Bischof Huber: Stammzellforschung bleibt ethische Gratwanderung

Frankfurt a.M. (epd). In der Debatte über eine Lockerung des Stammzellgesetzes hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, eine einmalige Verschiebung des Stichtages befürwortet. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstagsausgabe) unterstützte Bischof Huber damit die Position von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), die dafür massiver Kritik aus der katholischen Kirche ausgesetzt ist.

"Wenn es stimmt, dass die derzeit verfügbaren Stammzelllinien mit Viren und tierischen Zellen kontaminiert sind und daher für die notwendige Forschung nur begrenzt geeignet sind", könnte eine Stichtags-Verlegung in Kauf genommen werden, so Huber. Dies könnte allerdings nur ein zurückliegender Stichtag sein.

Bisher darf in Deutschland nur mit embryonalen Stammzellen geforscht werden, die aus dem Ausland importiert und vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Aus der Wissenschaft gibt es seit längerem Forderungen, diesen Stichtag zu verschieben oder generell zu streichen. Anfang Dezember hatte der CDU-Parteitag mit knapper Mehrheit beschlossen, die Verschiebung dieses Stichtages zu ermöglichen.

Der Vorwurf, damit werde ein Automatismus ständiger Stichtags-Anpassungen ausgelöst, laufe ins Leere, argumentierte der EKD-Ratsvorsitzende. Denn darüber entscheide der Gesetzgeber. "Wer aber eine Verschiebung des Stichtags schlechterdings ablehnt, muss sich fragen lassen, wie die Forschung mit adulten Stammzellen überhaupt vorankommen kann", so Huber. Adulte Stammzellen, die etwa aus Nabelschnurblut gewonnen werden, gelten als ethisch unbedenklich, während für die Verwendung embryonaler Stammzellen in der Forschung menschliche Embryonen getötet werden müssen.

Huber argumentierte weiter, die Forschung mit embryonalen Stammzellen bleibe eine ethische Gratwanderung: "Deshalb befürworte ich sie nur für einen begrenzten Zeitraum." Damit sei die Hoffung verbunden, dass die Forschung bald ohne embryonale Stammzellen auskomme.

In der evangelischen Kirche gibt es unterschiedliche Positionen zur Stammzellforschung. Eine einmalige Verschiebung des Stichtages sollte nur zulässig sein, wenn die Grundlagenforschung wegen der Verunreinigung der Stammzelllinien nicht fortgeführt werden könne, stellte die EKD-Synode Anfang November fest. In einem Beschluss des Kirchenparlaments heißt es weiter, vorstellbar sei nur eine Verschiebung auf einen bereits zurückliegenden Stichtag. Vorrang sollte Forschung mit adulten Stammzellen haben.

Eine Lockerung des Stammzellgesetzes lehnte hingegen der evangelische Sozialethiker Wilfried Härle ab. Dessen Kompromiss sei nur wegen der Stichtagsregelung akzeptabel, so Härle, der auch Vorsitzender der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung ist. Eine nachträgliche Verschiebung des Stichtages mache ihn "ethisch wertlos", da sie zum Motiv für die Tötung von Embryonen werden könnte. Wie die katholische Kirche sind auch der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July und die Deutsche Evangelische Allianz für eine restriktive Haltung zur Stammzellforschung.

Vor diesem Hintergrund wandte sich der EKD-Ratsvorsitzende gegen einen Kulturkampf in diesem Konflikt, der auch eine konfessionelle Färbung angenommen habe. "Manche katholische Stimme beansprucht, die allein vertretbare christliche Position zu artikulieren", ein generelles Nein zur Forschung mit embryonalen Stammzellen. Dem hielt Huber entgegen, in der evangelischen und katholischen Kirche bestünden unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich kirchlichem Lehramt und der Verantwortung des einzelnen Christen.


27. Dezember 2007

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