„Wahlfreiheit“ für Frauen und Männer – eine evangelische Perspektive für die Zukunft der Familie?

3. Fachtagung: Leben mit Kindern in einer flexiblen Arbeits-Welt

Frauenstudien- und -bildungszentrum der EKD

26. Oktober 2007

Wahlfreiheit bei der Familien- und Erwerbsarbeit ist für Frauen wie Männer nicht mehr als ein schöner Schein." Das sagte heute die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats und der Ev. Frauenhilfe in Deutschland, Brunhilde Raiser, bei der 3. Fachtagung "Leben mit Kindern in einer flexiblen Arbeitswelt" in Kassel. Ein sehr geringer Prozentsatz der Frauen und Männer in Deutschland sei in der Situation, sich aussuchen zu können, in welchem Maße die Erwerbsarbeit stattfinden solle. Es müsse sich aber auch etwas in den Köpfen ändern, um vom Konzept "hegemonialer Männlichkeit" im Berufsalltag wegzukommen.

Deutschland ist ein sehr kinderunfreundliches Land, so Ingrid Fischbach, Bundestagsabgeordnete der CDU / CSU Fraktion. Es sei wichtig anzuerkennen, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe gibt und keine Lebensform gegenüber einer anderen abzuwerten ist. Es müssen politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden, die eine wirkliche Wahlfreiheit ermöglichen. Bisher trifft das nur für einen sehr geringen Teil der Bevölkerung zu.

Uta Meier-Gräwe, Professorin für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft in Gießen, erläuterte in Zahlen die erschreckenden Armutsquoten von Kindern in Deutschland. Armut werde aber nicht effektiv bekämpft, sondern "verwaltet". Die soziale Herkunft eines Kindes bestimme in keinem anderen europäischen Land so sehr den Schulerfolg und den Bildungsabschluss wie in Deutschland. Das bedeute, dass sozialer Aufstieg durch Bildung immer weniger häufig erreicht werde. Politik und Bildungssysteme würden auf diesen Notstand zu langsam reagieren. Weder Kinder noch Frauen noch Männer hätten hierzulande eine ausreichende Wahlfreiheit, wie sie ihr Leben gestalten wollten. Meier-Gräwe, die u.a. Mitglied im Kompetenzteam "Familienbezogene Leistungen" im Bundesfamilienministerium ist, forderte Flexibilitätszeiten für Frauen und Männer: Auf Zeitkonten sollten sie Punkte sammeln können, die sie selbst durch die Care-Leistungen für Kinder, Jugendliche und Ältere erwürben. Diese Punkte könnten sie immer dann für sich nutzen, wenn sie selbst Hilfe und Unterstützung bräuchten. Diese Flexibilitätszeiten müssten bundespolitisch flankiert werden.

Reinhold Mokrosch, evangelischer Theologe und Professor für Religionspädagogik in Osnabrück, kontrastierte das Familienbild der liberalen und der konservativen evangelischen Theologie. Während für die eine "Wahlfreiheit" theologisch ableitbar sei, verbiete sie sich für die andere. Konservative Theologie idealisiere ein lutherisch geprägtes, evangelisches Familienbild, das sich über die Jahrhunderte aber immer nur der herrschenden Ökonomie angepasst habe. Von daher müsse sich Theologie heute darüber klar werden, wie die Realität von Kindern, Frauen und Männern aussehe, um nicht veralteten und nicht mehr lebbaren Mustern nachzuhängen.

Veranstaltet wurde die Tagung vom Frauenstudien- und -bildungszentrum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Kooperation mit dem Referat für Chancengerechtigkeit der EKD, der eaf und anderen Einrichtungen der evangelischen Kirche. Zur Fachtagung erscheint eine Dokumentation, die 2008 auf dem Markt sein wird, so Studienleiterin Dr. Kirsten Beuth.

Gelnhausen, 26. Oktober 2007

Gabriele Zich
Öffentlichkeitsarbeit