UN-Berichterstatter kritisiert Integrationsdebatte

Frankfurt a.M./Berlin (epd). Der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, hat die aktuelle Integrationsdebatte als rückwartsgewandt kritisiert. Die zunehmende Vermischung von Integrationspolitik und Islam sei gefährlich, da dadurch antimuslimische Ressentiments in der Bevölkerung befeuert würden, sagte Bielefeldt am Mittwoch in einem epd-Gespräch in Berlin. Der Menschenrechtsausschuss des Bundestags diskutiert am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung über Religionsfreiheit in Europa. Dabei soll es auch um die Frage gehen, ob muslimische Zuwanderer in die europäische Wertegemeinschaft integriert werden.

Bielefeldt sieht eine "Islamisierung" der Integrationsdebatte, die der UN-Beauftragte als "massiven Rückschritt" wertet. Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin und vor allem der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders transportierten ein Zerrbild der Wirklichkeit, das Integrationsprobleme auf den Islam projiziere. Hinzu komme Opportunismus in den politischen Parteien wie durch den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Seine Warnung vor einer weiteren Zuwanderung aus der islamischen Welt sei eine "Rolle rückwärts". "Es ist eine skurrile und gefährliche Debatte entstanden, die Vorurteile verstärkt und zu einer Spaltung der Gesellschaft führen kann."

Bielefeldt leitete das Deutsche Institut für Menschenrechte und ist inzwischen Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hatte Bielefeldt im Juni zum UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit ernannt.

Der katholische Theologe, Philosoph und Historiker forderte, zu einer sachlichen und differenzierten Debatte zurückzukehren. Es müsse eine Selbstverständlichkeit werden, Deutschland als multikulturelles Land ohne den Pathos der Leitkultur beschreiben zu können. "Natürlich gehört der Islam zu Deutschland", betonte Bielefeldt. Bundespräsident Christian Wulff habe in seiner Rede am Tag der Deutschen Einheit schlicht die Realität beschrieben.

Der Sonderberichterstatter sieht in Europa zudem Defizite bei der Religionsfreiheit. Bei der Gleichberechtigung der Angehörigen unterschiedlicher Religionen gebe es auch in Deutschland Nachholbedarf. So müsse der islamische Religionsunterricht an deutschen Schulen endlich flächendeckend Wirklichkeit werden.

Im Menschenrechtsauschuss sind neben Bielefeldt unter anderem auch der Schriftsteller Navid Kermani und der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit, Thomas Schirrmacher, als Experten eingeladen. Sie sollen die Grenzen der Religions- und Glaubensfreiheit in Europa ausloten und europäische Identität unter dem wachsenden Einfluss der muslimischen Bevölkerung diskutieren.

27. Oktober 2010

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