Militärische Aktionen können Terrorismus nicht überwinden

GEKE-Präsidium präsentiert Studie zur ethischen Beurteilung des Einsatzes militärischer Mittel

Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE)

21. August 2006

Aufruf zu einer nachhaltigen Friedenslösung für den Nahen Osten

Unter dem Titel „Aufrechterhaltung des Friedens, menschliche Sicherheit und Anwendung von bewaffneter Gewalt“ hat das Präsidium der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) – Leuenberger Kirchengemeinschaft „Neue Erwägungen zum Begriff ,Rechtmäßig Kriege führen’“, so der Untertitel der Studie, am Wochenende bei einem Treffen in Zürich verabschiedet. Die 8-seitige Studie befasst sich mit der Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz militärischer Gewalt überhaupt zulässig ist. Sie hält fest: „Die Kirche ist gerufen, sich unermüdlich für den Frieden einzusetzen.“ Dabei sei es „unerlässlich, die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln zu vereiteln“. In der Auseinandersetzung mit der reformatorischen Lehre vom gerechten Krieg setzt sich die GEKE nachdrücklich für den Vorrang gewaltfreier Konfliktlösungen und den Ausbau präventiver Konfliktvermeidungsstrategien ein. Ausgangspunkt der Studie ist dabei ein Sicherheitsbegriff, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt und sich damit grundlegend vom staatlichen und militärischen Sicherheitsdenken unterscheidet. Die Studie zeigt die Begrenzungen militärischen Handelns auf: „Machtmittel können niemals einen ausreichenden oder angemessenen Schutz für Frieden und Sicherheit bieten noch können militärische Aktion den Terrorismus überwinden.“

Gleichzeitig schließt die Studie nicht aus, dass es in besonderen Situationen der Nothilfe gerechtfertigt sein kann, militärische Mittel zum Schutz der Menschen einzusetzen, wenn staatliche Souveränität diese nicht gewährleisten könne oder wolle. Allerdings werden hierfür sehr enge Bedingungen gesetzt, die einen Missbrauch ausschließen sollen. Dazu gehört, dass eine militärische Intervention von der in den Vereinten Nationen zusammengeschlossenen internationalen Gemeinschaft befürwortet werden müsse. Die GEKE setzt sich für einen Ausbau des internationalen Rechts und die stärkere Förderung der Demokratie zur Friedenssicherung ein, um die Gewalt weltweit einzudämmen. Die Studie fordert dazu den Aufbau einer europäischen Agentur zur zivilen Friedensförderung.

Den Kirchen haben nach Auffassung der GEKE eine besondere Verpflichtung, sich für nachhaltige Konfliktlösungen einzusetzen. „Kraft ihres Glaubens an den Gott, der die ganze Schöpfung und die Menschheit ins Leben ruft, sie aufrechterhält und erneuert, glauben die Kirchen, dass Maßnahmen, die internationale Rechtsordnung und Sicherheit zu gewährleisten und einzurichten, begleitet sein müssen von einer grundsätzlichen und tiefgehenden Anerkennung einer gemeinsamen Menschlichkeit, die die Kirchen als die Gabe Gottes anerkennen.“

Auf ihrer Sitzung hat sich das Präsidium der GEKE – die Geschäftsführende Präsidentin Prof. Elisabeth Parmentier (Straßburg) sowie die beiden Ko-Präsidenten, Prof. Dr. Michael Beintker (Münster) und Ratspräsident Thomas Wipf (Bern) auch zum aktuellen Konflikt im Nahen Osten geäußert. So fordert das Präsidium, dass nach dem Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen eine dauerhafte Konfliktlösung gefunden werden müsse. „Der Schutz von Menschenleben ist das oberste Gebot. Daran muss sich das politische Handeln ausrichten“, erklärte Präsidentin Parmentier. Die GEKE habe enge Beziehungen in die Region, zum einen in der Solidarität mit Israel, zum anderen zu den protestantischen Kirchen im Nahen Osten, die sich eben erst in Amman nach dem Vorbild der Leuenberger Konkordie zu einer Kirchengemeinschaft zusammengeschlossen hätten. „Wir haben die Forderung anderer ökumenischer Organisationen nach einer sofortigen Beendigung der bewaffneten Auseinandersetzung unterstützt,“ erläutert Ratspräsident Thomas Wipf die Position der GEKE. „Jetzt aber richtet sich unser Blick nach vorne. Wir brauchen einen dauerhaften Frieden in der Region und der kann nicht mit Waffengewalt erreicht werden.“ Prof. Dr. Michael Beintker erwartet von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass sie sich nachdrücklicher als bisher für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten einsetzen und ihre humanitäre Hilfe ausweiten: „Wir dürfen nicht weiter zusehen, wie die Nachbarstaaten der EU im Nahen Osten in einer Spirale der Gewalt und Gegengewalt versinken.“

Hinweis: Die Studie „Aufrechterhaltung des Friedens, menschliche Sicherheit und Anwendung von bewaffneter Gewalt“ kann im Internet unter www.leuenberg.net herunter geladen werden.

Hannover, 21. August 2006

Udo Hahn
Pressesprecher