Die letzten Stunden – mit Gebet und Segen

Seelsorger Karl Alt als Filmfigur / Münchener Pfarrer half bei Dreharbeiten

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

23. Februar 2005

Marc Rothemunds Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“, der kürzlich bei der Berlinale zwei silberne Bären gewonnen hat, kommt morgen in die Kinos. Das packende Leinwanddrama beleuchtet auch den festen Glauben der Widerstandskämpferin und wirft zudem ein Schlaglicht auf den Münchener Pfarrer Karl Alt, der Sophie Scholl vor ihrer Hinrichtung seelsorgerlich begleitete – eine Begebenheit, die durch Aufzeichnungen des Geistlichen verlässlich belegt ist und jetzt durch sachkundige kirchliche Beratung realistisch verfilmt werden konnte.

Die rund 300 evangelischen Seelsorger, die derzeit in deutschen Justizvollzugsanstalten eingesetzt sind, können ab morgen im Kino einen „Vorfahren“ erleben, der einst unter grauenhaften Bedingungen arbeiten musste: „Ich ahnte damals nicht, was das in Zukunft für mich zu bedeuten hätte“, schreibt Karl Alt 1946. Da blickt der evangelische Pfarrer zurück auf „eine völlig neue Epoche der deutschen Justiz mit all ihrer himmelschreienden Gesetzlosigkeit und Willkür“ – und seine besondere Rolle darin. In die Luthergemeinde München-Giesing war er 1934 gekommen. Damit zählte zu seinen Aufgaben auch die Seelsorge an den Häftlingen im Gefängnis München-Stadelheim, wo bald sämtliche „Todeskandidaten“ aus Bayern hingerichtet wurden – wie auch die Geschwister Scholl und deren Mitstreiter von der Weißen Rose.

Karl Alt: Seelsorger und Zeitzeuge

Der preisgekrönte Film ruft in Erinnerung, wie schnell damals alles ging: am 18. Februar verhaftet, mussten Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst schon am 22. Februar ihr Leben lassen. Ihr letzter Begleiter war mit Pfarrer Karl Alt ein engagierter, einfühlsamer Seelsorger, der durch seine Aufzeichnungen zudem wichtige historische Zeitzeugenarbeit geleistet hat. So schildert er beeindruckt die tiefe Frömmigkeit der beiden Geschwister, ihre Sehnsucht nach biblischem Trost, gemeinsamem Gebet und der Feier des Heiligen Abendmahls. Pfarrer Alt sprach den 90. Psalm und das „Hohelied der Liebe“ (1. Korinther 13), was Hans Scholl in seinem Abschiedsbrief dankbar fest hält: „Jetzt ist alles gut!“ Als letzten Bibelvers wählte der Geistliche ein Wort Jesu aus dem Johannesevangelium: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh 15,13).

Buchtipp: Karl Alt: Überschreiten von Grenzen. Texte, Briefe, Gespräche, München 1994.

Abendmahl und Sterbesegen

Zwar ist das Heilige Abendmahl, mit dem Sophie und Hans Scholl ihr Leben beschlossen, im Film der Dramaturgie des Drehbuchs zum Opfer gefallen. Dennoch wird im Film an mehreren Stellen deutlich, dass der christliche Glaube für Sophie Scholl eine tragfähige Grundlage ihres Lebens bildete. Man sieht und hört sie mehrfach beten – einmal merkwürdiger Weise mit Worten des Kirchenvaters Augustin („Mein Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir“). Und der Sterbesegen, den Pfarrer Alt über Sophie Scholl gesprochen hat, ist nicht nur besonders eindrücklich, sondern auch realitätsnah wiedergegeben. Hintergrund: Regisseur Marc Rothemund hatte während der Dreharbeiten kurzerhand einen evangelischen Pfarrer angerufen und um fachmännische Beratung gebeten. Dazu war Christoph Reichenbacher, Pfarrer in München-Harlaching, sofort bereit und konnte am Set durch einige Tipps aus der liturgischen Praxis dazu beitragen, dass Schauspieler Walter Hess nun als Karl Alt wie ein „echter“ Pfarrer wirkt. Damit setzt er einem bedeutenden Seelsorger ein Denkmal, der an schwierigster Stelle trostreiche Hilfe für „Todeskandidaten“ geleistet hat – und so dem Nazi-Regime indessen Mordkammern ein kleines Stück Freiraum für fromme Menschlichkeit abtrotzte.

München, 23. Februar 2005

Markus Hepp
Pressesprecher