Bald nichts mehr unter „Dach und Fach“

Bundesregierung will Mittel für Kirchensanierung komplett streichen

Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg

Bundesregierung will Mittel für Kirchensanierung zum Jahresende komplett streichen. Propst Dr. Lütcke fordert in einem offenen Brief an Kultur-Staatsministerin Weiss: „Bitte überdenken Sie diese Entscheidung. Diese Sparidee trifft uns bei laufenden Bau-Verträgen völlig unvorbereitet. Die Kulturdenkmäler in Berlin-Brandenburg sind akut gefährdet“. Mittelständische Betriebe verlieren Aufträge im ohnehin strukturschwachen Brandenburg.

In einem offenen Brief an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Christina Weiss, protestiert die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg energisch gegen die beabsichtigte Streichung der Mittel zum Erhalt der Kulturdenkmäler in den neuen Ländern. Ohne Vorankündigung und bei laufenden Verträgen zur Sanierung von Kirchen sollen die Mittel zum Ende des Jahres übergangslos und komplett gekappt werden. „Dieser Sparvorschlag der Bundesregierung trifft uns völlig unvorbereitet“, erklärte Propst Dr. Lütcke, Stellvertreter des Bischofs der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Dr. Wolfgang Huber.

Er verweist in dem Brief auf das große Engagement der Gemeinden und Kommunen für den Erhalt ihrer Kirchen und den drohenden Vertrauensverlust, wenn es nicht mehr möglich ist, unwiederbringliche Kulturgüter, wie Dorfkirchen, Kapellen und städtische Kirchen zu sichern.

Gerade in Brandenburg sei die Kirchensanierung zu einem wichtigen Faktor auf dem Arbeitsmarkt geworden, da viele kleine und mittelständische Betriebe von diesen Aufträgen gelebt hätten. Jetzt würde in laufende Verträge hinein gekürzt. Zudem drohen der Kirche weitere Verluste durch die vorgezogene Steuerreform.

Am stärksten gefährdet sei das Denkmalschutzprogramm „Dach und Fach“. Mit diesen Mitteln wurden Dorfkirchen in Brandenburg baulich gesichert. Zusätzlich konnten aufgrund dieser Gelder andere Förderprogramme angekoppelt werden. Auch diese drohen mit den geplanten Sparbeschlüssen wegzubrechen, da die Ko-Finanzierung bestimmter Programme dann nicht mehr gesichert werden kann.

Propst Dr. Karl-Heinrich Lütcke: „Die Finanzierung für den Erhalt der Kulturdenkmäler ist im Einungsvertrag verankert. Bitte halten Sie sich daran. Ein übergangsloser Wegfall der Förderung ist nicht zu verkraften. Dieser Sparbeschluss schafft mehr neue Probleme statt Lösungen. Am Ende wird es mehr kosten, die entstandenen Schäden in der Wirtschaft und an den Kirchen wieder auszugleichen“.

Berlin, 17. Juli 2003

Susanne Tenhagen
Pressestelle der EKiBB

Den vollständigen Brief an Staatsministerin Christina Weiss finden Sie nachfolgend:

Betr.: Bundesförderung „Sicherung und Erhaltung von Kulturdenkmalen in den neuen Ländern“

Sehr geehrte Frau Ministerin,

mit Bestürzung haben wir vor wenigen Tagen zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung beabsichtigt, die Förderung zur Sicherung und Erhaltung von Kulturdenkmalen in den neuen Ländern mit dem Ende dieses Jahres einzustellen. Diese beabsichtigte Streichung ohne jede Vorankündigung trifft das gemeinsame Engagement des Gemeinwesens, der Kirche und der Bürger zur Erhaltung kirchlicher Denkmale in Brandenburg an zentralen Stellen völlig unvorbereitet.

Das Denkmalschutz-Sonderprogramm „Dach und Fach“ hat wesentlich dazu beigetragen, dass die dringend notwendige bauliche Substanzsicherung von Kirchen in Ostdeutschland – allein 1.300 Dorfkirchen gibt es in der brandenburgischen Region unserer Landeskirche – begonnen werden konnte. In den letzten Jahren konnten wir mit Hilfe dieser Mittel bauliche Sicherungen mit einem jährlichen Volumen von rund 3 Mio. € realisieren, wobei der Bundesanteil sowie der Landesanteil jeweils bei 800.000 € lag. Der 1992 mit umgerechnet 750 Mio. € errechnete dringendste Nachholbedarf für die Sicherung von brandenburgischen Kirchen konnte auch mit dieser Hilfe lediglich um ein knappes Drittel verringert werden.

