Diakonie skeptisch gegenüber derzeit diskutiertem Kombilohnmodell

Verweis auf "enormes Potential an Beschäftigung" im freigemeinnützigen Bereich

Diakonisches Werk der EKD (DW)

19. Juli 2006

Das Diakonische Werk der EKD steht dem diskutierten Kombilohnmodell skeptisch gegenüber. "Wir begrüßen Initiativen zur Verbesserung der Lage älterer Arbeitssuchender, sehen aber, dass dieses Modell keinen nachhaltigen Beitrag zur Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze in Deutschland leistet", kommentiert Dr. Bernd Schlüter, sozialpolitischer Vorstand der Diakonie. Dies müsse aber derzeit als dringlichstes arbeitsmarktpolitisches Ziel im Vordergrund stehen.

"Unserer Einschätzung nach brauchen ältere Arbeitssuchende keine besonderen finanziellen Anreize. In der Regel sind diese Menschen sehr erfahren, qualifiziert und hoch motiviert. Das eigentliche Problem ist der Mangel offener Stellen", fügt Schlüter an. Fehlanreize bestünden vielmehr in der Weise, dass über bestimmte Tarifsysteme und falsche Vorruhestandsprogramme Unternehmen Anreize erhielten, sich von älteren Arbeitnehmern zu trennen, so Schlüter. Etwa die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland beschäftigen heute keine Mitarbeitenden über 50 Jahren. Dieser Effekt werde durch die als Einstellungsanreiz gedachten befristeten Zuschüsse für Unternehmen nicht hinreichend ausgeglichen.

Ein Modell befristeter Zuschüsse stelle keine Maßnahme zur nachhaltigen Existenzsicherung bei Niedrigstlöhnen dar. "Die Existenzsicherung ist bereits im SGB II geregelt", so Schlüter. Die Diakonie befürchtet zudem, dass Mitnahmeeffekte und Verdrängungsmechanismen  nicht auszuschließen seien, da Firmen durch dieses Programm veranlasst werden könnten, Stellen zunächst freizumachen, um sie anschließend  bei geringerem Gehalt neu zu besetzen. Dies werde dann auch noch durch staatliche Zuschüsse gefördert.  Dadurch könne sich insgesamt der Druck auf die Tariflöhne und das Tarifsystem weiter erhöhen, welches aus Sicht der Diakonie kritisch bewertet wird.

"Soweit ein Kombilohnmodell geeignet ist, ohne negative Randeffekte Impulse für eine vermehrte Einstellung von älteren Arbeitslosen zu setzen, hat es unsere Unterstützung", so Dr. Bernd Schlüter in Berlin. "Nach wie vor plädieren wir jedoch für eine Reihe weiterer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen: für die kostenneutrale Schaffung von Dauerarbeitsplätzen im gemeinwohlorientierten Bereich und den Ausbau von betreuten Beschäftigungsstrukturen für Menschen mit Vermittlungshemmnissen. Und als flankierende Maßnahmen für den qualitativen und quantitativen Ausbau des Erziehungs- und Bildungssektors sowie eine Absenkung der Lohnnebenkosten." Wiederholt habe die Diakonie auch darauf hingewiesen, dass im freigemeinnützigen Sozial- und Gesundheitssektor ein enormes Potential an Beschäftigung bestehe. Da Finanzierungen dieser Arbeit zu 75 Prozent direkt in Arbeitsplätze und nicht in private Profite oder Rationalisierungsmaßnahmen fließen, handle es sich hier "um beschäftigungspolitisch hoch effiziente
Investitionen, wo derzeit viel zu wenig geschieht", so Schlüter.  


Wenn Sie Fragen hierzu haben, wenden Sie sich gern an die Pressestelle der Diakonie.

Internet: www.diakonie.de  
Stichwort: Option sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze

Berlin, 19. Juli 2006  


Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.
Barbara-Maria Vahl
Pressesprecherin

Diakonie-Pressestelle
Reichensteiner Weg 24
14195 Berlin-Dahlem
Telefon (030) 8 30 01-130
Fax (030) 8 30 01-135
E-Mail: mailto:pressestelle@diakonie.de
Internet: www.diakonie.de