Trennung der Kirchen wird mehr und mehr zu einem Skandal vor der Welt

Kardinal Kasper: Thema der LWB-Vollversammlung "Zur Heilung der Welt" ist ueberaus aktuell

Lutherischer Weltbund (LWB)

09. Juli 2003

Die Trennung der Kirchen werde "mehr und mehr zu einem Skandal vor der Welt, ganz abgesehen davon, dass sie auch dem Willen Jesu Christi widerspricht", erklaerte Kardinal Walter Kasper, Vorsitzender des Paepstlichen Rates zur Foerderung der Einheit der Christen, in einem Gespraech mit der Lutherischen Welt-Information (LWI). Es muesse alles getan werden, um zur vollen Gemeinsamkeit zu finden, aber auch um die bereits bestehende Gemeinsamkeit voll zur Geltung zu bringen. "Wir haben mehr gemeinsam, als uns trennt", betonte Kasper, der die Delegation der roemisch-katholischen Kirche leiten wird, die an der Zehnten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) vom 21. bis 31. Juli im kanadischen Winnipeg teilnimmt.
 
Das Thema der Vollversammlung "Zur Heilung der Welt" sei ueberaus aktuell, so Kasper. Die Welt sei nicht heil, sie sei sehr verwundet durch Krieg und Gewalt, durch Ungerechtigkeit und das Nord-Sued-Gefaelle. Aber auch im Westen "tun sich neue Kluefte auf, und ich denke, der Grundauftrag der Kirche ist die Botschaft der Versoehnung und damit der Heilung und des Friedens unter den Menschen", betonte der Praesident des Einheitsrates.
 
Mit grosser Erwartung schaue er auf die Vollversammlung in Winnipeg, erklaerte Kardinal Kasper, denn seit der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklaerung zur Rechtfertigungslehre (GE) habe das Verhaeltnis zwischen der roemisch-katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund sowie den lutherischen Kirchen eine neue Qualitaet und Intensitaet erhalten. "Es bestehen sehr viele freundschaftliche Beziehungen." Mit der Unterzeichnung der GE am 31. Oktober 1999 sei in der Substanz das wichtigste Problem der Reformation geloest worden. Jedoch sei weiterhin "noch sehr viel zu tun an Versoehnungs- und Heilungsarbeit zwischen den Kirchen".
 
Als ausserordentlich wichtig bezeichnete Kasper, dass der LWB und die roemisch-katholische Kirche wie kuerzlich im Zusammenhang des Irak-Konflikts praktisch mit einer Stimme gesprochen und sich fuer den Frieden in der Welt stark gemacht haetten. "Das scheint mir ein wichtiges gemeinsames Zeugnis zu sein. Ich hoffe, dass es Schule macht fuer die Zukunft", so Kasper. Durch ein gemeinsames Auftreten wachse die Glaubwuerdigkeit des Zeugnisses der christlichen Kirchen.
 
Felder der gemeinsamen Arbeit und des gemeinsamen Zeugnisses seien das gemeinsame Engagement in den Fragen der Gerechtigkeit in der Welt und auch in der Hilfe fuer von HIV/AIDS Betroffene. Wahrscheinlich bestehe auch im interreligioesen Dialog weitestgehend Gemeinsamkeit. Durch diese Zusammenarbeit wachse auch wieder Vertrauen und tieferes Verstaendnis fuer die Fragen, "wo wir leider Gottes noch nicht in einer vollen Einheit stehen", betonte Kasper.
 
Als wichtigstes Ergebnis in Folge der Unterzeichnung der GE benannte Kasper, dass sich die roemisch-katholische Kirche und die Kirchen der lutherischen Gemeinschaft jetzt in der Substanz einig seien ueber den wesentlichen Inhalt des Evangeliums. "Das heisst, wir koennen gemeinsam Zeugnis geben in einer Welt, die mehr und mehr, besonders bei uns im Westen, saekularisiert geworden ist." Die LWB-Vollversammlung in Winnipeg solle nach Moeglichkeit ein solches gemeinsames Zeugnis, ein gemeinsames Wort an eine weithin saekularisierte Welt sein, der die menschlichen und christlichen Werte immer mehr abhanden kommen. Eine weitere positive Folge der Unterzeichnung der GE sei, dass die lutherischen Minderheitskirchen, etwa in Suedamerika, in ganz anderer Weise ernst genommen wuerden von der katholischen Mehrheitskirche.
 
Im Blick auf die gemeinsame Feier des Abendmahls, bzw. die zumindest gastweise Einladung betonte Kasper, dass die GE ein Meilenstein sei, aber noch nicht das Ziel. Die GE sei fuer die roemisch-katholische Kirche noch kein hinreichender Grund, zu einer gemeinsamen Abendmahlsfeier zu kommen. Als Grund nannte er neben manchen noch etwas ungeklaerten Fragen der Eucharistielehre, obwohl da zwischen LutheranerInnen und KatholikInnen eine grosse Annaeherung bestehe, das unterschiedliche Kirchen- und Amtsverstaendnis.
 
"Fuer uns Katholiken bilden die Kirchengemeinschaft und die Abendmahlsgemeinschaft eine Einheit, man kann sonst leider nicht zur innersten Gemeinsamkeit, was die Eucharistie bedeutet, zusammenkommen und dann in unterschiedliche Kirchen auseinanderlaufen. Ich kann es auch anders ausdruecken: Wesentlich fuer die Eucharistiegemeinschaft ist fuer uns, dass man am Ende des eucharistischen Hochgebets Amen sagen kann. In der katholischen Liturgie antwortet die Gemeinde mit Amen, das heisst, sie stimmt dem, was geschehen ist und was im Hochgebet gesagt worden ist, zu. Nur der, der Amen sagen kann, kann dann auch nachher kommen und die Hand hinhalten, sonst ist die Kommunion ja nicht ehrlich", erklaerte Kardinal Kasper.
 
Etwas anderes sei es, dass nach katholischer Auffassung in begrenzten Einzelfaellen oder unter bestimmten Umstaenden, wenn ein weltlicher, geistlicher Notstand bestehe, ein/e nicht-katholische/r ChristIn zum Abendmahl, zur Eucharistie zugelassen werden koenne. "Also die wirklichen Notfaelle geistlicher Art, da kann man pastorale Einzelloesungen finden, aber eine allgemeine Einladung scheint uns, der katholischen Kirche, im Unterschied zu den Lutheranern im Augenblick noch nicht moeglich zu sein." Das sei kein Ruhekissen, sondern eine Herausforderung, alles nur Moegliche zu tun, um weiterzukommen, betonte Kasper.