Theologe Kuschel will Christen und Muslime an Weihnachten zusammenbringen

Tübingen (epd). Gemeinsame Veranstaltungen, bei denen die Geburtsgeschichten Jesu aus der Bibel und aus dem Koran gelesen werden, könnten nach Ansicht des katholischen Theologieprofessors Karl-Josef Kuschel zu Vertrauen zwischen Christen und Muslimen beitragen. Für Muslime stehe ebenso wie für Christen fest, "dass die Geburt Jesu ein Zeichen Gottes an die Menschen für Gottes Barmherzigkeit und gegen Gewalt ist", sagte der Theologe.

Solche Veranstaltungen sollten nach Ansicht Kuschels nicht in sakralen Räumen abgehalten werden, sondern eher in Gemeindehäusern oder für Kinder in Schulen und Kindergärten. Es gehe "nicht um Religionsvermischung, sondern um ein Zeichen des Vertrauens". Ein solches Zeichen sei wichtig, weil "Muslime heute generell verdächtigt
werden, dass sie einer Religion angehören, die gewalttätig ist", sagte Kuschel. Er verwies auf Sure 19,32 im Koran, in der der neugeborene Jesus sagt: "Er (Gott) hat mich nicht zum unseligen Gewalttäter gemacht."

Geburt Jesu auch im Koran

Er sei "nicht bereit, den Islam als eine Religion der Gewalt abzustempeln", sagte Kuschel. Es gebe gewalttätige Stellen im Koran, und er sage auch nicht, dass der Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Doch die Interpretation dieser Stellen durch die Terroristen sei Teil der Wirkungsgeschichte, mit der man sich auseinandersetzen müsse. Nötig sei eine "verantwortliche Auslegung".

Kuschel, der bis zu seiner Emeritierung 2013 an der Universität Tübingen Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs lehrte, hat in seinem Buch "Weihnachten und der Koran" die Geburtsgeschichten von Jesus im Neuen Testament und die von Jesus, Mohammed, Johannes und Maria im Koran miteinander verglichen. Besonders geeignet für gemeinsame Lesungen seien die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium und die Geburtsgeschichte Jesu in Sure 19.

"Urmodell des Dialogs"

Der Koran, der im siebten Jahrhundert aufgeschrieben wurde, führe einen sehr intensiven Dialog mit den christlichen Überlieferungen, so Kuschel. Er nehme deren Traditionen wie die Geistzeugung und Jungfrauengeburt, setze aber auch eigene Akzente: So sei Jesus für die Muslime nicht der Sohn, sondern ein Gesandter Gottes. Die Erforschung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Geburtsgeschichten sei ein "Urmodell eines Dialogs zwischen Christen und Muslimen".

Intensiviert werden müsste nach Ansicht Kuschels auch der Dialog zwischen Juden und Muslimen. Er nehme die Sorgen des Zentralrats der Juden, dass einige Flüchtlinge Hass auf die Juden mitbringen könnten, sehr ernst. Deshalb müssten auch Juden und Muslime in Deutschland im Geiste des Vertrauens zusammenarbeiten.

21. Dezember 2015

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