Hartz IV muss osttauglich gemacht werden

Gemeinsame Erklärung DGB, Pommersche Evangelische Kirche, Erzbischöfliches Amt Schwerin

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs

Arbeitsmarktpolitische Reformen sind notwendig, um Deutschland zukunftsfähig zu gestalten und die sozialen Sicherungssysteme auf Dauer zu erhalten. Die unter dem Titel Hartz IV beschlossenen Gesetze sollen diese Reformen einleiten.

Die Demonstrationen gegen Hartz IV haben die große Verunsicherung und Angst in unserer Gesellschaft deutlich gemacht. Viele Menschen spüren mit Recht, dass Hartz IV nicht die Lösung ist, sondern allenfalls ein erster und unzureichender Schritt, um die Zahl der Arbeitslosen in unserer Gesellschaft nachhaltig zu verringern. Darauf machen die Menschen, die an vielen Orten des Landes gegen Hartz IV demonstrieren, aufmerksam.

Angst vor Arbeitslosigkeit und einer unsicheren Zukunft ist für viele Menschen und ihre Familien nicht nur hier in Mecklenburg-Vorpommern zu einer bedrückenden Lebenserfahrung geworden. Der soziale Friede, der unsere Gesellschaft geprägt hat und prägen muss, wird zunehmend in Frage gestellt. Dadurch wird nicht nur die soziale Einheit in unserer Gesellschaft gefährdet, sondern auch der Graben zwischen den Menschen in Ost- und Westdeutschland vertieft.

Im Blick auf Hartz IV muss die Sondersituation des ostdeutschen Arbeitsmarktes und die Situation älterer Arbeitnehmer sowie besondere Härtefälle stärker beachtet werden.

Der hiesige Arbeitsmarkt bietet kaum Möglichkeiten, den Sprung aus der Bedürftigkeit zu schaffen. Besonders bedenklich ist dies vor allem deshalb, weil viele ältere Arbeitslose keine Chancen haben, ihre Situation zu verbessern. Hier muss es flankierende Maßnahmen etwa in Form besonderer Wirtschaftsförderung oder Steuervergünstigungen geben. Beschäftigungspolitik muss weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Hartz IV muss osttauglich gemacht werden! Viele Menschen wären sonst, ohne die Möglichkeit dies aus eigener Kraft zu verhindern, für Jahre auf Sozialhilfe angewiesen.

Für die Mehrheit der heutigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe werden sich Verschlechterungen ergeben, einige hunderttausend Menschen werden überhaupt keine Leistungen mehr bekommen. Dies wird sich überproportional in Ostdeutschland bemerkbar machen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit. Es
ist darauf zu achten, dass sich alle Teile der Gesellschaft an den Lasten beteiligen.

Hartz IV bedarf in verschiedenen Punkten einer Nachbesserung.

  • Dazu gehört beispielsweise die Frage der Zumutbarkeit von Arbeit. Wir sind der Auffassung, dass eine Arbeit nicht zumutbar ist, wenn sie die spätere volle Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt behindert oder gar unmöglich macht.

  • Wir warnen vor einer Entlohnung, die so gering ist, dass sie eine allgemeine Abwärtsspirale in Gang setzt und die Einkommen vieler anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefährdet.

  • Auch darf die Regelung für die so genannten 1-Euro-Beschäftigten nicht zum Abbau bisheriger Arbeitsplätze führen.

  • Dazu gehört ebenfalls die so genannte 58er-Regelung, von der in Deutschland Hunderttausende von älteren Arbeitnehmern betroffen sind. Im Vertrauen auf eine garantierte soziale Absicherung bis zum offiziellen Rentenalter stimmten sie dem Vorruhestand zu und sehen sich nun einer Situation gegenüber, wo diese Absicherung durch Hartz IV in Frage gestellt wird. Dies muss dringend korrigiert werden.

Wir fordern die Bundesregierung auf, Hartz IV zu korrigieren. Berechtigte Korrekturen an einem offensichtlich zu schnell zustande gekommenen Gesetzeswerk sind kein Eingeständnis von politischer Schwäche, sondern zeugen von politischem Mut, Nachjustierungen vorzunehmen. Die vor uns liegenden Reformaufgaben sind so groß, dass ein Erfolg nur eintreten wird, wenn die Bereitschaft besteht, auf dem Weg der Reformen stetig voranzuschreiten.

Peter Deutschland
VorsitzenderDGB Bezirk Nord 

Dr. Hans-Jürgen Abromeit
Bischof
Pommersche Evangelische Kirche

Hermann Beste
Landesbischof
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs

Norbert Werbs
Weihbischof
Erzbischöfliches Amt Schwerin


Schwerin, 3.9.2004