Erklärung des Evangelischen Militärbischofs zur Frage militärischer Aktionen gegen Libyen

Andere

21. März 2011

Bundesregierung hat nach dem Abwägen der verschiedenen Argumente entschieden, dass Deutschland sich nicht an militärischen Aktionen gegen die libysche Regierung beteiligen wird. Sowohl aus der Perspektive der evangelischen Friedensethik als auch mit Blick auf die deutschen Soldatinnen und Soldaten begrüße ich diese Entscheidung. Ich verstehe den von vielen Seiten geäußerten Wunsch, den Menschen in Libyen bei ihrem Kampf um Selbstbestimmung zu helfen. Es ist bitter, der Gewalt und dem  Unrecht tatenlos zusehen zu sollen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt hat die internationale Gemeinschaft nach meiner Wahrnehmung kein Konzept, wie nach einer solchen  Aktion in Libyen eine neue Rechtsordnung dauerhaft etabliert werden könnte; auch haben wir keine ausreichenden Informationen über die Situation im Land und die Hintergründe des Bürgerkrieges und der handelnden Parteien, um eine Lösung des Konflikts herbeizwingen zu können. Nicht nur die politische Klugheit, sondern auch die christliche Friedensverantwortung verlangt, dass die Fragen nach Begründung und Perspektive eines Gewalteinsatzes vorher geprüft und beantwortet werden.

Auch wenn in der öffentlichen Diskussion in Deutschland nur von einer „Flugverbotszone“ die Rede ist, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es um die konkrete Androhung und Anwendung militärischer Gewalt geht, die den Abschuss von Flugzeugen und die Bombardierung von Bodenstellungen und die deutliche Gefahr einer weiteren Eskalation einschließen würde. Die Beispiele der internationalen Militäreinsätze der vergangenen Jahre zeigen, dass es sich nicht um kurze, abgeschlossene Aktionen handelt, sondern dass der Beginn eines Engagements wahrscheinlich wäre, das sich über Jahre hinziehen und zusehends schwieriger zu begründen sein könnte. Die
Beobachtung, dass auf der internationalen Bühne Akteure, die bis in jüngste Zeit hinein dem Regime in Tripolis freundschaftlich verbunden schienen, jetzt jede Verhandlung kategorisch ablehnen, bestätigt meine Sorge, dass zu wenige Informationen über die tatsächliche Situation vorhanden sind.

Die Soldatinnen und Soldaten haben ein Recht darauf, dass wir sie nur entsenden, wenn es für den Einsatz eine klare ethische, politische und zeitliche Perspektive gibt. Deshalb bin ich der Bundesregierung dankbar, dass sie Argumente abwägt und nach Informationen und Konzepten sucht, bevor sie deutsche Streitkräfte in einen Militäreinsatz schickt. Dass sie hierfür mit dem Argument fehlenden Mutes kritisiert wird, erfüllt mich mit Blick auf die Menschen, die Deutschland nach Libyen schicken würde und die es bereits in die anderen Einsätze ans Horn von Afrika, nach Afghanistan und auf den Balkan schickt, mit Enttäuschung. Diese Debatte haben sie nicht
verdient.

Berlin, 21. März 2011

Dr. Martin Dutzmann
Evangelischer Militärbischof