Die ganze Band-Breite

Moderne Medienzentrale, Bibliothek und Büchereiverband unter einem Dach

Evangelische Kirche der Pfalz

Allein mit Philipp Melanchthon im „Verlies“ – das ist für die Leiterin der Bibliothek und Medienzentrale der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) ein eher seltenes Highlight im beruflichen Tagesablauf. Natürlich ist Dr. Traudel Himmighöfers „Schatz“ nicht leibhaftig bei dem Rendezvous zugegen – schließlich ist der Reformator schon seit 463 Jahren tot. Ihr Lieblingsstück unter den Jahrhunderte alten Bänden, die für die Öffentlichkeit unzugänglich im Untergeschoss der Kirchenbibliothek lagern, ist ein Autograph, ein handgeschriebenes Werk des großen Kirchenmannes.

Traudel Himmighöfer, „Herrin“ über rund 80.000 Bücher und 5.000 Medien, hat kaum Zeit, in den kühlen Keller abzutauchen, um in Ruhe in einem Kräuterbuch von 1560 oder einem Traktat mit dem lateinischen Titel „Origenes contra Celsum“ aus dem Jahre 1481 zu blättern. Die Theologin und Bibliothekarin im höheren Dienst, die außerdem ein Germanistik-Studium absolviert hat, muss vielmehr eine moderne Einrichtung managen, zu deren Kunden Theologen, Wissen-schaftler und Pädagogen ebenso zählen wie an einem bestimmten Thema interessierte, ganz „normale“ Nutzer.

„Bibliothekarische Dreieinigkeit“

„Bibliothekarische Dreieinigkeit“ nennt die Leiterin das innerhalb der EKD einmalige Konstrukt der Pfälzischen Landeskirche, das Bibliothek, Medienzentrale und Büchereiverband sowohl in einer Hand als auch unter einem Dach zusammen fasst. Außerdem betreut sie seit einem Jahr die Kunstsammlung des Landeskirchenrats.

Tausende von Büchern, Zeitschriften, Sammelbänden, CD’s, DVD’s, Videos und alte 16-Millimeter-Filmrollen sind in den 1998 bezogenen Räumen im repräsentativen Neubau der Landeskirche auf einer Magazinfläche von rund 500 Quadratmetern untergebracht. Ein nicht geringer Teil des Gesamtbestands wird im fast 200 Quadratmeter großen, mit zwei Internetarbeitsplätzen, Videorekorder, DVD- und CD-Player, Dia-Lichtpult, Microfichlese- und Kopiergerät ausgestatteten Lesesaal im Erdgeschoss präsentiert. An neun Leseplätzen und einem runden Tisch mit sechs weiteren Sitzplätzen kann geschmökert und gearbeitet werden. An Neuerwerbungs-Regalen, Präsentations-Ständern und Zeitschriften-Fächern hat der Besucher die Möglichkeit, sich über die neuesten Medien zu informieren.

Titel sprechen Bände: „Hat Opa einen Anzug an?“

Einerseits wissenschaftliche Spezialbibliothek mit den Sammelschwerpunkten Theologie und Religionswissenschaft sowie ihren Grenzgebieten Philosophie, Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Geschichte und Kunst, andererseits aber auch öffentliche Einrichtung – die Band-Breite des Repertoires ist beachtlich. Das Kinderbuch, das sich unter dem Titel „Hat Opa einen Anzug an?“ mit Tod und Sterben befasst, ist ebenso griffbereit wie die Dissertation über den „Status und Geltungsanspruch der historisch-kritischen Methode in der theologischen Hermeneutik“. Es fehlen nicht die „Predigthilfen“ für Pfarrer oder die „Jesusgeschichten für Kinder“.

Es spricht buchstäblich Bände, wenn Himmighöfer, der die Diplom-Bibliothekare Karin Feldner und Robert Zobotke sowie die Verwaltungsangestellte Heidi Herbel zur Seite stehen, das Aufga-bengebiet folgendermaßen umschreibt: „Die Bibliothek erfüllt Teilaufgaben einer Universitäts- oder Institutsbibliothek, eines Amts für Religionsunterricht, einer Schulbibliothek und einer Gemeindebücherei.“ Darüber hinaus ist die Einrichtung auch Behördenbibliothek im engeren Sinne. Die Spezialsammlung juristischer und verwaltungswissenschaftlicher Literatur zählt zum Präsenzbestand.

Wissen, was abgeht in der Welt jenseits der Bücherregale

Keine Frage, die Kirchenbibliothek-Leiterin und ihre Mitarbeiter müssen wissen, was abgeht in der Welt jenseits der Bücherregale. „Tatort Bildschirm“ und Gen-Technik, Biografien von Dalai Lama und Ghandi, Frauen-Literatur, Unterrichtsmaterialien zu Gewalt in der Schule und Videos über jüdische Feste – 3.800 Anrufe, 13.000 Ausleihen in der Bibliothek und 8.000 in der Medienzentrale wurden im letzten Jahr gezählt. „Doch da kommen auch schwierigere Fragen“, schildert Traudel Himmighöfer. „Da sucht ein Pfarrer die deutsche Übersetzung des Traktats Sanhedrin aus der Mischna. Ein anderer interessiert sich für die therapeutische Wirkung von Chorälen. Für eine Bildmeditation wird ein Dia mit einer Ackerfurche benötigt.“

Darüber hinaus versäumen es die Cheÿfin und ihre Mitarbeiter nicht, Bibliothek und Medienzentrale bei Veranstaltungen der Landeskirche und bei Führungen zu präsentieren. Nächster öffentlicher „Auftritt“ soll bei der Psalmen-Ausstellung in der Heiliggeist-Kirche anlässlich des Doppel-Jubiläums 475 Jahre Protestation und 100 Jahre Gedächtniskirche 2004 sein.

Zusatz-Info: Neuerwerbungen und Themenhefte sind im Internet auf der Homepage der Kirchenbibliothek www.kirchenbibliothek.de/  abrufbar. AV-Medien sind im verlinkten Online-Katalog der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Medienzentralen (AG EMZ) im Internet recherchierbar. Telefonisch sind die Bibliothek unter 06232/667-415, die Medienzentrale unter 06232/667-416, per Fax unter 06232/667-480 und per E-Mail unter der Adresse bibliothek@evkirchepfalz.de zu erreichen. Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag, von 9 bis 12 und 14 bis 16 Uhr sowie Freitag von 9 bis 13 Uhr.