Wittenberger Theologe Schorlemmer geht in Ruhestand

Wittenberg (epd). Der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer geht Ende des Jahres in den Vorruhestand. Der 63-jährige evangelische Theologe erhielt 1993 für sein Engagement als DDR-Bürgerrechtler den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Als langjähriger Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt habe er zahlreiche Tagungen und internationale Konferenzen angeregt und geleitet, teilte die Akademie am Dienstag in Wittenberg mit.

Akademie-Direktor Stephan Dorgerloh würdigte Schorlemmer als prägenden Mitarbeiter. Seine Gabe, Menschen für kontroverse Diskussionen zu Fragen der Zeit zu gewinnen und herauszufordern, habe die Arbeit der Akademie und deren überregionales Ansehen "entscheidend beeinflusst".

Schorlemmer, Autor zahlreicher Bücher, studierte von 1962 bis 1967 evangelische Theologie in Halle. Danach war er zunächst Inspektor für Theologiestudenten des Konvikts in der Saalestadt und später Studentenpfarrer in Merseburg. Seit 1978 arbeitete er als Dozent am Wittenberger Predigerseminar, seit 1992 als Studienleiter für Theologie und Zeitgeschichte an der Evangelischen Akademie.

Schorlemmer soll am Samstag in Wittenberg verabschiedet werden. Dazu werden unter anderen der Magdeburger Bischof Axel Noack und der ehemalige Erfurter Propst Heino Falcke erwartet. Offiziell endet Schorlemmers Tätigkeit als Studienleiter am 31. Dezember.

27. November 2007


"Ich bin ein Kind der DDR"

Der Wittenberger Pfarrer und Publizist Friedrich Schorlemmer geht in den Ruhestand

Von Hans-Jürgen Röder (epd)

Wittenberg (epd). "Ich bin ein Kind der DDR", hat er im Sommer 1990 erklärt und gleich hinzugesetzt: "Ich bleibe es auch noch, wenn es sie nicht mehr gibt." Knapper lässt sich kaum sagen, was Friedrich Schorlemmer geprägt hat. Rund vier Jahrzehnte hat er als Pfarrer, Dozent und Studienleiter in kirchlichen Diensten gestanden. Am Samstag (1. Dezember) wird der 63-jährige Theologe und Publizist in Wittenberg in den Ruhestand verabschiedet.

Geboren wurde Schorlemmer im kleinen Elbestädtchen Wittenberge (rpt. Wittenberge) in der Prignitz. Hier ist er in einem Pfarrhaus aufgewachsen und zur Schule gegangen. Hier war er danach als Hausmeister tätig. Und hier hat er 1962 das Abitur an der Volkshochschule nachgeholt, weil ihm als Pfarrerssohn der Zugang zur Oberschule verwehrt blieb.

Für viele seiner Altersgenossen aus christlichen Elternhäusern ist das kein ungewöhnlicher, dafür aber ein sehr prägender Weg gewesen. Viele von ihnen haben so früh lernen müssen, die eigene Meinung gegenüber Lehrern und anderen Autoritäten zu verteidigen. Für nicht wenige war damit auch das Bemühen verbunden, im Umgang mit Andersdenkenden die eigenen Überzeugungen nicht zu verraten.

Für Schorlemmer hat sich daran bis heute nichts geändert. Das Thema Frieden und Versöhnung zieht sich wie ein roter Faden durch seine Lebensjahrzehnte: Von der Verweigerung des Wehrdienstes 1962 bis zu seinen markanten Ansprachen bei Großdemonstrationen wie im November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz oder bei den Protesten gegen den Irakkrieg am 15. Februar 2003 in der Bundeshauptstadt.

Dabei ist Frieden für ihn nicht nur das Schweigen der Waffen. Er setzt vielmehr auf die biblische Vision von einer Welt, in der die Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden und kein Volk mehr lernt, Kriege zu führen. Besondere Anschauung hat er diesem Bild - sehr zum Ärger der DDR-Führung - beim Kirchentag 1983 mit einer Schmiedeaktion auf dem Lutherhof in Wittenberg verschafft.

Seit 1978 lebt Schorlemmer in der Lutherstadt, wo er zunächst als Dozent am Predigerseminar und seit 1992 als Studienleiter an der Evangelischen Akademie tätig ist. An der Schlosskirche, in der Martin Luther begraben liegt, hat er seit 25 Jahren einen Predigtauftrag. Für die wiederkehrenden Vergleiche mit dem deutschen Reformator dürften dennoch andere Gründe ausschlaggebend sein - allen voran die wortgewaltige Rede, die beide verbindet, oder auch die Bereitschaft, sich den Konflikten in Kirche und Gesellschaft zu stellen.

Seinen wiederkehrenden Appell an die eigene Kirche, sich einzumischen, wo Friedlosigkeit, Ungerechtigkeit, Not oder Verzweiflung herrschen, wird kaum einer besser gerecht als er selbst. Ob Nahost oder Afghanistan, Börsenfieber oder Zuwanderungsgesetz, Elbeausbau oder Schülergewalt - es gibt kaum ein Thema, das ihn nicht bewegt.

Das ist auch zu DDR-Zeiten nicht anders gewesen. In Vorträgen und Predigten, Erklärungen und Thesen brachte er immer wieder zur Sprache, was Menschen zu schaffen machte. Und daran hat er auch nach der friedlichen Revolution festgehalten. Als "Kind der DDR" leidet er bis heute an den Verwerfungen im Einigungsprozess und an den weit verbreiteten Zerrbildern ostdeutscher Vergangenheit.

Der Streit darüber unter den ostdeutschen Landsleuten ließ ihn 1993 den Vorschlag machen, alle Stasi-Akten in einem Freudenfeuer zu verbrennen. Ähnlich argumentierte er 1999, als er Amnestie für SED-Täter forderte, weil sich der Rechtsstaat als unfähig erwies, die Verantwortlichen angemessen zur Rechenschaft zu ziehen. Ehemalige Weggefährten, aber auch westdeutsche Beobachter haben ihn damals heftig beschimpft.

Seinem Selbstvertrauen hat dies aber nichts anhaben können, wie die lange Liste seiner Veröffentlichungen zeigt. Ähnlich lang ist aber auch die Liste der Ehrungen, die Schorlemmer für sein Engagement in Empfang nehmen durfte. Von der Ossietzky-Medaille bis zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels reicht die Palette, die seine Bedeutung für die DDR-Opposition, aber auch für die friedliche Revolution und für eine selbstbewusste Teilhabe der Ostdeutschen am Prozess der Wiedervereinigung unterstreichen.

27. November 2007

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