Angesichts der bisherigen Rahmenbedingungen sind wir zwar davon ausgegangen, dass diese im Einigungsvertrag verankerte finanzielle Unterstützung des Bundes zeitlich nicht unbegrenzt erfolgen wird. Auch ist es für uns nachvollziehbar, dass die aktuelle finanzielle Lage des Bundes die gesamte Kulturförderung nicht unberührt lassen wird. Ein übergangsloser Abbruch des Programms „Dach und Fach“ bewirkt jedoch, dass die begonnenen Maßnahmen an zahlreichen Objekten mangels anderer Förderungsmöglichkeiten unvollendet abgebrochen werden müssen und auf absehbare Zeit nicht wieder aufgenommen werden können. Zudem war „Dach und Fach“ als Notsicherungsprogramm darauf angelegt, den unmittelbar drohenden Verfall bedeutender Kulturdenkmale zumindest in ersten Schritten aufzuhalten. Nicht nur bei den jetzt zu unterbrechenden, sondern bei zahlreichen noch nicht begonnenen Vorhaben wird durch den plötzlichen Wegfall dieser Förderung der endgültige Verlust unwiederbringlichen Kulturgutes nicht aufzuhalten sein.

Der unvorbereitete Wegfall eines zentralen Bausteins innerhalb eines gewachsenen Systems von Kofinanzierungen verursacht den Verlust weiterer Förderungsanteile. Sowohl die mit dem Land vereinbarten, als auch die durch Sponsoring, Stiftungen und Spenden erzielten zusätzlichen finanziellen Mittel werden entweder unmittelbar entfallen oder wegen der Aussichtslosigkeit der Umsetzung einzelner Vorhaben zurückzugeben sein. Die Höhe des Gesamtverlustes an Finanzierungen wird damit ein Vielfaches der eingesparten Bundesmittel betragen. Hinzu kommt, dass die Vorziehung der 3. Stufe der Steuerreform die finanziellen Möglichkeiten der Kirchen weiter einschränkt. Der Verlust der kulturhistorischen Substanz wäre unwiederbringlich.

Nach der Erfahrung gerade der letzten Jahre sind Kirchen für das gesamte Gemeinwesen zentrale Faktoren der regionalen und örtlichen Identität. Das zeigt sich auch an dem großen Engagement der Bürger für den Erhalt ihrer Kirchen. Ein Wegfall der Förderung würde daher über die Grenzen der Kirchengemeinden hinaus für das gesamte Gemeinwesen zu einem immensen Vertrauensverlust vor Ort führen.

Bei der Entscheidung über die Streichung müsste schließlich auch im Blick sein, dass durch die Entscheidung der Bundesregierung ein inzwischen wesentlicher und bisher stabiler Faktor des Arbeitsmarktes in den neuen Ländern entfällt. Ohne die entsprechenden Aufträge für das Sonderprogramm "Dach und Fach" wäre die Situation für kleine und mittelständische Betriebe in oftmals strukturschwachen Gebieten noch viel bedrohlicher. Darüber hinaus ermöglicht die Denkmalsicherung die Qualifizierung zahlreicher Berufsfelder.

Ich ersuche Sie daher dringend, sich dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung ihre Entscheidung zur abrupten Beendigung der Kulturförderung, insbesondere hinsichtlich des Programms „Dach und Fach“ in der beabsichtigten Form, überdenkt. Zur Beratung über Alternativen zur vollständigen Streichung dieses Programms und über die mittelfristige Erschließung anderer Steuerungsfaktoren stehen die Kirchen als die bedeutendsten Denkmaleigentümer in den neuen Ländern bereit. Wegen der für uns dramatischen Folgen eines Wegfalls der Förderung werden wir diesen Brief auch veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Karl-Heinrich Lütcke


In dieser Angelegenheit hat mittlerweile auch die Vereinigung der Denkmalpfleger in der BRD an Staatsministerin Weiss geschrieben. Nachfolgend der Brief im Wortlaut:

