Beitrag der Kirchen zu einem Europa in Gerechtigkeit und Frieden unverzichtbar

EKD-Ratsvorsitzender hält europaweit starke Gemeinschaft protestantischer Kirchen für dringlich

Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE)

13. September 2006

Als „dringlich“ hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Dr. Wolfgang Huber (Berlin), eine starke Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa bezeichnet. „Europa braucht die reformatorische Botschaft von der Freiheit eines Christenmenschen, die in die verbindliche Zuwendung zu Gott und zum Mitmenschen führt“, sagte Huber vor der 6. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) – Leuenberger Kirchengemeinschaft am 13. September in Budapest. In seinem Vortrag zum Thema der Vollversammlung – „Gemeinschaft gestalten – Evangelisches Profil in Europa“ – unterstrich der EKD-Ratsvorsitzende, dass die Kirchen der Reformation in besonderer Weise die politische wie die kulturelle, die wissenschaftliche wie die wirtschaftliche Entwicklung der Moderne beeinflusst hätten und sich von ihr beeinflussen ließen. „Sie haben aus der Anerkennung der gleichen Würde von Frauen und Männern schließlich auch die notwendigen Folgerungen für die Gestalt des kirchlichen Amtes gezogen. Sie existieren in volks- und landeskirchlicher wie in freikirchlicher Gestalt; sie haben aber auch erkannt, dass Zersplitterung und Flügelbildung keineswegs zu den Tugenden reformatorischer Kirchen zu zählen sind. Sie haben damit begonnen, als Kirchen der Reformation zusammenzurücken, das Gemeinsame zu stärken und den jeweiligen Auftrag in einen weiteren Horizont zu rücken.“ Es liege an den Kirchen selbst, gemeinsam deutlich zu machen, „dass ihr Beitrag zu einem Europa in Gerechtigkeit und Frieden unverzichtbar ist“.

In einer Zeit, in der sich ein individualistisches Freiheitsverständnis unverkennbar in Sackgassen verrannt habe, sei es eine besondere Aufgabe evangelischer Kirchen, eine Lebensform vorbildhaft zur Anschauung zu bringen, in der Freiheit und Verantwortung, Selbstbestimmung und Verlässlichkeit sich miteinander verbinden. In den europäischen Integrationsprozess brächten die Kirchen sich ein, indem sie unter anderem durch grenzüberschreitende Partnerschaftsarbeit Gestalt und Gehalt, Auftrag und Ziel des europäischen Einigungsprozesses thematisierten. Interessant sei, dass auch in der politischen Diskussion in Europa der Begriff einer „Einheit in Vielfalt“ immer häufiger verwendet werde. Dieser habe ebenso in der kirchlichen Diskussion in Entsprechung zu dem Begriff der „versöhnten Verschiedenheit“ als Modell der Kirchengemeinschaft einen festen Ort.

Huber betonte, dass die evangelische Gestalt des christlichen Glaubens am „Leitbild des mündigen Christen“ orientiert sei. Sie sehe deshalb in der Mündigkeit des modernen Menschen keine Bedrohung des christlichen Glaubens, sondern eine Folge aus ihm. Daraus folge die Pflicht, Bildungsprozesse zu ermöglichen, die Menschen dazu befähigten, eine religiöse Identität auszubilden, von ihr Rechenschaft abzulegen und andere religiöse Haltungen verstehen zu lernen. „Neue Initiativen zur Familienbildung, Bildung im Elementarbereich, Schulen in kirchlicher Trägerschaft, evangelischer Religionsunterricht, Kinder-, und Jugendarbeit und Erwachsenenbildung sind Handlungsfelder, in denen Menschen ihr Verhältnis zum eigenen Glauben klären und zugleich befähigt werden, sich an demokratischer Verantwortung in Europa und für Europa zu beteiligen.“ Der EKD-Ratsvorsitzende bedauerte in diesem Zusammenhang, dass in dem EU-Programm „Active European Citizenship“ die Kirchen nicht als Partner genannt würden. Als Träger von Bildungsprozessen, die auf die Beteiligung mündiger Bürgerinnen und Bürger gerichtet seien, träten sie im Bewusstsein der europäischen Institutionen bisher nicht in den Blick. Zum Beitrag der Kirchen im europäischen Einigungsprozess gehöre auch die Suche nach Konsens und die Fähigkeit, Dissens auszuhalten, sowie eine „Theologie der Versöhnung“ anzubieten.

„Versöhnte Verschiedenheit“ sei und bleibe ein Grundzug des ökumenischen Miteinanders, bekräftigte Bischof Huber. „Wir halten an der Hoffnung auf ein wachsendes Maß an Gemeinschaft fest; das Bemühen darum muss weitergehen. Aber die Verweigerung des Respekts vor dem Kirchensein eines ökumenischen Partners ist kein geeignetes Mittel, die Gemeinschaft mit ihm wachsen zu lassen. Zum wechselseitigen Respekt zwischen ökumenischen Partnern, den Respekt vor den kirchlichen Ämtern eingeschlossen, gibt es keine Alternative.“

Budapest, 13. September 2006

Udo Hahn
Pressesprecher

Der Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden im Wortlaut

Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) im Internet