Kirchen haben das Schweigen gegenüber HIV/AIDS gebrochen

Kirchenpräsidentin Swart: Menschen Hoffnung geben, selbst angesichts der Hoffnungslosigkeit

Lutherischer Weltbund (LWB)

05. September 2004

“Was ist mit Afrika los? Wir haben Kolonialismus, Apartheid und Armut durchlebt und nun sind wir mit HIV/AIDS konfrontiert“, erklärte Angelene Swart, Präsidentin der Brüder-Unität in Südafrika und Vizepräsidentin der Lutherischen Gemeinschaft im südlichen Afrika (LUCSA) gegenüber JournalistInnen während der Ratstagung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Genf. “Gott stellt uns vor diese Aufgabe und fordert uns damit auf, nicht aufzugeben, egal was vor uns liegt. Junge Menschen sterben und sie fragen, welche Zukunft gibt es für uns?”, so Swart. Die LWB-Ratstagung findet vom 1. bis 7. September 2004 in Chavannes-de-Bogis bei Genf statt.

Die Kirchen im Süden Afrikas hätten nach langer Zeit der Passivität erkannt, wie dringlich die Herausforderungen angesichts der HIV/AIDS-Pandemie seien. Das lange Schweigen beschäme die Kirchen, jetzt gebe es aber eine neue Chance und die Kirchen nutzten diese neue Gelegenheit. “Die Kirche ist zur Anteilnahme bekehrt worden“, betonte Swart. Wenn die Kirchen Südafrikas sich des Themas jedoch früher angenommen hätten, könnten sie jetzt agieren, anstatt nur zu reagieren. So hätten auch viele Menschenleben gerettet werden können.

Stigmatisierung, Diskriminierung und Isolierung von Menschen, die mit HIV/AIDS leben, seien von den Kirchen nun aufgegriffen und thematisiert worden. Swart begrüßte, dass sich mittlerweile sogar PfarrerInnen dazu bekennen würden, HIV-positiv zu sein. Inzwischen gebe es ein Büro der lutherischen Kirchen im südlichen Afrika, das sich mit dem Thema HIV/AIDS befasse. Dieses Büro koordiniere die Anstrengungen im Bereich Ausbildung, Pflege, Training von freiwilligen HelferInnen, Beratung und medizinische Behandlung. KirchenleiterInnen würden ausgebildet sowie neue Strategien zur Bewusstseinsbildung und Aufklärung entwickelt, so die LUCSA-Vizepräsidentin. Besonderes Augenmerk gelte dabei jungen Menschen und Frauen. Heute stehe bei jedem Treffen von KirchenleiterInnen im südlichen Afrika das Thema HIV/AIDS ganz oben auf der Tagesordnung.

Die Kirchen seien auch ganz direkt betroffen, so Swart, auch PfarrerInnen seien Opfer der HIV/AIDS-Pandemie. “Wir verlieren Menschen, die der Kirche so viel hätten geben können – von ihrer Erfahrung, ihren Talenten und Begabungen“, beklagte der Kirchenpräsidentin. Dies alles rufe zu einer starken Leitung auf, um den Menschen Hoffnung zu geben, selbst angesichts der Hoffnungslosigkeit. Die Kirche sei zu einem Ort geworden, wo Anteilnahme gezeigt werde.

Weniger dramatisch stelle sich im Vergleich zu Afrika die Situation in Lateinamerika dar, berichtete Dr. Alois Möller, Regionalvertreter für Mittelamerika der LWB-Abteilung für Weltdienst (AWD). Die HIV/AIDS-Infektionsrate sei wesentlich geringer, doch das dürfe nicht zu einer Verkennung der Situation führen. Bisher habe es vermieden werden können, dass HIV/AIDS zum Krisenthema werde. In Lateinamerika sei vor allem Ausgrenzung und Diskriminierung der Betroffenen zu beobachten. HIV/AIDS werde häufig undifferenziert in den Zusammenhang von Homosexualität gestellt und eine HIV-Infektion zur persönlichen Schuld erklärt. Eine der zentralen Aufgaben der AWD-Länderprogramme in Lateinamerika seien daher Aufklärung und Bewusstseinsbildung insbesondere von Leitungskräften und jungen Menschen, betonte Möller.

Im Kampf gegen HIV/AIDS sei es das Wichtigste, dass die Kirchen das Schweigen durchbrechen, betonte Dr. Christine Sadia, HIV/AIDS-Beraterin des LWB. Lange Zeit hätten die Kirchen das Thema HIV/AIDS nicht aufgegriffen und als ein Thema betrachtet, dass die Kirchen nicht beträfe. Der LWB habe das Leiden der Menschen wahrgenommen und reagiere darauf mit Anteilnahme, so Sadia. Die ganze lutherische Gemeinschaft müsse motiviert werden, die Kapazitäten der Mitgliedskirchen auszubauen, um auf die HIV/AIDS-Pandemie antworten zu können.

Im Blick auf den HIV/AIDS-Aktionsplan des LWB, der im Mai 2002 in Nairobi (Kenia) verabschiedet worden war, erklärte Sadia, dass es Ziel der Kampagne sei, in den LWB-Mitgliedskirchen eine offene Diskussion über HIV/AIDS anzustoßen und sie darin zu unterstützen, aktiv und mutig der Pandemie zu begegnen.

Der LWB-Aktionsplan “Anteilnahme, Umkehr, Zuwendung: Kirchen reagieren auf die HIV/AIDS-Pandemie“ beinhaltet auch die Forderung, Unterstützung und Ressourcen, einschließlich finanzieller Mittel, für eine wirksame Reaktion auf die HIV/AIDS-Pandemie zur Verfügung zu stellen.

Genf, 05. September 2004

Julia Fauth, Trainee
LWB-Büro für Kommunikationsdienste