personenkreis (§25 Abs. 3 und 5 Aufenthaltsgesetz) sollten möglichst bald großzügige Aufenthaltsregelungen getroffen werden, um insbesondere Familien mit Kindern und alleinstehenden Minderjährigen eine Integrationsperspektive zu eröffnen.

Integration dient dem Gemeinwohl und dem sozialen Frieden in unserer Gesellschaft. Auch bei knappen Haushaltskassen sollten die finanziellen Ressourcen für die Integrationsarbeit nicht weiter gekürzt werden. Im Gegenteil: Die Integration fördernden und unterstützenden Einrichtungen benötigen weiterhin die erforderliche sozialpolitische und finanzielle Unterstützung, um diese Aufgabe zu leisten. Die Bemühungen zur Reduzierung staatlicher Aufgaben dürfen nicht zu Lasten dieser zentralen gesellschafts- und sozialpolitischen Aufgabe gehen. Denn gelingende Integration liegt im Interesse unseres gesamten Gemeinwesens und seiner Zukunftsfähigkeit.

Dr. Johannes Friedrich
Landesbischof der Ev.-Luth. Kirche in Bayern

Dr. Ludwig Markert
Präsident des Diakonischen Werkes Bayern