Fusion und Zentralisierung reformieren die evangelische Kirche nicht

Drei Fragen an Kirchenpräsident Eberhard Cherdron

Evangelische Kirche der Pfalz

06. Juli 2006

Frage: "Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert" - lautet der Titel des Impulspapiers der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das heute (6.Juli 2006) veröffentlicht wird. Ein Vorschlag darin: Die Zahl der Landeskirchen soll von 23 auf acht bis zwölf reduziert werden. Was bedeutet das für die pfälzische Landeskirche, die ja zu den kleineren Landeskirchen gehört?

Cherdron: Wir haben mit unseren 620.000 Mitgliedern in der Evangelischen Kirche der Pfalz eine gute Größenordnung. Das zeigt sich immer wieder, zum Beispiel bei den Presbyteriumswahlen, bei denen wir eine hohe Beteiligung hatten und bei unserem pfälzischen Kirchentag 2004 mit seinen vielen Besuchern. Ich sehe nicht, warum wir daran etwas ändern sollten. Das Papier der EKD soll und wird sicherlich für heftige Diskussion in den Landeskirchen sorgen. Ich bin skeptisch, ob die darin vorgeschlagenen Mittel tatsächlich geeignet sind, die Kirche zukunftsfähig und attraktiv zu machen. Die EKD möchte auf die Reform der Landeskirchen dieselben Grundsätze anwenden, die wir aus der Wirtschaft kennen. Fusionen und Zentralisierung aber tragen in der Kirche nicht unbedingt dazu bei, dass bessere Arbeit geleistet wird. Ich kann auch nicht erkennen, dass die Reduktion der Zahl der Landeskirchen und die Hervorhebung besonderer Zentren des Protestantismus die evangelische Kirche überzeugender werden lässt.

Frage: Was halten Sie von dem Vorschlag, angesichts immer weiter sinkender Mitgliederzahlen die Zahl der Pfarrstellen drastisch zu reduzieren von derzeit 21.000 auf 13.000?

Cherdron: Ich denke, auch hier müssen wir deutlicher differenzieren. Für den südwestdeutschen Raum sehe ich keinen Rückgang der Gemeindeglieder um 50 Prozent bis zum Jahr 2030. Ich vermute eher, dass es 10 bis 15 Prozent sein werden. Schon von daher halte ich es nicht für ratsam, bei uns die radikalen Einschnitte bei den Pfarrern durchzuführen, wie die EKD sie ankündigt.

Frage: Geht es nach der EKD, dann sollen auch "vergleichbare Qualitätsstandards in den Kernvollzügen der evangelischen Kirche" sichergestellt werden. Verkündigung, Seelsorge, Liturgie sollen nicht mehr von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gut ausfallen. Die "Trauquote" von Mitgliedern der evangelischen Kirche soll bei 100 Prozent liegen, genauso wie die "Taufquote" von Kindern evangelischer Eltern. Besteht hier Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf?

Speyer, 06. Juli 2006

Pressestelle

Cherdron: Es ist sicherlich gut, wenn wir uns vornehmen, dass die Zahl der Gottesdienstbesucher verdoppelt werden sollte und mehr Menschen von kirchlichen Angeboten Gebrauch machen. In den Gemeinden wird und muss zielorientiert gearbeitet werden. Mit der Kircheneintrittskampagne, die wir im vergangen Jahr begonnen haben, wenden wir uns an die etwa 200 bis 300 aus der Kirche ausgetretenen Mitglieder, die im Durchschnitt in jeder unserer Kirchengemeinden leben. Es wäre gut, wenn wir uns vornehmen, diese Menschen wieder zurück zu gewinnen. Das ist eine große Herausforderung, und die sollten wir uns zum Ziel setzen. Aber auch hier zeigt sich, wie unangemessen das Vokabular des Impulspapiers an vielen Stellen ist. Worte wie "Trauquote" und "Qualitätsoffensive" sind nicht hilfreich. Wer möchte sich schon bei seiner Trauung als das Objekt einer  "Qualitätsoffensive" begreifen?