„Was Luther kann, können wir auch“

Grundschüler schreiben Bibel ab – Landesbischof gratuliert

Evangelische Landeskirche in Württemberg

Als im Religionsunterricht die Sprache auf Luther kommt, fällt die entscheidende Bemerkung: Nicht nur die Übersetzerei sei viel Arbeit gewesen, „der hat auch alles von Hand geschrieben!“, staunte ein Schüler. Doch schnell wich die Ehrfurcht dem Ehrgeiz: Die Schüler beschlossen: „Das können wir auch!“, erzählt Religionslehrerin Ellen Heimsch.

Am 22. Mai 2003  wurde es schriftlich besiegelt: Die evangelischen Schüler an der Grundschule Ostfildern-Ruit wetteten mit ihren beiden Religionslehrerinnen, dass sie es bis zum zweiten Juli schaffen würden „die Bibel von Hand abzuschreiben und die Seiten schön zu gestalten“. Ein Mammutprojekt, das die Schüler in ihrer Freizeit vollbringen mussten. Rund vier der insgesamt 193 Kapitel der ausgewählten Kinderbibel hatte jedes Kind abzuschreiben und dabei die Kapitalen kunstvoll zu verzieren und den Text mit Bildern zu versehen.

„Zwischendrin herrschte schon Flaute“, erzählt Lehrerin Christa Illi. Die Pfingstferien und auch das schöne Wetter forderten ihren Tribut. „Wenn draußen die Sonne lacht, ist halt das Freibad manchmal verlockender als das Schreiben daheim“, so Illi. Zu ihrem Erstaunen hätten die Schüler sich aber zusammengerauft und die letzten Wochen richtig Gas gegeben. Mit bewundernswertem Eifer hätten sie darauf hingearbeitet, das Projekt zu vollenden. Die Viertklässlerin Nadja Fritz hat sich dabei besonders hervorgetan: Mit ganzen 19 Kapiteln wurde sie als fleißigste Schreiberin geehrt. Als es gegen Ende der Frist eng wurde, halfen Ökumene und Familie. Die Schüler mobilisierten ihre katholischen Mitschüler, Geschwister und Eltern zum Mitschreiben. Zwei Minuten vor Ablauf der Frist lag die letzte Seite auf dem Tisch der Lehrerinnen. „Sie sehen uns als fröhliche Verliererinnen“, so Christa Illi, „wir haben wirklich mit den Kindern mitgefiebert“.

Die Kunde von der Leistung der Grundschüler drang vor bis zum Landesbischof der Evangelischen Kirche in Württemberg, Gerhard Maier. Der beschloss, den Kindern persönlich zu ihrer Leistung zu gratulieren. „Wir sind überrascht und dankbar über den großen Erfolg der Aktion ‚Jahr der Bibel’“, so Maier. Unter den vielen tausend Aktionen ragten einige besonders heraus, und zu diesen gehöre die Leistung der Schulkinder. Er beglückwünschte die Kinder für ihre Durchhaltekraft und Sorgfalt, mit der sie die Bibel gestaltet hätten. Die Bibel sei ein „Kompass für das Leben“, so Maier, weshalb er sich besonders freue, dass die Kinder sich so intensiv damit beschäftigt hätten.

Als besonderes Zeichen seiner Anerkennung wird die Bibel, die vom örtlichen Berufsbildungswerk gebunden wurde, in den nächsten Wochen vor dem Büro des Bischofs öffentlich ausgestellt. Danach soll sie in einem kirchlichen Museum gezeigt werden.

Neben Lob und Anerkennung brachte der Bischof den Kindern Süßigkeiten und einen handsignierten Fußball für den Pausenhof mit. Rektorin Margarete Moritz nannte die handgeschriebene Bibel ein „überwältigendes Werk“, das die Kinder vollbracht hätten. Sie dankte den Lehrerinnen für ihren außergewöhnlichen Einsatz und Bischof Maier für sein Kommen. Als Anerkennung für ihre Leistung spendierte sie den Schülern einen Nachmittag mit dem Kinderliedermacher Harald Beck.

Die Religionslehrerinnen mussten übrigens auch von Hand schreiben: Als Wettverliererinnen war es ihre Pflicht, alle beteiligten Schüler handschriftlich zu der Feierstunde einzuladen.

Stuttgart, 18. Juli 2003

Ulrich Bubeck / Klaus Rieth
Pressestelle