Von Wittenberg bis Wittenberg - Reformprozess in der evangelischen Kirche in dezentrale Phase eingetreten

Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Avanti protestanti, machte RBB-Intendantin Dagmar Rein Ende Januar den Protestanten Mut zur Veränderung. In der Lutherstadt Wittenberg diskutierten rund 300 Vertreter aus allen 23 Landeskirchen über die Reformperspektiven 2030. Grundlage waren die Empfehlungen des Papiers "Kirche der Freiheit" der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Damit reagierte die EKD auf langfristige Prognosen wie Bevölkerungsrückgang und Mitgliederschwund sowie sinkende Finanzkraft. Die im Sommer 2006 vorgelegten Empfehlungen - zu Strukturfragen wie Zahl und Größe der Landeskirchen, zu neuen Gemeindeformen und "Qualitätsmanagement" für kirchliche Arbeit - hatten eine heftige Diskussion ausgelöst.

Mit einer Fülle von konkreten Anregungen vermittelte Wittenberg Aufbruchstimmung, auch wenn es an einzelnen kritischen Stimmen nicht fehlte - darin waren sich alle einig. Zugleich wurde deutlich, dass über den Reformkurs Akteure auf allen kirchlichen Ebenen mitbestimmen - in den Regionen, in den Landeskirchen und auf der EKD-Ebene. Träger müssten jedoch die Landeskirchen sein. Aufbauend auf diesem Konsens wurde ein "Schaufenster der Reformen" zusammengestellt. Der Reformprozess sei in seine dezentrale Phase getreten, lautet der Befund in einer Zwischenbilanz aus dem EKD-Kirchenamt.

Rat und Kirchenkonferenz verständigten sich auf drei Themen, die von der EKD besonders angeschoben werden sollen: Qualitätsentwicklung, missionarischer Aufbruch in Gemeinde und Region, theologische Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter sowie Leitung und Führung. Für 2009 ist eine "Zukunftswerkstatt" angedacht, bei der gelungene Reformbeispiele vorgestellt werden sollen.

Als im November die EKD-Synode bei ihrer turnusmäßigen Tagung in Dresden sich über den Stand des Reformprozesses beugte, beschränkte man sich auf den Versuch einer theologischen Standortbestimmung - denn die Messen werden an anderer Stelle gesungen. Bei der Neuordnung der föderalen Struktur des Protestantismus sind die Landeskirchen am Ball.

Schauplatz für eine Entscheidung mit Signalfunktion war wiederum Wittenberg. Für Erleichterung sorgte dort der Fusionsbeschluss der Synode der Kirchenprovinz Sachsen im November. Das Kirchenparlament machte im zweiten Anlauf den Weg frei für den Zusammenschluss mit der Landeskirche Thüringen. Ab 2009 soll es danach die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland mit rund 950.000 Mitgliedern geben. Bei der mitteldeutschen Fusion von zwei etwa gleich großen Landeskirchen geht es darum, knapper werdende finanzielle und personelle Mittel besser zu bündeln und Aufgaben gemeinsam zu erledigen.

Ein Scheitern hätte unabsehbare Folgen gehabt, räumte Landesbischof Christoph Kähler aus Thüringen ein. Denn Ziel der Vereinigung sei es, mit vereinten Kräften die Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte zu meistern und als eine Kirche aus eigenen Kräften fortzusetzen.

Der Weg bis zur Fusion sei beispielhaft, meint Kähler, der auch stellvertretender EKD-Ratsvorsitzender ist: "Nach meinem Eindruck gibt es keinen Fusionsprozess in Kirche, Staat, Wirtschaft und Wissenschaft, der durch eine solche Fülle von Informationen begleitet war, zur Debatte gestellt und auf Grund der Diskussionen korrigiert oder auch grundlegend verändert wurde wie die Vereinigung zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland."

Bewegung gibt es auch im Norden. Im Mai nahmen die drei evangelischen Landeskirchen in den Bundesländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein Sondierungsgespräche über eine gemeinsame "Nordkirche" auf. Die Kirchenparlamente von Mecklenburg, Nordelbien und Pommern sprachen sich im Herbst für Verhandlungen über die Bildung einer gemeinsamen Kirche aus bislang drei selbstständigen Kirchen aus.

Mit knapp 2,5 Millionen Mitgliedern wäre die "Nordkirche" eine der mitgliederstärksten und auch flächenmäßig größten unter den evangelischen Landeskirchen. Der Zeitplan sieht vor, dass ein Fusionsvertrag 2008 Vertrag vereinbart werden soll. Eine gemeinsame Kirchenverfassung wird bis 2011 angestrebt.


28. Dezember 2007

Zukunftskongresse der EKD 2007

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