Neue Offenheit im Profi-Fußball für spirituelle Fragen

Drei Fragen an "Fußball Bibel"-Autor David Kadel

epd-Gespräch: Jasmin Maxwell

Frankfurt a.M. (epd). Fußballspieler gehen nach Einschätzung des Autors David Kadel heute offener mit dem Thema Religion um als in früheren Jahren. Ereignisse wie die Selbsttötung des Nationaltorwarts Robert Enke 2009 hätten Profi-Sportler sensibler für Sinnfragen gemacht, sagte der Persönlichkeitscoach in einem epd-Gespräch. Für sein neues Buch "Die Fußball Bibel" sprach Kadel unter anderem mit Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund, über seinen Glauben.

epd: Bilder von brasilianischen Fußballern, die unter ihren Trikots T-Shirts mit Aufdrucken wie "Jesus liebt dich" tragen, sind weltbekannt. Wie offen gehen deutsche Fußballer mit dem Thema Religion um?

David Kadel: Anfang der 90er Jahre war es in Deutschland noch exotisch, wenn sich Fußballspieler zu ihrem Glauben bekannt haben. Das waren immer Spieler aus Lateinamerika oder Afrika wie Jorginho oder Sammy Kuffour. Aber in den letzten Jahren haben sich auch mehr und mehr deutschstämmige Profisportler öffentlich über Religion geäußert. Ich habe für mein neues Buch bewusst deutsche Fußballer angesprochen, um zu zeigen: Der Glaube ist nicht daran gebunden, woher man kommt. Wenn sich jemand wie Jürgen Klopp zum Glauben bekennt, wird das nicht so leicht mit einem Lächeln abgetan nach dem Motto: "Klar, der kommt ja aus Brasilien."

epd: Welche Rolle spielt Religion im Profi-Fußball?

Kadel: Gerade nach dem Selbstmord von Robert Enke und zuletzt dem Suizidversuch des Schiedsrichters Babak Rafati ist im Fußball die Offenheit für spirituelle Fragen gewachsen. Niemand hätte vorher damit gerechnet, dass jemand, der alles erreicht hat, sterben will. Dadurch ist das Bewusstsein entstanden, dass auch die nach außen hin knallharten Fußballer Schwächen und Probleme haben. Profisportler sind heute zum Beispiel durchaus interessiert an der Frage, wie man seine innere Ruhe findet. Vor zehn oder 15 Jahren wurde ein Fußballer belächelt, wenn er ein spirituelles Buch mit ins Trainingslager genommen hat. Heute fragen die anderen Spieler eher: Leihst du mir das mal aus?

epd: Ist nicht der Fußballsport selbst für viele Spieler und Fans eine Art Religion?

Kadel: Für viele Fans ist Fußball eine Ersatzreligion. Ins Stadion zu gehen hat Parallelen zum Gottesdienstbesuch: Da geht man in den Fußballtempel, der Spielablauf ist vergleichbar mit einer Liturgie, es gibt Hymnen wie "You never walk alone". Es liegt auch nahe, dass Fußballspieler, die an ihre Mannschaft und den Sieg glauben, zu beten anfangen. Viele Sportler und Fans meinen solche Gebete tatsächlich ernst. Als leidenschaftlicher Mainz 05-Fan kann ich das schon nachvollziehen. Die Frage ist allerdings, wie Gott damit umgeht, wenn er sowohl die Gebete der Dortmund-, als auch der Schalke-Fans hört. Geht das Spiel dann unentschieden aus? Solche Überlegungen nehmen dann schon kabarettistische Züge an.

26. Januar 2012

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