Bischöfe mit "Migrationshintergrund"

Mehr als die Hälfte der evangelischen Landeskirchen wird von "Ausländern" geleitet

Von Stephan Cezanne (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Dass ein bayerischer oder baden-württembergischer Ministerpräsident kein waschechtes Kind seiner Heimat ist, scheint kaum vorstellbar. Doch die Kirchen sind da toleranter: Mehr als die Hälfte der Protestanten, die eine Kirche leiten, sind keine Eigengewächse ihrer Region. So wurde Bayerns evangelischer Landesbischof Johannes Friedrich 1948 in Ostwestfalen geboren und kam erst als Schüler nach Franken. Sein Vater - ein bekannter Theologieprofessor - war Ostpreuße.

Und wenn am 23. Juni der neue Bischof von Schaumburg-Lippe gewählt wird, steht jetzt schon fest: Das Kirchenoberhaupt in Bückeburg wird ein Zugereister. Zur Wahl stehen der Auricher Superintendent Karl-Hinrich Manzke und Propst Martin Herche aus Halle. Offen ist nur, wer von beiden die mit rund 61.000 Christen zweitkleinste Landeskirche in Deutschland leiten wird. Auch südwestlich des ehemaligen Fürstentums stehen "importierte" Geistliche an der Spitze ihrer Landeskirchen: Der westfälische Präses Alfred Buß ist gebürtiger Ostfriese, sein Nachbar Martin Dutzmann, der in Detmold der Lippischen Landeskirche vorsteht, kommt aus dem Rheinland.

Im Südwesten das gleiche Bild: Der badische Landesbischof Ulrich Fischer kam 1949 in Lüneburg (Niedersachsen) zur Welt, der württembergische Landesbischof Frank Otfried July stammt aus dem hessischen Darmstadt. Wenn die Stuttgarter Theologin Ilse Junkermann Ende August in Magdeburg erste Landesbischöfin der neuen Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland wird, unterstreicht sie damit den bundesweiten Trend, ebenso wie der Koblenzer Theologe Markus Dröge. Er folgt im November dem Berliner Bischof Wolfgang Huber im Amt. Huber selbst, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wurde in Straßburg geboren und lebte lange in Baden-Württemberg.

Weitere geografische Grenzgänger sind der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber - er wurde nicht nur in Oberhessen geboren sondern war zudem lange Propst in Wiesbaden. Weber, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), hat auch einen "konfessionellen Migrationshintergrund". Er wurde als junger Vikar in eine reformierte Gemeinde ordiniert und sitzt heute im Leitungsgremium der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).

Margot Käßmann, Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, ist von Hause aus keine Niedersächsin. Geboren wurde sie im hessischen Marburg. Ihre Heimatkirche ist die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, in der auch der Auslandsbischof im EKD-Kirchenamt in Hannover, Martin Schindehütte, seine Wurzeln hat. Der Bischof der kurhessen-waldeckischen Kirche wiederum, Martin Hein (Kassel), erblickte in Wuppertal das Licht der Welt.

Viele kirchliche "Migranten" gibt es auch im Osten Deutschlands: Nicht nur Huber, Junkermann und Dröge stammen aus dem Westen. Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl kommt aus Westfalen. Ebenfalls aus Westfalen stammt Hans-Jürgen Abromeit, Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche. Er kam über die Stationen Wuppertal, Heidelberg und Jerusalem zum Kirchensitz in Greifswald. Der Kirchenpräsident der Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, ist aus dem kirchlich zu Hannover gehörenden Hildesheim und war Superintendent in Schaumburg-Lippe.

Die evangelische Kirche "exportiert" auch Theologen ins Ausland. Beispiel ist der frühere bayerische Pfarrer Edmund Ratz (76), jetziger Erzbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Russland, Ukraine, Kasachstan und Mittelasien (ELKRAS) und lutherischer Bischof von Russland. Und die deutsche Theologin Antje Jackelen aus Herdecke bei Dortmund ist Bischöfin der evangelisch-lutherischen Diözese im schwedischen Lund.

18. Juni 2009

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