Mehr Teilhabe in der Gesellschaft

Landesbischof Ulrich Fischer sprach vor CDU-Sozialausschüssen

Evangelische Landeskirche in Baden

22. Juli 2006

Donaueschingen (22.07.06)  Die Gesellschaft müsse mehr Teilhabe ermöglichen. Dabei müsse die Option für die Armen die Bemühungen anleiten. Vor den CDU-Sozialausschüssen Baden-Württemberg erläuterte Landesbischof Ulrich Fischer am Samstag in Donaueschingen die neueste Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Titel „Gerechte Teilhabe - Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität“.

Soziale Gerechtigkeit setze an bei der „Teilhabe“, so der Bischof. Sie sei also Beteiligungsgerechtigkeit. Wenn es um soziale Gerechtigkeit gehe, sei mehr nötig als eine Neuverteilung von Vermögen und Reichtum. „Zugespitzt kann man sagen: Armut ist mangelnde Teilhabe an der Gesellschaft“, sagte Fischer. Das bedeute mangelnde Teilhabe an materiellen Gütern, aber ebenso fehlende Teilhabe an Arbeit, Bildung, sozialem, kulturellem und kirchlichem Leben, bürgerschaftlichem Engagement und nicht zuletzt politischer Mitgestaltung und demokratischen Prozessen. Eine Schlüsselbedeutung habe in diesem Zusammenhang die Ermöglichung von Arbeit und eigenem Erwerbseinkommen. Dass eine große Zahl von Menschen davon ausgeschlossen sei, erweise sich als die größte Herausforderung. Aktive Beteiligung schließe für die Gesellschaft auch ebenso wichtige Formen wie das bürgerschaftliche Engagement sowie die Familien- und Erziehungsarbeit mit ein.

Fischer berief sich auf die „Option für die Armen“, die im Gemeinsamen Wort der beiden Kirchen zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland aus dem Jahr 1997 beschrieben wurde. „In der Perspektive einer christlichen Ethik muss alles Handeln und Entscheiden in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an der Frage gemessen werden, inwiefern es die Armen betrifft, ihnen nützt und sie zu eigenverantwortlichem Handeln befähigt“, zitierte Fischer das Sozialwort. Wohlhabende seien zum Teilen und zu wirkungsvollen Allianzen der Solidarität verpflichtet. Diese Option für die Schwachen und Benachteiligten habe in der Sozialethik beider Kirchen in den letzten Jahrzehnten eine zentrale Bedeutung gewonnen. Sie stütze sich auf wesentliche biblische Überlieferungen.

„Eine Gesellschaft, die sich vom Maßstab der Beteiligungsgerechtigkeit leiten lässt, muss so gestaltet sein, dass möglichst viele Menschen in der Lage sind, ihre jeweiligen Begabungen zu erkennen, sie auszubilden und schließlich produktiv für sich selbst und andere einsetzen zu können“, erläuterte der Landesbischof. Was dies konkret bedeuten könne, zeigte der Landesbischof an den Bereichen Wirtschaft - Bildung - Familie - sowie Diakonie und Kirchengemeinden auf.

Hinsichtlich des Bereichs der Wirtschaft nannte Fischer die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Integration von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt, eine Umlenkung in der Steuerpolitik sowie die Weiterentwicklung eines sozial abgesicherten Niedriglohnbereichs und des so genannten „zweiten“ oder auch „dritten Arbeitsmarkts“. Er betonte die notwendige Verbesserung  der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Zum Bereich der Bildung betonte Fischer, dass eine Gesellschaft, deren Ziel die Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität ihrer Mitglieder ist, ein besonderes Augenmerk auf die Bildung legen müsse, wobei Bildung weit mehr meine als bloße Wissensvermittlung. Vielmehr solle Bildung Kompetenzen vermitteln, die auf die Entwicklung von Eigenverantwortung und Solidarität zielten.

Der Familie misst der Landesbischof hinsichtlich der Entwicklung einer sozialen Beteiligungsgerechtigkeit eine besondere Bedeutung zu. Zum einen würden in der Familie Werte vermittelt, die für die Möglichkeiten der Teilhabe an der Gesellschaft entscheidend seien. Zum andern werde Armut in Deutschland oft innerhalb einer Familie „weitervererbt“. Deshalb komme dem systematischen Ausbau der Infrastruktur für Bildung, Betreuung und Förderung große Bedeutung zu.

Die Kirche setze sich durch ihr diakonisches Engagement für die Entwicklung einer sozial gerechten Gesellschaft ein, betonte Fischer. Durch diakonisches Engagement würden Kompetenzen und Erfahrungen ebenso wie das christliche Menschenbild in den zivilgesellschaftlichen Diskurs über soziale Gerechtigkeit eingebracht. Diakonisches Handeln orientiere sich gezielt am Prinzip der Beteiligungsgerechtigkeit, indem es Handlungskonzepte und konkrete Dienstleistungen entwickele mit dem Ziel, eine gerechte Teilhabe der Armen zu schaffen und diese zu sichern. Fischer stellte fest, dass der dem christlichen Glauben innewohnende Realitätssinn vor der Versuchung bewahre zu meinen, Menschen könnten mit ihrer Kraft alle Armut endgültig aus der Welt schaffen. Aber gerade deshalb sei es eine Christenpflicht, alles zu tun, damit jeder mit seinen Gaben und Fähigkeiten in der Gesellschaft Anerkennung finde und zur eigenen Versorgung sowie zum Wohl aller das ihm Mögliche beitragen könne.

Zur Info:
Die Sozialausschüsse der CDU vertreten innerhalb der Landespartei die Interessen der Arbeitnehmer, der Familien und der sozial Schwachen auf Grundlage christlich sozialer Werte. Die Orientierung an Werten wie Eigenverantwortung und Solidarität ist der CDA wichtig in einer Zeit globaler Umwälzung, von der alle Bereiche des Arbeitslebens erfasst sind. In den Sozialausschüssen arbeiten sozial engagierte CDU Mitglieder und wirtschaftspolitisch Interessierte. die CDU möchte die Zukunft der Sozialen Sicherheit mitgestalten. Mehr Informationen zu den Sozialausschüssen der CDU Baden-Württemberg (CDA) finden Sie auf der Website: www.cdu-bw.de/cda

Pressesprecher
Marc Witzenbacher

22. Juli 2006