Köhler will verstärkte Wertediskussion

Bundespräsident nennt Bildungssystem peinlich – Jugend soll sich politisch engagieren

Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT)

26. Mai 2005

Bundespräsident Horst Köhler hat sich auf dem  Evangelischen Kirchentag in Hannover für eine verstärkte Wertediskussion in Deutschland eingesetzt. „Es muss klar sein, für was unsere Gesellschaft steht“, sagte er am Donnerstagmittag in der überfüllten Halle des Zentrums Jugend. Eine solche Auseinandersetzung könne beispielsweise dem Thema Generationengerechtigkeit erst „Substanz“ verleihen. Er forderte Jugendliche bei einer Podiumsdiskussion zudem auf, sich mehr in politische Fragen einzumischen und das Thema Generationen nicht allein den Berufspolitikern zu überlassen.

Köhler bezeichnete das deutsche Bildungssystem mit seinen Schwächen als „peinlich“. Die Bundesrepublik habe die vergangenen 30 Jahre verschlafen. „Das müssen nun die Jungen ausbaden“, so der Bundespräsident. Trotz Schwierigkeiten hätten die Deutschen aber keinen Grund, die allgemeine Situation als „unumgänglich schlecht“ zu bezeichnen. „Es kommt darauf an, was wir daraus machen“, sagte er. Köhler wies zudem darauf hin, dass es heute nicht mehr möglich sei, ein Land isoliert zu betrachten. Köhler: „Das 21. Jahrhundert muss das Jahrhundert sein, eine Weltinnenpolitik zu gestalten.“

Bei der Debatte mit dem Titel „Wie können wir glauben? Einfach glauben“ sprach sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, gegen einen Beitritt der Türkei und Russlands zur Europäischen Union aus. Die Türkei gehöre weder geographisch noch kulturell zu Europa. Die Vorstellung, dass Russland eines Tages zur EU gehöre und sie damit bis Wladiwostok reiche, übersteige seine Vorstellungskraft. Dies zerstöre die „historische Chance, dass Europa eine politische Einheit wird“. Schäubles Ansicht nach sei derzeit zudem eine Rückwendung zum Religiösen zu spüren. Viele Menschen nähmen wahr, dass man „ohne Glauben nur schlecht leben kann“. 

Christa Nickels, kirchenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, mahnte Politiker zu mehr „Demut“, die nicht mit „Sauertöpfigkeit“ verwechselt werden dürfe. Der christliche Glaube lehre, dass nichts vollkommen sein könne – „auch in der Politik nicht“. Sie warnte vor einer neuen Diskussion in Deutschland um die verbrauchende Embryonenforschung. Der „Rohstoff“ für die Labors, weibliche Eizellen, würden von Frauen aus Ländern der Ditten Welt geliefert. Neue Abhängigkeitsverhältnisse der armen von den reicheren Ländern seien die Folge.

26. Mai
Nachrichtenredaktion Kirchentag