Gott ist nicht „Herr“ – die schwierige Suche nach dem Namen des Höchsten

Experten: Bei Bibelübersetzungen Rücksicht auf jüdische Tradition und Publikum nehmen

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT)

26. Mai 2005

Herr, Jahwe, Adonai, Vater, unendliche Kraft – was ist die angemessene Bezeichnung für Gott? Letztlich unmöglich ist die treffende Übersetzung des Gottesnamens nach Ansicht von Experten deshalb, weil er im Alten Testament nur aus den vier Konsonanten JHWH besteht. Ihre korrekte Aussprache ist unbekannt, weil der Name des Allerhöchsten aus Respekt vor seiner Heiligkeit nicht ausgesprochen werden darf und durch Ersatznamen ersetzt wird.

Wer heute biblische Texte übersetze, müsse sich „in Solidarität vor der Synagoge“ ins Werk machen, verlangte am Donnerstag der Amsterdamer Alttestamentler Professor Karel Adriaan Deurloo bei einem Podiumsgespräch im Zentrum Bibel des Kirchentages. Unter dem Titel „Den Namen Gottes zu übersetzen ist unmöglich – also tun wir es“ leuchteten fünf Bibelwissenschaftler die Probleme bei der Suche nach einer angemessenen Sprache aus.

Professor Martin Leutzsch (Paderborn) betonte die „ethische Dimension“ jeder Übersetzung: Es gelte, Respekt sowohl gegenüber dem zu übersetzenden Text als auch im Blick auf die Gemeinschaft, für die übersetzt wird, zu üben. In dieser Tradition steht seit zwei Jahrzehnten auch der Kirchentag. Er unterhält eine eigene Arbeitsgruppe, die sich um eine adäquate Übersetzung der Bibel bemüht, die sowohl geschlechterspezifische Aspekte wie jüdische Schrifttraditionen berücksichtigt.

Aus feministischer Sicht sei die traditionelle, männlich-dominante Bezeichnung „Herr“ nicht mehr akzeptabel, bekräftigten die katholische Theologin Professor Irmtraud Fischer (Graz) und die jüdische Theologin und Psychotherapeutin Rachel Monika Herweg (Berlin) übereinstimmend. Da „Herr“ im Deutschen ein „Allerweltswort“ sei, so Professor Jürgen Ebach (Bochum), würde dieser Ausdruck zudem eine „Banalisierung“ der Anrede Gottes darstellen.

Außerdem widerspreche eine maskuline wie feminine Gottesvorstellung dem biblischen Gebot, sich von Gott kein Bildnis zu machen. Es sei deshalb kein Zufall, dass die Bibel eine Fülle von Bildern und Umschreibungen für die Gottheit kenne, so Herweg. Das lasse Spielräume beim Übersetzen. Dennoch waren sich alle Experten darin einig, dass es die eine einzig-richtige Übersetzung nicht gebe. Auch wenn niemand eine völlig unproblematische Version vorlegen könne, so Ebach, müsse man sich an die Arbeit machen – im Namen Gottes.

26. Mai 2005
Nachrichtenredaktion Kirchentag