Berlin, 15. Juli 2003

Offener Brief zur Streichung des Förderprogrammes „Sicherung und Erhaltung von Kulturdenkmalen in den neuen Ländern“

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Dr. Weiss,

mit großer Sorge hat die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland aus der Presse erfahren, dass Sie die Förderprogramme „Kultur in den neuen Ländern“ und „Sicherung und Erhaltung von Kulturdenkmalen in den neuen Ländern“ ab dem Jahr 2004 zu streichen beabsichtigen. Ein derartiger Rückzug steht der vielerorts immer wieder bekundeten Mitverantwortung des Bundes zur Erhaltung des kulturhistorischen Erbes in den östlichen Bundesländern konträr gegenüber. Gerade das Förderprogramm „Dach und Fach“, das auf die Sicherung des bedeu-tenden aber stark gefährdeten Denkmalbestandes zielt, hat in den zurückliegenden Jahren in vielfacher Hinsicht beachtliche Ergebnisse erzielt.

Die Förderrichtlinien setzen bei einer Förderung des Bundes die Mitfinanzierung der Länder und Eigentümer voraus. Daran wird die gemeinsame Verantwortung aller politischen Entscheidungsträger für unseren Denkmalbestand erkennbar. Insbesondere durch dieses Programm haben so die für die Identitätsbildung der Bevölkerung in den östlichen Bundesländern so bedeutsamen Denkmale eine beachtliche Unterstützung erfahren. Viele Einzeldenkmale konnten schon erhalten werden. Sie prägen signifikant die Kulturlandschaft, bestimmen die Lebensqualitäten merkbar und wirken als unver-zichtbarer Standortfaktor für den zwingend gebotenen Strukturwandel insbesondere außerhalb der Zentren urbaner Agglomerationen. Derartige auf nachhaltige Wirkung ausgerichtete Förderungen sollten zum festen Bestandteil des Aufbauprogramms Ost gehören, damit die östlichen Bundesländer im internationalen Wettbewerb der Regionen, vor allem innerhalb Europas, bestehen können.

Nicht hoch genug zu bewerten sind deshalb die wirtschaftlichen Potentiale der Förderung. Die mittelständische Bauwirtschaft, die Tourismusbranche, Architekten, Bauingenieure, Restauratoren profitieren in der unmittelbaren Folge dieser Förderung mit durchaus respektablen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.  So liegt das Verhältnis
von Materialkosten zu Lohnkosten im Neubereich bei etwa 70 : 30, während die Zahlen im sehr viel beschäftigungsintensiveren Altbaubereich sich umgekehrt verhalten. Wir wissen auch um die Nachfolgeinvestitionen, die die Denkmalpflege bewirkt. Insofern sind die auf Denkmalerhaltung gerichteten Förderprogramme auf die Zukunft gerichtete Investitionsprogramme von beachtenswerter volkswirtschaftlicher Dimension .

Der 1994 überraschend erfolgten Kürzung des Bundesprogramms zur Substanz-sicherung folgten spürbare Einbrüche bei der Denkmalerhaltung und dieser folgend in der mittelständischen Bauwirtschaft. Die Neuauflage des Bundesprogramms „Dach und Fach“ darf durchaus als eine korrigierende Reaktion auf diese negative Entwicklung angesehen werden.

Die nunmehr bekundete Absicht diese Förderung erneut zu streichen trifft die Länder und Kommunen unvorbereitet Sie bedeutet aufgrund der unzulänglichen Haushalts-situationen das abrupte Ende laufender und für die kommenden Jahre geplanter Maßnahmen zur Sicherung und damit Erhaltung gefährdeter Denkmale.

Die von Ihnen bislang zur Verfügung gestellten Summen vervielfachen sich durch die Komplementärfinanzierung und die Nachfolgeinvestitionen. Sie lassen die praktizierte Mitverantwortung des Bundes für unser kulturhistorisches Erbe erkennen. Deshalb bitten wir Sie, sehr geehrte Frau Staatsministerin, die beabsichtigte Beendigung des Förderprogramms „Dach und Fach“ zu überdenken und von einer Streichung abzusehen. Wir hoffen für unser historisches Erbe, dass dieses Programm weiter geführt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Gerd Weiß