„Offene Kirchen als Oasen in der Hektik des Alltags“

Umfrage unter bayerischen Kirchengemeinden

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

Umfrage unter bayerischen Kirchengemeinden verzeichnet positive Erfahrungen mit der Öffnung von Kirchen außerhalb der Gottesdienstzeiten

München. Die bayerische Landeskirche führte als erste Landeskirche eine Umfrage zum Thema „Offene Kirchen“ unter den Kirchengemeinden in den Kirchenkreisen durch. Hierbei wurden die Öffnungszeiten der Kirchen abgefragt und auch Erfahrungsberichte von Gemeinden, die ihre Kirche für Besucher offen halten, gesammelt. 60 Prozent der Gemeinden beteiligten sich an dieser Umfrage.

Laut Angaben der evangelischen Kirchengemeinden sind in den Kirchenkreisen München und Nürnberg rund drei Viertel ihrer evangelischen Kirchen für Besucher offen, in Regensburg und Augsburg weit mehr als die Hälfte der Kirchen, in den nordbayerischen Kirchenkreisen Ansbach-Würzburg und Bayreuth ist jede zweite Kirche neben den Gottesdienstzeiten geöffnet. Rund 83 Prozent der geöffneten Kirchen sind sogar täglich sieben Stunden und mehr für ihre Besucher zugänglich. Die Erfahrungen der Gemeinden mit der Kirchenöffnung ist durchwegs positiv: 86 Prozent der Gemeinden verzeichnen eine gute Resonanz und viele Besucher. Einzelne Gemeinden machten allerdings auch Erfahrungen mit Diebstahl, Verunreinigungen oder Beschädigungen.

„Wir haben mit unseren Kirchenräumen einen großen Schatz“, so Landesbischof Dr. Johannes Friedrich. „Gemeindeglieder und Gäste von nah und fern, die eine Sehnsucht nach religiösem Erleben in sich tragen, finden hier Möglichkeiten der Begegnung mit Gott, aber auch mit Menschen. Kirchen können zu Rastplätzen und Oasen in der Hektik des Alltags und Zufluchtstätten in Notsituationen werden.“

Kirchen sind Orte, die zum Leben helfen

Als Ort des Gottesdienstes gibt der Kirchenraum den Menschen die Möglichkeit zum Feiern, Hören und Reden, zum Gebet und zum Singen. Doch auch neben den Gottesdiensten besuchen viele Menschen die Kirchengebäude, um Gottes Nähe zu suchen, durchzuatmen, oder Kraft für den Alltag zu schöpfen. Geöffnete Kirchen wollen auch Orte des Friedens und Zuflucht für Bedrückte sein. Vor allem in Krisensituationen oder nach Ereignissen wie den Terroranschlägen vom 11. September oder den jüngsten Krieg im Irak haben viele Menschen den Weg in die Kirchen gefunden.

Landesbischof Friedrich: „Wir möchten als Kirche offen, deutlich, aufgeschlossen und verlässlich sein. Offen den Dialog suchen und aufgeschlossen den Menschen in ihrer Lebenswelt begegnen, nicht zuletzt durch geöffnete Kirchengebäude. Für kirchlich Distanzierte bedeuten Kirchen und die Kirchenräume oft den einzigen Kontakt zur Kirche. Wenn in den Kirchen durch die vorhandene Ausstattung und Bilder christliche Inhalte deutlich erkennbar kommuniziert werden, können sie mit dazu beitragen, dass Menschen angeregt werden sich mit Fragen des Glaubens neu zu beschäftigen.“

Vielfältige Angebote für Besucher – Neue Wege für Meditation

Viele Gemeinden halten für die Besucher besondere Angebote bereit: Gebetsecken oder Fürbitte-Kerzen zum Anzünden laden zum Innehalten, zur Stille und zum Gebet ein. Unterstützung für eine Andacht gibt auch das evangelische Gesangbuch, das in allen Kirchen ausliegt. Kulturbegeisterte finden häufig Informationen zur Geschichte, zu Kulturschätzen oder zu Besonderheiten der jeweiligen Kirchen in Broschüren oder Handzetteln. Besuchern wie auch Gemeindemitgliedern schließen diese Informationen die Kirchen, ihre Funktion und Ausstattung, inhaltlich auf und bringen manch kulturelle und historische Schätze ans Licht.

In ihrer Ausstattung haben einige Kirchengemeinden neue Wege für Glaubenserfahrung und Meditation erschlossen: In der evangelischen Auferstehungskirche in Scheidegg können Besucher beispielsweise in einem begehbaren Labyrinth und einem Erfahrungsweg der Sinne meditativ inne halten. Die Stadtkirche in Lindau hat in ihrem Kirchenschiff eine Gebetswand angebracht, auf der die Besucher ihr Gebetsanliegen schreiben oder malen können.

Ermutigung des Landesbischofs

Der Landesbischof Johannes Friedrich ruft die Gemeinden auf, sich von den positiven Beispielen motivieren zu lassen: „Ich möchte Ihnen Mut machen, auch ihre Kirche außerhalb der Gottesdienstzeiten zu öffnen. Ich war selbst neun Jahre lang in Nürnberg für eine Kirche verantwortlich, die wir immer offen gehalten haben, solange es draußen hell war. Aber selten hatten wir Probleme mit Verschmutzung oder Ärger mir Opferstockaufbrüchen. Der Gewinn der offenen Kirche war unvergleichlich viel größer.“

München, 21. Juli 2003

Andrea Seidel, Kirchenrätin
Pressesprecherin der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern