Bischof Huber: Zerstörung des Klimas ist Sünde

Frankfurt a.M. (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber (65), erhofft sich von der Klimakonferenz auf Bali einen Schritt nach vorn im internationalen Klimaschutz. "Das Dringlichste ist, dass der Kohlendioxid-Ausstoß so schnell wie möglich reduziert wird", sagte der Berliner Bischof in einem epd-Interview zum UN-Klimagipfel vom 3. bis 14. Dezember. Die Industrienationen hätten wegen ihrer hohen Emissionen eine Bringschuld, aber auch die Entwicklungsländer müssten umsteuern.

Huber sieht auch die Kirchen gefordert. Die Erderwärmung bewertete er als Folge schuldhaften Verhaltens, bei dem der eigene kurzfristige Vorteil wichtiger sei als die langfristige Verantwortung für das gemeinsame Leben. "Das ist Egoismus, das ist Selbstsucht, ja - das ist Sünde", betonte der höchste Repräsentant von rund 25,4 Millionen evangelischen Christen in Deutschland.

Der Klimawandel hat nach seinen Worten in besonderer Weise mit Gerechtigkeit und mit der Verantwortung für die Schöpfung zu tun. Huber: "Wir stehen vor der Frage, ob wir die Welt, die uns anvertraut ist, aus dem Rhythmus bringen oder im Rhythmus halten, den Gott am Ende der Sintflutgeschichte als bleibend zugesagt hat: Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."

Als die große Aufgabe bezeichnete es Huber, auch China und die USA für eine zukunftsfähige Klimapolitik zu gewinnen, die an die Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls zur Reduktion der Treibhausgase anschließt. "Es ist schwer, aber es ist nötig", betonte der EKD-Ratsvorsitzende.

27. November 2007

Klima-Appell des EKD-Ratsvorsitzenden vom 30. Mai 2007


Das Interview im Wortlaut:

Bischof Huber: Klimaschutz aus Verantwortung für die Schöpfung

EKD-Ratsvorsitzender hofft auf Fortschritte bei Bali-Konferenz

Frankfurt a.M. (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber (65), wirbt für Klimaschutz aus Verantwortung für die Schöpfung. Die Erderwärmung wertet der Berliner Bischof als Folge von Egoismus, als Sünde. Von der Weltklimakonferenz vom 3. bis 14. Dezember auf Bali erhofft sich der höchste Repräsentant von 25,4 Protestanten in Deutschland einen Schritt nach vorn in der Klimapolitik. Mit Huber sprach Elvira Treffinger.

epd: Herr Huber, was erwarten Sie von der Klimakonferenz auf Bali?

Huber: Ich erwarte einen Schritt nach vorn im internationalen Klimaschutz, also eine Anschlussvereinbarung, die den Inhalt des Kyoto-Abkommens aufnimmt, aber auch darüber hinausgeht. Das Dringlichste ist, dass der Kohlendioxid-Ausstoß so schnell wie möglich reduziert wird. Die Industrieländer haben dabei eine bestimmte Bringschuld; denn sie sind überproportional an den CO2-Emissionen beteiligt und belasten damit auch die Länder der Dritten Welt überproportional.

epd: Welche Aufgaben kommen auf die Entwicklungsländer zu?

Huber: Natürlich müssen auch die Entwicklungsländer an dem Versuch beteiligt werden, eine Energieversorgung aufzubauen, die klimaverträglich und nachhaltig ist. Diese Weichenstellungen brauchen - weltweit betrachtet - Zeit. Ein Umsteuern ist nur langsam möglich, gerade deshalb müssen sich auch die Länder der Dritten Welt und die Schwellenländer an diesem Umsteuern von Anfang an beteiligen.

epd: Nun wirkt die Welt ja relativ zerstritten, beim Irak-Krieg oder bei anderen globalen politischen Fragen. Welche Hoffnung haben Sie, dass Bali ein Erfolg wird?

Huber: Ich habe die Hoffnung, dass sich Einsicht und Verantwortungsbereitschaft durchsetzen. Ich hoffe, dass diejenigen, die auf Bali zusammenkommen, sich klarmachen, dass sie nicht nur für diese, sondern auch für die nächsten Generationen Verantwortung tragen. Deshalb darf die Klimapolitik nicht nur unter dem Gesichtspunkt des jeweiligen Vorteils für das eine oder andere Land gesehen werden. Die Herausforderungen in Bali sind anders als beim Irak-Krieg. Zwei ganz große Länder müssen gewonnen werden, die bisher aus dem Klima-Konsens deutlich ausscheren: Die Vereinigten Staaten von Amerika und China. Beide Staaten zum Mitträger einer zukunftsfähigen Klimapolitik zu machen, ist in meinen Augen die große Aufgabe. Es ist schwer, aber es ist nötig.

epd: Warum ist der Klimawandel ein Thema für die Kirche?

Huber: Weil die Herausforderung des Klimawandels in besonderer Weise mit unserer Verantwortung für die Schöpfung zu tun hat. Wir stehen vor der Frage, ob wir die Welt, die uns anvertraut ist, aus dem Rhythmus bringen oder im Rhythmus halten, den Gott am Ende der Sintflutgeschichte als bleibend zugesagt hat: "Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht". Ebenso, weil der Klimawandel in Fragen der Gerechtigkeit Auswirkungen hat, die uns überhaupt nicht kalt lassen können.

epd: Sie haben die Warnung des Apostels Paulus zitiert: "Denn was der Mensch sät, das wird er ernten." Wie beziehen Sie dieses Wort auf den Klimawandel?

