Bischof Hein: "Ich halte PID nicht vereinbar mit dem biblisch-christlichen Menschenbild"

Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

01. November 2010

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, hält die Präimplantationsdiagnostik (PID) mit dem biblisch-christlichen Menschenbild nicht für vereinbar. Eine Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen lehnt der Bischof in einer am heutigen Montag verbreiteten Stellungnahme ab. Zugleich fordert Hein in der Debatte eine klare Benennung der Voraussetzung der jeweils vertretenen Position.  

Mensch ist Geschöpf und Ebenbild Gottes: Das gibt ihm Würde und Lebensrecht 
Nach biblischem Zeugnis ist Gott Schöpfer der Welt und des Menschen. Der Mensch ist Ebenbild und Geschöpf Gottes. Sein Leben ist Geschenk und damit, so Hein, „eigenmächtiger oder fremder Verfügung weitestgehend entzogen“. Die Gottesebenbildlichkeit verleiht so jedem Menschen Würde und Lebensrecht. Daher ist es nicht möglich, zwischen wertvollem und weniger wertvollem oder gar unwertem Leben zu unterscheiden. Besondere Leistungen oder Eigenschaften steigern die Würde nicht, sowenig ihr Fehlen sie mindert. Sie ist jeder Phase menschlichen Lebens zu Eigen, auch wenn das volle Potential, etwa beim Embryo, noch nicht ausgebildet ist oder durch Krankheit oder Behinderung nicht mehr realisiert werden kann. 

„Das biblisch-christliche Menschenbild entlastet vom Erwartungsdruck einer sich immer weiter perfektionieren wollenden Gesellschaft“
„Menschen sind mit Fehlern und Schwächen behaftet, die das Verhältnis zu uns selbst, das Zusammenleben untereinander und unser Verhalten gegenüber der Natur belasten.“ Mögliches Scheitern und Versagen müssten stets mit bedacht werden. Die Welt, perfekt geschaffen, ist „imperfekt“! Der Mensch ist „Sünder“, wird jedoch von Gott angenommen. Das biblisch-christliche Menschenbild entlastet, so Hein, vom Erwartungsdruck einer sich immer weiter perfektionieren wollenden Gesellschaft. „Wenn etwa nur noch die Maßstäbe „gesund“, „schön“, „jung“, „leistungsfähig“ gelten, machen wir uns abhängig von kaum einzuholenden Idealvorstellungen und verlieren zugleich den Blick für diejenigen, die diesen Ansprüchen – aus welchen Gründen auch immer – nicht genügen können. Das biblisch-christliche Menschenbild ist demgegenüber höchst realistisch!“ Daraus resultiert ein Bewusstsein von Schuld und Versagen, von begrenzter Einsichtsfähigkeit in komplexe Zusammenhänge. Dennoch müsse bei allem Irrtumsrisiko entschieden werden. Das biblisch-christliche Menschenbild verheiße hier keine Irrtumslosigkeit, ermögliche aber Gewissenhaftigkeit.  

Bereits durch die Pränatale Diagnostik hat sich das Klima gegenüber Behinderten verändert – Gesellschaftlicher Druck zur Abtreibung
Mit einer Zulassung der PID begebe man sich, so Hein, auf eine schiefe Bahn, bei dem schließlich selbst eine leichte Behinderung zu einer negativen Selektion führen werde. Bereits jetzt habe sich das gesellschaftliche Klima gegenüber Behinderten durch die Pränatale Diagnostik (PND) verändert. Unter dem Motto „Musste das denn sein, wo es doch Möglichkeiten gibt, während der Schwangerschaft die Gesundheit zu prüfen“ entstehe ein gesellschaftlicher Druck, dem bald ein finanzieller folgen könnte, wonach „es die Solidargemeinschaft der Versicherten nicht hinnehmen könne, für die unterlassenen Untersuchungen und das daraus resultierende Ergebnis finanziell in Anspruch genommen zu werden.“

Eine auch nur begrenzte Zulassung der PID fördert Gedanken an eine „leidfreie Welt“, „Menschen nach Maß“ und „Kinder nach eigenen Wunschvorstellungen“
Hein prognostiziert, dass durch eine auch nur begrenzte Zulassung der PID der Gedanke an eine „leidfreie Welt“, eines „Menschen nach Maß“ und an „Kinder nach eigenen Wunschvorstellungen“ gefördert wird. Dabei werde verkannt, dass nur etwa 0,3 Prozent der Behinderungen überhaupt eine genetische Ursache haben. Im Unterschied zur straffreien Abtreibung bei Feststellung einer Behinderung handele es sich bei der Verwerfung eines Embryos durch PID nicht um einen Entscheidung in einer „existentiellen Krise, in der zwei miteinander verbundene Leben in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt verbunden sind“. Hier werde der Embryo gezielt in vitro erzeugt, um ihn der PID zu unterziehen. „Eine existentielle Konfliktsituation besteht nicht und kann auch nicht über den starken Kinderwunsch eines genetisch belasteten Paares konstruiert werden“, betont Hein. Zudem bestehe die Gefahr, dass die durch PID verworfene Embryonen als Forschungsmaterial „neu Begehrlichkeiten unterworfen würden“.

PID  - „wirklicher Grenzbereich ethischer Fragestellungen“ Stellungnahme als Beitrag zur Versachlichung, Klärung und Urteilsbildung
Abschließend erklärt der Bischof: „Mir ist bewusst, dass wir uns mit den angeschnittenen Problemen in einem wirklichen Grenzbereich ethischer Fragestellungen befinden. Ich persönlich halte die PID für nicht vereinbar mit dem biblisch-christlichen Menschenbild. Aber was ich über die Begrenztheit menschlicher Einsicht und die Irrtumsmöglichkeit gesagt habe, gilt ebenso für mich. Insofern steht auch diese evangelische Stellungnahme unter einem einschränkenden Vorbehalt. Sie will ein Beitrag zur Versachlichung, zur Klärung und zur Urteilsbildung sein – nicht mehr, aber auch nicht weniger!“