Huber: Unsere heutigen Entscheidungen werden die Lebensbedingungen prägen, unter denen unsere Kinder und Enkelkinder leben werden. Ob wir heute im Umgang mit dem Energiebedarf und den Auswirkungen des Klimawandels mutige Schritte tun, entscheidet darüber, was sich in 10, 20 und 40 Jahren daraus entwickelt.

epd: Ist die Erderwärmung als Sünde an der Schöpfung zu bewerten?

Huber: Die Erderwärmung ist die Folge von schuldhaftem Verhalten, indem wir unseren eigenen kurzfristigen Vorteil als wichtiger ansehen als die langfristige Verantwortung für das gemeinsame Leben. Das ist Egoismus, das ist Selbstsucht, ja - das ist Sünde.

epd: Es gibt das Schlagwort von der Klima-Gerechtigkeit. Wie kann sie aussehen, wie muss sie aussehen?

Huber: Gerechtigkeit muss bedeuten, dass wir Schluss damit machen, dass die reichen Industriestaaten trotz allen technischen Fortschritts überproportional zu den globalen CO2-Emissionen beitragen. Verglichen mit ihrer Bevölkerungszahl produzieren sie ein Vielfaches der Emissionen, die pro Einwohner in der Dritten Welt entstehen. Die Auswirkungen eines ungebremsten Klimawandels wie Dürren, Überflutungen, Ernährungsunsicherheit und Gefährdung durch Naturkatastrophen wirken sich aber in den armen Ländern ganz überproportional stark aus. Diese Ungerechtigkeit muss beendet werden - durch eine gemeinsame Anstrengung.

epd: Sie haben in Ihrem Klima-Appell im Mai erklärt, dass ein Modell, das jedem Menschen gleich hohe CO2-Emissionen zugesteht, sicher nur langfristig erreichbar sein wird. Können Sie das erläutern?

Huber: Der Ausstoß an Kohlendioxid steht ja im Verhältnis zum Lebensstandard und zur Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes. Wir müssen redlich sein und zugeben: Wir wollen die CO2-Emissionen reduzieren, aber wir wollen gleichzeitig, dass an jedem Ort, an dem wir uns befinden, der Strom aus der Steckdose kommt; dass wir uns jederzeit von einem zum anderen Ort bewegen können; dass unsere Mobilität in keiner Weise eingeschränkt wird. Und durch all diese Aktivitäten produzieren wir nicht nur CO2-Emissionen, sondern verbrauchen auch entsprechend viel Energie - und dies umso mehr, als wir noch lange nicht genug Energie sparen.

epd: Raten Sie zum Verzicht?

Huber: Ich rate auch individuell zum Verzicht. Ich rate aber vor allem dazu, das, was wir für nötig halten, durch den Einsatz moderner Technologie energiesparender zustande zu bringen. Damit geben wir unserem eigenen Verhalten mehr Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit.

epd: Tun die Kirchen genug, um eine Klimakatastrophe abzuwenden?

Huber: Niemand kann auf eine solche Frage mit Ja antworten. Wir strengen uns bei diesem Thema an. Wir haben gute Beispiele von Einzelnen und Gemeinden. In den letzten Monaten versuchen wir, zusätzlich einen richtigen Schub zustande zu bringen. So wollen wir uns gerade auch bei kirchlichen Zusammenkünften, beispielsweise Synoden, so umweltgerecht wie möglich verhalten; für kirchliche Gebäude wurde ein Umwelt-Audit eingeführt. Das alles ist noch im Werden. Wir können noch keineswegs sagen, das ist genug.

epd: Wie beurteilen Sie die generelle Situation in Deutschland? Der Klimaschutz scheint ja quer durch die Parteien eine wichtige Angelegenheit zu sein. Hoffen Sie auf einen Konsens?

Huber: Ich bin dankbar für die Veränderungen im politischen Bewusstsein, die sich in Deutschland vollzogen haben. Sowohl die Umwelt- als auch die Entwicklungspolitik sind vom Rand der politischen Agenda ins Zentrum gerückt und zu wichtigen Aufgaben geworden. Beim Klimaschutz sind beide Themen verknüpft. Das ist ein Verdienst der gegenwärtigen Bundesregierung, insbesondere der zuständigen Ministerin und des zuständigen Ministers sowie der Bundeskanzlerin. Wir haben in Deutschland günstige Voraussetzungen dafür, dass wir uns kühne Ziele vornehmen und vielleicht an der einen oder anderen Stelle Vorreiter sein können. Ich hoffe insbesondere auf schnelle Schritte bei der Reduktion von CO2-Emissionen.

Als Bischof für Berlin, Brandenburg und die schlesische Oberlausitz interessiere ich mich zudem sehr stark für das Thema Klima und Kohle. Wenn es schnell gelingen würde, bei der Braunkohletechnologie Verfahren zur Abspaltung der CO2-Emissionen zu entwickeln und somit CO2-freie Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen möglich würden, wäre das ein wichtiger Schritt. Aber ebenso wichtig ist natürlich die Steigerung des Anteils der Energie aus erneuerbaren Ressourcen.

27. November 2007

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